Inzwischen hatte es wieder angefangen zu regnen. Ich sauste zum Bus. Dort setzte ich mich auf einen freien Platz und dachte über Regenschirme nach. Erst im letzten Augenblick merkte ich, daß ich an der richtigen Haltestelle angekommen war. Ich sprang auf, griff nach dem Regenschirm und drängte zum Ausgang. He' Das ist mein Schirm!"
„He! Das ist mein Schirm!".
Dieser Ausruf kam von einer sehr dicken Dame, die die ganze Zeit neben mir gesessen war. In meiner Zerstreutheit hatte ich ihren Regenschirm genommen. Na und? So etwas kann vorkommen. Aber die sehr dicke Dame machte einen fürchterlichen Wirbel, bezeichnete mich als Dieb und drohte sogar mit der Polizei. Vergeblich versuchte ich ihr zu erklären, daß ich auf ihren schäbigen Schirm nicht angewiesen sei und mehrere eigene besäße. Die sehr dicke Dame schimpfte ungerührt weiter, bis ich mich ihren Angriffen durch Flucht entzog. Im „California" fand ich sofort den Schirm meiner Frau, oder genauer, das, was von ihm übrig geglieben war. Man hatte ihn achtlos in eine Ecke geworfen und war barbarisch über ihn hinweggetrampelt, so daß er vor lauter Schmutz nicht mehr wiederzuerkennen war. Was würde meine Frau sagen?
„Siehst du", rief ich mit gespielter Fröhlichkeit, als ich ihr gegenüberstand. „Ich habe ihn gefunden. " „Was hast du gefunden?" „Deinen Regenschirm!" „Das soll mein Regenschirm sein?" Wie sich herausstellte, war ihr Regenschirm inzwischen von der Bank zurückgeschickt worden. Jetzt fiel mir auch ein, daß ich ihn dort vergessen hatte. Aber wem gehörte dann dieses schwarze, schmierige Ding? Das Telefon läutete.
„Hier ist der Oberkellner vom, California'. Sie haben meinen Regenschirm mitgenommen. Das ist nicht schön von Ihnen. Ich mache um drei Uhr Schluß, und draußen regnet es. " „Entschuldigen Sie bitte. Ich bringe ihn sofort zurück. " Die beste Ehefrau von allen wurde etwas nervös. „Nimm meinen Regenschirm", sagte sie. „Aber bitte, verlier ihn nicht wieder. "
„Wozu brauche ich deinen Regenschirm? Ich habe ja den vom Kellner!"
„Und für den Rückweg, du Dummkopf?" Auf dem Weg zur Bushaltestelle hörte der Regen auf, und die Sonne schien wieder.
Nun trug ich zwei Regenschirme am Arm, von denen der eine aussah wie ein schadhafter schwarzer Fallschirm, der andere hatte einen großen Plastikhundekopfgriff. Die Leute, die mit mir auf den Bus warteten, starrten mich an. Mir war die Sache so peinlich, daß ich einen Schwindelanfall bekam. Ich ging in die nächste Apotheke, nahm dort zwei Aspirin und beschloß zu warten, bis es wieder zu regnen begänne. Plötzlich bekam ich Hunger. Ich ging zum Kiosk an der Ecke und kaufte mir zwei Wurstbrötchen, die ich im Bus verschlang. Vor dem Cafe California wartete der Kellner und schaute mich fragend an: „Wo ist mein Regenschirm?" Tatsächlich. Er fragte mich, wo sein Regenschirm ist. Woher sollte ich das wissen? Was kümmerte mich sein Regenschirm? Ich wollte lieber wissen, wo der Regenschirm meiner Frau war. Langsam glaubte ich, alle Regenschirme der Welt hätten sich gegen mich verschworen.
„Nur ein wenig Geduld", beruhigte ich den Kellner. „Sie werden Ihren Regenschirm sofort haben. "
Ungeachtet des Wolkenbruchs rannte ich zur Haltestelle zurück. Atemlos riß ich die Türe zur Apotheke auf: „Ich... hier... vor ein paar Minuten... " „Ich weiß schon", unterbrach mich der Apotheker. „Ist er das?" Ich nahm den Schirm an mich und rannte weiter. Natürlich hätte ich nicht schwören können, daß es der Schirm meiner Frau war. Sicher, er sah ihm etwas ähnlich, aber er war grün und hatte als Griff keinen Elfenbeinmops, sondern einen flachen Schnabel mit den eingravierten Worten: „Meiner Schwester Dr. Lea Pickler. " Es schien wirklich nicht ganz der Schirm meiner Frau zu sein. Aber irgend etwas mußte ich dem Kellner schließlich zurückbringen. „Hallo, Sie!" Der Kioskinhaber winkte mir zu. Und hier, in eine Ecke gelehnt, wie Bruder und Schwester, standen die beiden streunenden Schirme, der des Obers und der meiner Frau. Den Blick fest zu Boden gerichtet, reihte ich mich an der Bushaltestelle in die Schlange der Wartenden ein. An meinem Arm baumelten drei Regenschirme, ein schwarzer, ein blauer und ein grüner. Wenn es wenigstens geregnet hätte. Aber leider war strahlender Sonnenschein. Ich rollte die drei Schirme zu einem Bündel zusammen, als wäre ich ein Schirmvertreter, der mit seinen neuesten Mustern unterwegs ist. Aber auch dadurch konnte ich nicht verhindern, daß mich von allen Seiten mißtrauische Blicke trafen. Im Bus setzte ich mich ganz nach hinten, in der Hoffnung, daß man von meinen drei Schirmen keine Notiz nehmen würde. Die Umsitzenden enthielten sich auch wirklich aller Kommentare. Offenbar hatten sie sich bereits an mich gewöhnt. Nach einigen Stationen wagte ich aufzuschauen. Und da - da - mir gegenüber - direkt mir gegenüber... um Himmels willen! Die sehr dicke Dame. Dieselbe dicke Dame, die ich schon einmal getroffen hatte. Sie fixierte mich. Sie fixierte meine drei Regenschirme. Und sie sagte:
„Einen erfolgreichen Tag gehabt heute, was?" Dann wandte sie sich an die Umsitzenden und erklärte ihnen folgendes: „Der Kerl klaut Regenschirme, wo er sie sieht, und macht sich aus dem Staub. Ein gesunder junger Mann, gut gekleidet, und stiehlt Regenschirme, anstatt einem anständigen Beruf nachzugehen. Eine Schande. Vor zwanzig Jahren hat es in unserem Land keine solchen Leute gegeben. " Alle stimmten ihr zu.
„Polizei", rief jemand, „man muß ihn der Polizei übergeben. " Die Haltung der Menge wurde immer drohender. Mir blieb keine andere Rettung, als zum Ausgang zu flüchten und so schnell wie möglich den Bus zu verlassen.
Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung kämpfte ich mir den Weg frei und sprang hinaus in den Regen. Schützend hob ich die Hände über meinen Kopf... Die Hände? Beide Hände?
Seither sind in einem Wagen der Autobuslinie 5 drei Regenschirme auf dem Weg in die Ewigkeit.
Ich stand mit geschlossenen Augen im Regen und rührte mich nicht. Das Wasser lief mir in den Kragen, durch meine Unterwäsche, in meine Schuhe. Ich blieb stehen und wartete, bis die Sintflut kommen würde oder besseres Wetter.
Auf Mäusesuche
In einer windigen Nacht wurde ich durch ein gedämpftes Raschelgeräusch in unserem Wäscheschrank geweckt. Auch meine Frau fuhr aus dem Schlaf auf und lauschte mit angehaltenem Atem. „Eine Maus", flüsterte sie. „Wahrscheinlich ist sie aus dem Garten hereingekommen. Was sollen wir jetzt nur machen? Ich fürchte mich so. "
„Vorläufig nichts", antwortete ich, „vielleicht verschwindet sie wieder von selbst. "
Sie verschwand aber nicht. Im Gegenteil. Am Morgen entdeckte ich die Spuren ihrer nächtlichen Wühl- und Nagetätigkeit: zwei kaputte Tischtücher.
„Dieses Biest", rief meine Frau zornig, „man muß es vernichten. " In der folgenden Nacht machten wir uns an die Arbeit. Kaum hörten wir die Maus an der Holzwand des Schrankes nagen, drehten wir das Licht an. Ich griff nach einem Besen und riß die Schranktür auf. Im zweiten Fach rechts unten, hinter den Bettdecken, saß zitternd das kleine graue Tierchen. Es zitterte so sehr, daß auch die langen Barthaare mitzitterten. Nur die stecknadelgroßen, pechschwarzen Augen waren starr vor Angst. „Ist es nicht süß", seufzte die beste Ehefrau von allen und versteckte sich ängstlich hinter meinem Rücken. „Schau doch, wie das arme Ding sich fürchtet. Daß du dich unterstehst, es umzubringen. Schaffes in den Garten zurück. " Also streckte ich die Hand aus, um das Mäuschen am Schwanz zu packen. Es verschwand zwischen den Bettdecken. Und während ich die Bettdecken entfernte, verschwand das Mäuschen zwischen den Tischtüchern und dann zwischen den Handtüchern und dann zwischen den Servietten.