„Immer im Haus", wehklagte ich. „Nie im Garten. Da hilft kein Bitten und kein Schimpfen. "
„Hund immer hinmacht, wo hat erstemal hingemacht", erklärte der staatliche Trainer. „Wie oft hat bis jetzt hingemacht im Haus?" Ich versuchte, es schnell im Kopf auszurechnen: „Ungefähr fünfhundert Mal. "
„Mati moje! Sie müssen Hund verkaufen!" Und Dragomir machte mich mit der erschütternden Tatsache vertraut, daß Franzi sich mittlerweile daran gewöhnt hätte, den Garten als ihre Wohnung anzusehen und das Haus als Toilette.
„Aber dagegen muß sich doch etwas machen lassen, Meister!" flehte ich. „Wir zahlen Ihnen jeden Betrag!" Der staatliche Trainer überlegte.
„Gut", entschied er dann. „Erstes von allem: Sie müssen anbinden Hund. Ich bringe Kette. "
Am nächsten Morgen erschien Dragomir mit einer Ankerkette, befestigte das eine Ende an einem Besenstiel, den er im hintersten
Winkel des Gartens in die Erde rammte, und band Franzi am anderen Ende der Kette fest.
„So. Hier bleibt Hund ganze Zeit. Einmal täglich man bringt ihm etwas Futter. Sonst niemand darf in seine Nähe kommen. " „Aber wie soll die arme Franzi das aushalten" protestierte ich, lautstark unterstützt von Frau und Kindern. „Franzi braucht Gesellschaft... Franzi braucht Liebe... sie wird weinen... " „Soll weinen", beharrte Dragomir erbarmungslos. „Ich sage, was Sie tun, Sie tun, was ich sage. Sonst alles hat keinen Sinn. Sonst besser Sie verkaufen Hund sofort. "
„Alles, nur das nicht!" stöhnte ich im Namen meiner Familie. „Wir werden alle Ihre Anordnungen befolgen. Was bekommen Sie für den Kurs?"
„Einhundertfünfzig ohne Empfangsbestätigung", antwortete Dragomir in erstaunlich gutem Hebräisch. Franzi begann zu winseln. Schon am Nachmittag weinten alle im Haus. Die Kinder schauten mit traurigen Blicken nach Franzi, nach der einsamen, hungrigen, angebundenen Franzi. Renana hielt es nicht länger aus und legte sich schluchzend neben sie. Amir bat mich mit flehend aufgehobenen Händen, das arme Tier loszubinden. Auch meine Frau beschwor mich: „Wenigstens für eine Viertelstunde. Für zehn Minuten. Für fünf Minuten... " „Also schön. Fünf Minuten... " Laut bellend sauste Franzi ins Haus, sprang an uns hoch und bedachte uns mit Liebesbezeugungen. Die Nacht verbrachte sie im Kinderzimmer. Dort schlief sie, nachdem sie Schokolade, Kuchen und ein Paar Hausschuhe gefressen hatte, friedlich in Amirs Bettchen ein.
Am nächsten Morgen läutete das Telefon. Es war Dragomir. „Wie hat Hund genachtet?" „Alles in bester Ordnung", antwortete ich. „Viel gebellt?" „Ja, aber damit muß man sich abfinden. " Wahrend ich dies sagte, versuchte ich, Franzi daran zu hindern, mein Brillengestell anzuknabbern.
Dragomir schärfte mir ein, seine Vorschriften unbedingt einzuhalten. Gerade jetzt, am Anfang der Dressur, sei Härte notwendig. Da bin ich ganz Ihrer Meinung", bestätigte ich. „Sie können sich W auf mich verlassen. Wenn ich schon so viel Geld ausgebe, dann will ich auch einen Erfolg sehen. Ich bin ja nicht verrückt. " Nach diesen Worten legte ich den Hörer auf und entfernte vorsichtig das Telefonkabel aus Franzis Schnauze. Mittags stürzte Amir schreckensbleich ins Wohnzimmer. „Dragomir kommt", rief er, „schnell!"
Wir wickelten Franzi aus der Klavierdecke, rannten mit ihr in den Garten und banden sie an der Kette fest. Als Dragomir hereinkam, saßen wir alle beim Mittagessen. „Wo ist Hund?" fragte der Trainer barsch. „Wo wird er schon sein? Natürlich dort, wo er hingehört. Im Garten. An der Kette. "
„Richtig und gut. " Dragomir nickte anerkennend. „Nicht loslassen. " Tatsächlich blieb Franzi bis gegen Ende des Essens im Garten. Erst zum Nachtisch holte Amir sie herein und fütterte sie mit Kuchen und Obst. Franzi war glücklich, schien aber ein wenig verwirrt. Auch in den kommenden Wochen konnte sie nicht begreifen, warum sie immer angebunden wurde, wenn der fremde Mann auftauchte. Nach seinem Verschwinden brachten wir sie immer gleich wieder ins Haus zurück.
Von Zeit zu Zeit erstatteten wir Dragomir genauen Bericht über Franzis Fortschritte. Wir baten ihn um Ratschläge, und an den Dienstag, als Franzi unser schönstes Tischtuch zerrissen hatte gaben wir ihm freiwillig eine Honorarzulage von fünfzig Mark Eine Woche später beging Dragomir einen schweren Fehler: Er erschien unangemeldet in unserem Haus. Dies passierte folgendermaßen: Zulu, der Schäferhund, hatte der Postboten ins Bein gebissen. Sein Besitzer rief Dragomir an, ei sollte Zulu bestrafen. Und da Dragomir in der Nähe war, kam er gleich auch bei uns vorbei. Ohne zu läuten betrat er das Haus und ging ins Kinderzimmer. Dort fand er Amir und Franzi eng um-schlungen vor dem Fernsehapparat. Beide verspeisten gerade gemeinsam eine große Tüte Popcorn. „Das ist Garten?" brüllte Dragomir. „Das ist Hund angebunden?" „Nicht böse sein, Onkel", entschuldigte sich Amir. „Wir haben nicht gewußt, daß du kommst. "
Renana begann zu heulen, Franzi begann zu bellen, Dragomir brüllte weiter. Ich stürzte herbei und schrie ebenfalls. Meine Frau stand daneben und wartete, bis wieder Ruhe war. „Was wünschen Sie?" fragte sie dann und tat so, als sähe sie Drago-mir zum ersten Mal. „Ich wünschen ? Sie wünschen! Sie wollen haben Hund stubenrein So nicht. So wird immer in Haus überall hinmachen!" „Na, wenn schon. Dann wische ich es eben auf. Ich, nicht Sie. " „Aber -", sagte Dragomir. „Hinaus!" sagte die beste Ehefrau von allen. Seitdem herrscht Ruhe in unserem Haus. Franzi frißt Pantoffeln und Teppiche, wird immer dicker und pinkelt, wohin sie will. Meine Frau läuft mit einem Aufwischtuch hinter ihr her, die Kinder klatschen vor Vergnügen in die Hände, und wir sind uns alle darüber einig, daß nichts über einen gut erzogenen Rassehund geht, der eigens aus Europa eingeführt wurde.
Wettervorhersage: Neigung zu Regenschirmverlusten
Heuer haben wir wirklich ein unmögliches Aprilwetter. Manchmal ballen sich dunkle Wolken am Himmel zusammen, und ein kalter Wind heult durch die Gegend. Zehn Minuten später scheint die Sonne, als wäre nichts geschehen, und nach weiteren fünf Minuten regnet es, oder es kommt sogar ein Gewitter. In solchen Zeiten ist es besser, nicht ohne Regenschirm aus dem Haus zu gehen. Zumindest meinte das meine Frau, als ich mich auf den Weg machte, unser Auto aus der Reparaturwerkstätte abzuholen.
„Nimm meinen Regenschirm, Liebling", sagte sie. „Aber bitte, verlier ihn nicht!"
Jedesmal, wenn ich mit einem Regenschirm das Haus verlasse, wiederholt sie diese völlig überflüssige Mahnung. „Teuerste", antwortete ich daher, „wann habe ich jemals einen Regenschirm verloren?"
„Vorgestern", meinte sie prompt darauf. „Eben deshalb möchte ich nicht, daß du jetzt auch noch meinen verlierst. " Mit welchem Triumph in der Stimme sie mir unter die Nase reibt, daß ich meinen Regenschirm irgendwo stehenließ und jetzt ihren nehmen muß: dieses lächerlich kleine, blaßblaue Ding, das anstelle eines anständigen Griffs einen Hundekopf aus Elfenbein oder Plastik hat. Angewidert nahm ich ihn und ging hinaus in den strömenden Regen. Als ich aus dem Autobus stieg, hatte sich das Wetter gebessert. Der Himmel war klar, die Bäume blühten, die Vögel zwitscherten, die Sonne schien, und ich ging, mit einem Damenregenschirm am Arm, durch die Straßen.
Der Wagen war noch nicht fertig, ich sollte später noch einmal wiederkommen.
Auf dem Heimweg kam ich an der Bank vorbei. Dort hob ich etwas Geld ab. Anschließend setzte ich mich kurz ins Cafe California, plauderte mit Freunden und kam pünktlich um ein Uhr zum Essen nach Hause.
Die Frage, mit der mich meine Frau empfing, lautete: „Wo ist der Regenschirm?"
Tatsächlich, wo war er? Ich hatte ihn vollständig vergessen. Aber wo? Und schon kam mir die Erleuchtung: „Er ist im, California'! Ich erinnere mich genau, daß ich ihn zwischen den Knien versteckt hielt, damit ihn niemand sieht. Natürlich. Ich hole ihn sofort, Liebling. In ein paar Minuten bin ich zurück. "