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Masao stand da, ging den Arbeitern aus dem Weg, versuchte scharf zu beobachten. Es war immer der gleiche Vorgang. Wenn die Wagen voll beladen waren, wurden die Hecktüren zugeklappt und verschlossen. Der Fahrer setzte sich ans Steuer, sein Beifahrer auf den Nebensitz, und der Truck brummte los – seinem Bestimmungsort entgegen. Es war ein faszinierendes Schauspiel. Nachdem Masao gesehen hatte, was er wissen mußte, schlenderte er gemächlich über den Hof und stellte unauffällige Fragen.

Er blieb bei einem der Arbeiter stehen, die einen Lastwagen beluden, und sagte: »Entschuldigung, Sir, wohin fährt der Laster?«

»Connecticut.«

Falsche Richtung. »Vielen Dank, Sir.« Masao trödelte zum nächsten Lastwagen hinüber. »Entschuldigung, Sir, wohin fährt dieser Laster?«

»Boston.«

Zu nah. So lief er von einem Fahrer zum anderen, stellte Fragen und bekam Antworten, und die Lastwagen rollten nach Maine oder Philadelphia oder Washington oder Delaware. Nichts zu machen. Masao wollte schon aufgeben, als er zu einem riesigen Lastwagen kam, der mit Möbeln und Hausrat beladen wurde. Halbherzig fragte Masao: »Entschuldigung, Sir, wohin fährt dieser Lastwagen?«

Ohne aufzublicken, brummte der Mann: »Los Angeles.«

Masao kam es vor, als sauste ein Adrenalinstoß durch seine Adern. Los Angeles! Irgendwie mußte er es schaffen, sich in diesen Lastwagen einzuschleichen. Er trat einen Schritt zurück und beobachtete, wie die Männer vorsichtig allerlei Möbel auf die Ladefläche schleppten. Der Laster war beinahe voll beladen. Wenn er erst ganz voll war, dann würde kein Zentimeter Platz mehr frei bleiben. Verdammt eng würde es werden, falls Masao es überhaupt schaffte, hineinzukommen. Aber das war nicht seine Hauptsorge. Was ihn am meisten beschäftigte, war die Tatsache, daß die Reise quer durch Amerika sechs oder sieben Tage dauerte – und er würde die ganze Zeit ohne Wasser und ohne Nahrung in diesem Lastwagen eingesperrt bleiben.

Macht nichts, dachte Masao. Nichts machte ihm etwas aus, wenn er nur nach Los Angeles kam, wo er Kunio Hidaka aufsuchen und um Hilfe bitten konnte.

Es war eine Gruppe von vier Männern, die die schweren Möbelstücke auf großen Paletten heranrollten, auf eine Rampe schoben und auf die Ladepritsche des Trucks wuchteten. Masao wußte, daß er genau den richtigen Zeitpunkt abpassen mußte. Falls er zu früh auf den Lastwagen kletterte, konnte er entdeckt werden. Wartete er einen Moment zu lange, konnte er ausgesperrt bleiben.

Er beobachtete, wie eine Gruppe Fernfahrer aus der Kantine auf der anderen Seite des Frachthofes kam, und der Gedanke an Essen ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. In diesem Augenblick hätte er sogar mit Vergnügen eine deutsche Bratwurst gegessen. Er schaute wieder zur Kantine hinüber. Es würde nur eine Minute dauern, hinzulaufen und ein paar Sandwichs und ein paar Dosen Cola zu holen. Dann hätte er auf der langen Reise über Land etwas gegen Hunger und Durst.

Die Versuchung war zu stark, als daß er widerstehen konnte. Im Laufschritt rannte Masao zur Kantine. Dort war es laut und rauchig, die Fernfahrer hockten an Tischen und an einer langen Theke. Masao bahnte sich einen Weg zur Theke und blieb stehen. Er war zu nervös, um sich hinzusetzen. Eine einzige Kellnerin bediente die fünfzehn Gäste, sie schwatzte und flirtete mit ihnen, während Masao versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie schenkte einem der Gäste Kaffee nach und kam endlich zu Masao herüber.

»Was möchtest du?«

Das hatte sich Masao noch gar nicht überlegt. Er schaute zur Anschlagtafel über der Theke hinauf. »Ich möchte ein Hamburger-Sandwich.«

»Okay.« Sie schrieb die Bestellung auf einen Block und wandte sich zum Gehen.

»Und ein Käse-Sandwich.«

»Okay.« Wieder wollte sie gehen.

»Ein Hühnchen-Sandwich.«

Diesmal starrte sie Masao verwundert an. »Ist das alles?«

»Nein, Ma’am.« Er rechnete fieberhaft. Sechs oder sieben Tage. Zwei Mahlzeiten pro Tag müßten reichen. Wieder schaute er zur Anschlagtafel hinauf. »Ein Eier-Sandwich, eines mit Corned Beef, eins mit Roast Beef, ein Roggenbrötchen mit Schinken, ein Putenschnitzel-Sandwich, eines mit Schweizer Käse, eins mit Frikadelle, eins mit Salami, eins mit Schinken und Tomaten, und ein Mortadella-Sandwich.«

Die Kellnerin riß den Mund auf. Endlich fand sie ihre Sprache wieder. »Und was zu trinken?«

»Ja, Ma’am. Ein Dutzend Colas.«

Sie lächelte und sagte: »Du hast aber einen guten Appetit.«

Masao schaute ihr nach, wie sie zum Küchentresen ging und seine Bestellung aufgab. Wenigstens brauchte er unterwegs nicht zu hungern. Aber die Essensdüfte, die ihn hier umschwebten, machten ihn regelrecht gierig, und am liebsten hätte er sich gleich eine Pastete mit Kaffee bestellt. Aber er wollte keine Zeit verlieren. Hoffentlich, so dachte er, beeilten sie sich mit seinen Sandwiches.

Er hockte neben der Kasse auf einem Hocker und hörte zu, was die Fernfahrer redeten, während sie ihre Rechnung beglichen.

»Wohin fährst du, Charly?«

»Nach Tulsa. Teile für einen Bohrturm liefern.«

»Komme gerade von dort. Das Wetter war lausig.«

»Hast du schon deinen neuen Lastwagen, Tony?«

»Nächstes Jahr. Die Frau brauchte ’ne Operation.«

»Dein Pech.«

»Yeah. Wer kann sich heutzutage noch leisten, krank zu werden?«

Masao beobachtete, wie die Kellnerin Bestellungen aufnahm und Rechnungen schrieb. Mach schnell, dachte er. Mach schneller!

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, sagte die Kellnerin: »Deine Bestellung kommt gleich.«

»Vielen Dank.«

Im gleichen Moment hörte er neben sich an der Kasse eine Stimme sagen: »Jetzt müßten sie mit dem Aufladen fertig sein. Komm, auf nach Los Angeles!«

Masao erstarrte das Blut in den Adern. Er fuhr herum und sah den Fahrer des Lastwagens – seines Lastwagens! – und den Beifahrer, die gerade ihre Rechnung bezahlten.

»Geh du schon mal. Ich laß inzwischen die Frachtpapiere unterschreiben«, sagte der Beifahrer.

Masao blickte gehetzt zum Küchentresen hinüber. Er sah, wie jemand seine Sandwiches einpackte, aber er hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Die beiden Fernfahrer standen bereits an der Tür.

Masao sprang auf und rannte hinter ihnen her. Die Kellnerin schrie: »Heh … deine Sandwiches!«

Aber Masao war schon draußen.

Der Truck stand noch da, und eben wurde das letzte Möbelstück aufgeladen.

Jeden Augenblick konnten sie die Heckklappe zuschlagen und abschließen. Es war genau der richtige Moment, um hineinzuschlüpfen. Aber die Arbeiter standen vor der Klappe beisammen und unterhielten sich mit dem Fernfahrer. Jetzt konnte Masao unmöglich an ihnen vorbeischlüpfen. Er dachte daran, wieviel Frust er schon erlebt hatte, wie oft er ganz nahe dran gewesen war, endlich aus New York wegzukommen. Und jetzt schien es, als wäre wieder mal alles vergeblich.

Während Masao solchen trüben Gedanken nachhing, ertönte vom Lastwagen nebenan ein lautes Geschepper. Alle drehten sich um, um nachzusehen, was passiert war.

Ein großer Kronleuchter war von einer Palette auf den Boden gefallen und in tausend Scherben zersprungen. Der unglückliche Packer, der für das Mißgeschick verantwortlich war, fing an zu fluchen, während die anderen Fahrer und Arbeiter sich um ihn versammelten, um ihn zu hänseln und auszulachen.