Masao stand nur da und sah ihn an. Er sagte nichts. Teruo ging zur Tür und riß sie auf. Er ließ Masao nicht aus den Augen. »Genug jetzt. Bringt ihn fort«, befahl er.
Lieutenant Brannigan trat ein und sagte: »Guten Morgen, Mr. Sato.«
Teruo fuhr überrascht herum. Statt seiner beiden Totschläger stand jetzt der Lieutenant vor ihm. Und die Überraschung wurde noch größer. Hinter ihm standen Kunio Hidaka und zwei Polizisten in Uniform.
»Was … was soll das alles heißen?« fragte Teruo aufgebracht. »Warum sind Sie noch da, Hidaka?«
Mr. Hidaka sagte: »Lieutenant Brannigan hat verlangt, daß ich bleibe.«
Teruo starrte den Polizist an. »Wie können Sie es wagen, sich in mein Geschäft einzumischen?« Empörung lag in seiner Stimme.
»Genau darüber wollte ich mich mit Ihnen unterhalten«, sagte Lieutenant Brannigan. »Es ist nämlich gar nicht Ihr Geschäft. Laut Testament, das ich einsehen durfte, gehört es Ihrem Neffen.«
Teruos Gedanken überschlugen sich. »Ich … na ja, natürlich. Aber der Junge hat einen Nervenzusammenbruch gehabt. Und Sie wissen ja, er hat einen Menschen ermordet.«
Ganz ruhig sagte Lieutenant Brannigan: »Nein. Davon weiß ich nichts. Nur Sie haben es mir erzählt.«
»Das sollte Ihnen genügen! Mein Neffe braucht dringend ärztliche Behandlung. Ich werde dafür sorgen, daß er sie bekommt. Und jetzt muß ich Sie alle bitten, mein Büro zu verlassen.«
Keiner rührte sich von der Stelle.
»Sie haben ausgespielt«, sagte Matt Brannigan.
»Ausgespielt? Wovon reden Sie eigentlich?«
»Ich habe hier einen Haftbefehl für Sie.«
Teruo starrte ihn ungläubig an. »Einen Haftbefehl? Für mich? Sind Sie wahnsinnig geworden? Wie lautet überhaupt die Anklage?«
»Auf vierfachen Mord. Und einen Mordversuch.«
»Das ist ja lächerlich!« Sein Hirn arbeitete fieberhaft. Er versuchte herauszufinden, was hier los war. »Sie machen da einen furchtbaren Fehler.«
»Nein«, korrigierte ihn der Detektiv. »Sie haben einen Fehler gemacht. Ich habe mit Todao Watanabe gesprochen. Er sagte mir, daß Sie das Testament, das er aufsetzte, von Anfang an gekannt haben. Sie hatten erwartet, Mr. Matsumoto würde Ihnen die Hälfte der Firma hinterlassen. Als Sie merkten, daß er nicht diese Absicht hatte, beschlossen Sie, die Firma ganz zu besitzen. Darum planten Sie das Flugzeugunglück. Und dann versuchten Sie, das letzte Hindernis aus dem Weg zu räumen – Masao.«
»Sie … Sie sind verrückt!«
»Heute morgen hat Mr. Hidaka mir von Ihrem Plan berichtet, Ihren Neffen zu einer Begegnung mit ihm herzulocken, die niemals stattfinden sollte. Ich wartete draußen vor der Fabrik, bis Masao kam, und dann hatten Masao und ich ein langes Gespräch miteinander.«
Teruo Sato gewann sein Selbstvertrauen wieder. Es war ganz egal, wessen man ihn verdächtigte. Diese Idioten hatten gar keine Beweise. Er war einfach zu schlau für sie. »Sie glauben doch nicht einem Jungen, der geistig gestört ist. Sie haben doch nicht die Spur eines Beweises.«
»Du irrst dich.« Es war Masao, der sprach. Er griff in die Tasche und holte einen kleinen Kassettenrekorder hervor. Er drückte auf einen Knopf, und Teruos Stimme schallte durchs Schweigen des Zimmers. »… Die Firma gehört mir. Gehörte immer schon mir. Man kann nicht etwas stehlen, was einem selbst gehört …«
Teruo Sato erbleichte.
»Was wirst du mit mir machen?«
»Dasselbe, was ich mit deinem Vater gemacht habe. Er war der Dieb …«
Alle standen da und lauschten, wie Teruo Sato sich selbst sein Urteil sprach.
»… Du mußt verschwinden. Wenn du dich ordentlich benimmst, werde ich dafür sorgen, daß du einen schmerzlosen Tod hast – ein rascher Unfall …«
Masao stellte den Rekorder ab. Es herrschte ein tödliches Schweigen im Raum.
Alle blickten Teruo Sato an.
Er versuchte zu sprechen. »Ich … Ich …« Aber es gab nichts mehr zu sagen. Der Kassettenrekorder hatte schon alles gesagt.
Lieutenant Brannigan wandte sich an die beiden Polizisten: »Ich werde ihn nach New York bringen lassen.«
Schweigend sahen sie zu, wie Teruo aus dem Raum geführt wurde.
»Was passiert jetzt mit ihm?« fragte Masao.
»Er wird vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Seine eigene Stimme wird ihn überführen. Sie war glockenklar zu verstehen.«
»Kein Wunder«, sagte Masao mit leisem Stolz. »Der Kassettenrekorder ist ein Produkt von Matsumoto Industries.«
Kurz darauf tranken die drei Männer Tee in Kunio Hidakas privatem Speisezimmer.
Masao schaute Lieutenant Brannigan an: »Ich weiß nicht, wie ich es jemals wieder gutmachen kann, was Sie für mich getan haben. Vielleicht werden Sie eines Tages mit Ihrer Frau nach Japan kommen und meine Gäste sein?«
Lieutenant Brannigan lächelte. »Das würde ich sehr gern tun.«
Er mußte daran denken, wie nah er dran gewesen war, diesen Jungen in den Tod zu schicken, und bedächtig sagte er noch einmaclass="underline" »Ja, das würde ich sehr gern tun.«
Hidaka fragte: »Was sind deine nächsten Pläne, Masao-kun?«
»Ich möchte die Asche meiner Eltern nach Hause bringen und ihnen ein angemessenes Begräbnis verschaffen.«
Kunio Hidaka nickte. »Ich werde sofort alle Vorbereitungen treffen, damit sie von New York hierher gebracht werden. Gibt es sonst noch etwas, was ich für dich tun kann?«
Masao überlegte einen Moment. »Ja. Da gibt es ein Mädchen, sie heißt Sanae Doi, die in der New Yorker Fabrik arbeitet. Ich möchte, daß sie ein Stipendium bekommt und zur Hochschule gehen kann.«
Kunio Hidaka machte sich eine Notiz. »Es wird erledigt.«
»Und es gibt dort einen Vorarbeiter, er heißt Oscar Heller. Ich möchte, daß er entlassen wird.«
Kunio Hidaka nickte und machte sich noch eine Notiz. »Sonst noch etwas?«
»Ja.« Masao zog einen Pfandschein aus der Tasche und reichte ihn Kunio Hidaka. »Ich möchte die Uhr meines Vaters wiederhaben.«
Masao schaute aus dem Fenster des Silver Arrow Jets, der sich majestätisch in die Luft erhob und eine Schleife über Los Angeles drehte. Das Flugzeug flog eine letzte Kurve und nahm Kurs nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen. Masao und seine Eltern waren endlich auf dem Weg nach Hause.
Er dachte an alles, was ihm in diesem Land widerfahren war.
Er dachte an Higashi und an seinen ersten Kampf auf Leben und Tod.
Er erinnerte sich an den Marathonlauf und an Jim Dale.
Und an Pete und Al.
Und an Disneyland und an die Universal-Studios.
Und an Lieutenant Brannigan.
Er dachte an Sanae und Masao, und er wußte, daß er eines Tages, bald, wiederkommen würde.