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»Ja, Sir.«

Masao überlegte, was der Fahrer denken würde, wenn er wüßte, daß er wegen Mordes gesucht wurde und daß auf seine Ergreifung wahrscheinlich eine hohe Belohnung ausgesetzt war. Er dachte an die Polizeistreife, die auf der anderen Straßenseite parkte, und ein Frösteln lief ihm über den Rücken.

»Ist dir kalt?«

»Nein, Sir.« Die Sonnenstrahlen brannten wunderbar auf der Haut. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, wie schrecklich es sein würde, in der Finsternis eingesperrt zu sein – wie ein wildes Tier.

Das Café war voll von Fernfahrern, die tüchtig aßen und schwatzten und ihre Erfahrungen von unterwegs austauschten.

Al führte Masao in den Waschraum. Masao schaute in den Spiegel und erkannte sich kaum wieder. Er war staubverschmiert, und sein Gesicht sah abgehärmt und gespenstisch aus. Nachdem Masao sich gewaschen hatte, führte ihn Al an einen Tisch im Restaurant. Der Essensduft machte ihn ganz schwindlig.

Sie setzten sich und bestellten, und Al und Pete schauten verwundert zu, wie Masao futterte. Zuerst eine große Schüssel Hühnersuppe, dann ein Hamburger-Sandwich und einen Teller Pommes frites, danach ein Cheeseburger-Sandwich und noch einen Teller Pommes frites. Er beendete seine Mahlzeit mit einer Apfelpastete mit Eiskrem und einer Kanne Kaffee.

»Mein Gott«, rief Al bewundernd aus. »Und ich dachte immer, Fernfahrer sind tüchtige Esser!«

»Ich hab Geld genug, um das viele Essen zu bezahlen«, sagte Masao.

Al grinste. »Vergiß es. Jemand, der so viel essen kann, hat sich eine freie Mahlzeit verdient.«

Der Fernfahrer zündete sich eine Zigarette an und musterte Masao aufmerksam. Der Junge fühlte seine innere Anspannung steigen. Er wußte, was jetzt kam.

Al sagte ruhig: »Wovor läufst du davon, Junge?«

Masao schaute sich im Restaurant um, all die harten, kräftigen Fernfahrer, die hier saßen, und einen Augenblick lang hatte er die wilde Phantasie, mit der Wahrheit herauszuplatzen und Al die ganze Geschichte von Teruo und seinen gemeinen Machenschaften zu erzählen. Dann würde Al aufstehen und den anderen Fernfahrern die Sache erklären, und sie alle würden Masao beistehen und ihm helfen, seinen Onkel zu besiegen …

Statt dessen sagte Masao: »Ich … ich bin aus der Schule abgehauen. Ich will einen Freund in Los Angeles besuchen.«

Die beiden Männer beobachteten ihn und überlegten, was sie mit ihm anfangen sollten. Masao hockte vor ihnen und wagte kaum zu atmen. Wenn sie beschlossen, ihn der Polizei auszuliefern, dann war er verloren. Er würde am Ende doch seinem Onkel in die Hände fallen.

Plötzlich lachte Al auf und sagte: »Ich kann dir keinen Vorwurf machen, Junge. Auch ich bin aus der Schule abgehauen, als ich so alt war wie du. Zum Teufel, als Fernfahrer verdiene ich mehr Geld als die meisten Doktoren

Masaos Herz machte einen Luftsprung. »Dann … dann wollen Sie mich nach Kalifornien mitnehmen?«

»Warum nicht?«

Es war, als ob eine gewaltige Last von Masaos Schultern genommen wäre. »Vielen, vielen Dank«, sagte er. »Wo sind wir jetzt?«

»In Hoosier Country. Indiana. In drei Tagen werden wir in Los Angeles sein. Komm. Die Landstraße ruft!«

Am gleichen Nachmittag saß Lieutenant Matt Brannigan an seinem Schreibtisch in Wellington und studierte die Akten eines Einbruchsfalles, als ein Detektiv in sein Büro kam und sagte: »Haste ’ne Minute Zeit, Matt?«

Brannigan stand auf und reckte sich. Er hatte seit acht Uhr morgens Dienst und war müde. Er wollte nach Hause.

»Hat es nicht Zeit bis morgen, Jerry? Cathy schlägt mich tot, wenn ich schon wieder zu spät zum Essen komme.«

Der Detektiv zögerte. »Sicher. Ich geb’ dir gleich morgen früh den Bericht.« Er wandte sich zum Gehen.

»Wart mal ’n Moment«, sagte Matt Brannigan. »Worum handelt es sich?«

»Erinnerst du dich an jenen Silver Arrow Jet, der vor zwei Wochen hier in der Gegend abstürzte?«

Lieutenant Brannigan erinnerte sich nur zu gut. Vier Menschen waren dabei ums Leben gekommen. Yoneo Matsumoto, seine Frau und die beiden Piloten. »Yeah. Was ist los damit?«

»Scheint so, als wäre es kein Unfall gewesen.«

Brannigan starrte ihn an. »Was redest du da?«

»Wir haben gerade einen vorläufigen Bericht von der Bundes-Luftfahrtbehörde bekommen. Die Treibstofftanks waren voll Wasser. Diese Menschen sind ermordet worden!«

Matt Brannigan spürte, wie ihn ein Frösteln überlief. »Ist das eindeutig erwiesen?«

»Kein Zweifel. Irgend jemand hat Sabotage verübt. Wären die Treibstofftanks nicht frisiert gewesen, dann hätte der Pilot das Gewitter überfliegen können.«

Jerry fuhr fort, die Details des Berichts zu erläutern, aber Lieutenant Brannigan hörte nicht mehr zu. Er erinnerte sich an den jungen Masao, hörte noch seine Stimme: Meine Eltern wurden bei einem Flugzeugunglück getötet. Ich erbte die Firma meines Vaters. Mein Onkel versucht, sie mir wegzunehmen. Und dazu muß er mich töten.

Damals war sich Brannigan sicher gewesen, daß das ein wildes Märchen war; ein ausgerissener Teenager, der womöglich Drogen schluckte und Familienprobleme hatte, so was gab’s ja häufig genug. Er hatte mit dem Onkel des Jungen telefoniert und gesehen, wie dieser Onkel und sein Chauffeur Masao abholten. Der Junge hatte Brannigan leid getan. Er war so ein netter, ordentlicher Kerl gewesen.

Er erinnerte sich auch an seine Überraschung, als Teruo ihn später anrief und sagte: Mein Neffe hat unseren Chauffeur ermordet. Die Polizei muß ihn finden, bevor der Junge noch einen Mord begeht. Irgend etwas hatte damals nicht gestimmt! Lieutenant Brannigan hielt sich viel darauf zugute, ein guter Menschenkenner zu sein. Wie hatte er sich so in dem Jungen täuschen können? Aber er hatte seine Untersuchung abgeschlossen und Teruo Satos Geschichte geglaubt.

Diese letzte Nachricht aber änderte alles. Wenn jemand das Flugzeugunglück geplant hatte, mußte er ein Motiv haben. Und es gab kein stärkeres Motiv als das Riesen-Unternehmen Matsumoto Industries. Wie, wenn Masao die Wahrheit gesagt hatte?

Dann hatte Brannigan den Jungen in Lebensgefahr gebracht!

Der Detektiv hockte an seinem Tisch. Er nahm in Gedanken die Bruchstücke der Geschichte auseinander und setzte sie wieder zusammen. Er benötigte eine Menge Antworten, und er benötigte sie schnell.

Er blickte zu Jerry auf. »Du mußt sofort Matsumoto Industries überprüfen. Ich will wissen, wer der Hauptaktionär der Firma war, als Yoneo Matsumoto noch lebte, und wer es jetzt ist. Setz dich mit dem Anwalt der Firma in Verbindung. Ich will die Antworten morgen auf meinem Schreibtisch haben.«

Es war Nacht. Ein gelber Vollmond hing am Himmel über dem grauen Band des Highways, der sich unter den Reifen des riesigen Trucks abspulte. Masao hockte zwischen Al und Pete in der Fahrerkabine und beobachtete die Lichter vereinzelter Farmhäuser in der Ferne.

»Sind wir noch immer in Indiana?« fragte Masao.

»In Illinois.« Pete zog eine abgewetzte Landkarte aus dem Handschuhfach. »Hier sind wir«, sagte Pete und bezeichnete einen Punkt auf der Karte. »Wir fahren durch Missouri und Oklahoma, kreuzen diese Ecke von Texas, fahren nach Neu-Mexiko und dann nach Arizona, Nevada und Kalifornien. Es sind noch etwa 2000 Meilen.«

Masao starrte ihn ungläubig an: »Und das alles schaffen wir in drei Tagen?«

»Vergiß nicht, daß wir diesen Pott Tag und Nacht am Rollen halten. Darum sind wir auch zu zweit. Wir wechseln uns am Steuer ab.«

Wieder ließ Masao seinen Blick über die Landschaft gleiten. »Es ist so ein riesiges Land«, sagte er. »Viel größer als meine Heimat.« Aber wie schön ist mein Heimatland, dachte Masao. Schneebedeckte Berggipfel und glitzernde Seen, Flüsse und Wasserfälle. Er vermißte die Kirschblüten und die Menschen, die unter den Bäumen saßen und es sich gutgehen ließen. Er sehnte sich danach, mit seinen Freunden an einem der schönen Strande von Okinawa herumzutoben. Er wollte nach Hause, nach Japan.