„Du haßt mich" rief der aufgeregte Mann, „ich weiß, daß du mich haßt. "
Krkrkrk. Ich schaltete für etwa zwei Minuten meinen Rasierapparat ein.
„Was haben wir dir getan?" erklang Frau Seligs flehende Stimme. „Haben wir dich schlecht behandelt?"
Jetzt war es soweit. Unser Plan konnte beginnen. Meine Frau ging hinüber zu den Seligs.
Schmunzelnd hörte ich mit an, wie die Seligs meiner Frau erzählten, daß ihr Radio übernatürliche Kräfte hätte. Nach einigem Nachdenken rückte meine Frau mit dem Vorschlag heraus, das Radio zu beschwören.
Geht das denn?" riefen die zwei Seligs. „Können Sie das? Dann tun Sie es bitte!" Das Radio wurde wieder angedreht. Der große Augenblick war da.
Geist im Radio", rief die beste Ehefrau von allen. „Wenn du mich hörst, gib uns ein Zeichen!" Rasierapparat einstellen. - Krkrkrk. „Ich danke dir. " Rasierapparat abstellen.
„Geist", rief meine Frau, „gib uns ein Zeichen, ob dieses Radio in Betrieb bleiben soll?" Rasierapparat bleibt abgestellt. „Willst du vielleicht, daß es lauter spielen soll?" Rasierapparat bleibt abgestellt. „Dann willst du vielleicht, daß die Seligs ihr Radio überhaupt nicht mehr benützen sollen?" Rasierapparat einschalten. Rasierapparat einschalten! Einschalten!!! Um Himmels willen, warum hört man nichts... kein Knacksen, kein Krkrkrk, nichts... Der Rasierapparat streikte. Die Batterie war ausgebrannt, oder sonstwas. Jahrelang war er tadellos gegangen, und gerade jetzt... „Geist, hörst du mich?" Meine Frau hob die Stimme. „Ich frage:
Willst du, daß die Seligs aufhören, diesen entsetzlichen Kasten zu verwenden? Gib uns ein Zeichen! Antworte!!" Verzweifelt stieß ich den Stecker in den Kontakt, wieder und wieder - es half nichts. Nicht das leiseste Krkrkrk erklang. „Warum knackst du nicht?" rief meine Frau, nun schon ein wenig schrill. „Gib uns ein Zeichen, du Idiot! Sag den Seligs, daß sie nie wieder ihr Radio spielen sollen! Ephraim!!"
Jetzt war sie etwas zu weit gegangen. Ich glaubte zu sehen, wie die Seligs sich mit einem vielsagenden Blick zu ihr umwandten... Am nächsten Tag ließ ich den Rasierapparat reparieren. „Die Batterie war ausgebrannt", sagte mir der Elektriker. „Ich habe eine neue hineingetan. Jetzt wird es auch in Ihrem Radio keine Störungen mehr geben. "
Und seither dröhnt das Radio unserer Nachbarn ungestört in jedem Winkel unserer Wohnung.
So kleben wir alle Tage
Vor einigen Monaten hatte irgend jemand die tolle Idee, daß Bilderbücher für Kinder viel interessanter wären, wenn die Kinder die Bilder selbst einkleben und mit dem übrigbleibenden Klebstoff Möbel und Teppiche bekleckern können. Das Ergebnis dieser Idee ist ein Album „Die Wunder der Welt". Es hat insgesamt sechsundvierzig Seiten, auf jeder ist Platz für neun einzuklebende Bilder, welche in der Spielwarenhandlung Selma Blum angekauft werden müssen. Die Bilder sind besonders lehrreich, weil sie den Kindern auf lustige, leichtverständliche und vielfach farbige Art über den Werdegang unserer Erde belehren, angefangen von den Ungeheuern aus der Steinzeit über die Pyramiden bis zu den modernen Druckerpressen, die in der kürzesten Zeit 100 000 Bilder herstellen, damit sie das Kind in etwas längerer Zeit einkleben kann. Die Druckmaschinen arbeiten vierund-zwanzig Stunden am Tag. Sie arbeiten für meinen Sohn Amir. Der Trick dieser neumodischen Sache besteht darin, daß Frau Blum die Bilder in geschlossenen Umschlägen verkauft und daß die Kinder immer eine Unzahl doppelte erwerben, bevor sie ein neues Bild finden. Dadurch verbrauchen sie zwar einerseits ihr ganzes Taschengeld, lernen jedoch durch das notwendige Tauschen, wie sie Geschäfte machen müssen. Mein Sohn Amir zeigt auf diesem Gebiet ein sehr beachtliches Talent Man kann ruhig sagen, daß er den Markt beherrscht. Seit Monaten gibt er sein ganzes Taschengeld für Bilder aus. Sein Zimmer quillt über von den Wundern der Welt. Wenn man eine Lade öffnet, taumelt ein Dutzend Brontosaurier hervor. „Sohn", frage ich ihn eines Tages, „dein Album kann längst keine Wunder mehr fassen. Warum kaufst du doch noch immer welche?" „Für alle Falle", antwortete Amir.
Zu seiner Ehre muß gesagt sein, daß er keine Ahnung hat, was er da überhaupt einklebt. Er liest die dazugehörigen Texte nicht Über die Zentrifugalkraft weiß er zum Beispiel nichts anderes, als daß er von seinem Freund Gilli dafür zwei Schwertfische und eine Messerschmitt-Maschine Nr. 109 bekommen hat. Außerdem stiehlt er. Ich entdeckte das während eines meiner seltenen Nachmittagsschläfchen, als ich zufällig die Augen öffnete und meinen rothaarigen Sohn dabei ertappte, wie er in meinen
Hosentaschen etwas suchte. „Was tust du da?" fragte ich. „Ich suche Geld. Gilli braucht einen Seeigel. "
„Da soll doch der liebe Gilli von seinem Papi das Geld stehlen. " „Kann er nicht Sein Papi ist nervös. "
Ich beriet mich mit der Mutter des Täters. Wir beschlossen, mit Amirs Lehrerin zu sprechen, die auch noch einige andere Lehrer hinzuzog. Es wurde eine massenhaft besuchte Elternversammlung. Nach Meinung des Lehrers beläuft sich die Anzahl der im Besitz der Schüler befindlichen Bilder auf drei bis vier Millionen in jeder Klasse.
„Vielleicht", meinte einer der Lehrer, „sollte man den Kindern kein Taschengeld mehr geben, dann können sie auch keine Bilder mehr kaufen. "
Da erzählte ich sorgenvoll, daß Amir auch so bereits zu stehlen begänne. Allgemeines Gelächter antwortete mir. „Mein Sohn", berichtete eine gebeugte Mutter, „hat unlängst einen bewaffneten Raubüberfall unternommen. Er drang mit einem Messer auf seinen Großvater ein, der sich geweigert hatte, ihm Geld für den Ankauf von Bildern zu geben. " Mehrere Väter schlugen vor, für längere Zeit kein Papier mehr zu kaufen, um die Papierhersteller für die Bildchen zu strafen. Andere wollten für mindestens ein halbes Jahr den Kauf von Klebstoff verbieten lassen. Ein Gegenvorschlag, vorgebracht von einem gewissen Herrn Blum, empfahclass="underline" Man sollte den Kindern so viele Bilder kaufen, bis sie endgültig genug davon hätten. Dieser Vorschlag wurde angenommen. Am nächsten Tag brachte ich einen ganzen Korb voll mit neuen Bildern nach Hause, darunter die „Kultur der Azteken" und „Leonardos erstes Flugzeug". Amir nahm mein Geschenk ohne sonderliche Aufregung entgegen. Er verwendete die Bilder zu Tauschzwecken und stopfte sie in alle noch aufnahmefähigen Schubladen und Kasten. Die übrigen stapelte er im Hur. Seither muß ich mir jeden Morgen mit einer Schaufel den Weg zur Haustür freilegen. Das Badezimmer ist von Dinosauriern blockiert. Und das Album, mit dem der ganze Ärger angefangen hat, ist längst unter den „Gesteinsbildungen der Tertiärzeit" begraben. Gestern gelang es mir, mein Arbeitszimmer so weit zu säubern, daß ich mich in den freigewordenen Schaukelstuhl setzen konnte, um ein wenig zu lesen.
Plötzlich stand mein Sohn vor mir, in der Hand etwa fünfzig identische Fotos des bekannten Fußballstars Giora Spiegel. „Ich habe auch schon zweiundzwanzig Pele und ein Dutzend Beckenbauer" informierte er mich nicht ohne Stolz. Die „"Welt des Sports" war auf der Bildfläche erschienen und machte den „Wundern def\\felt erbarmungslose Konkurrenz. Ich verabschiede mich von Euch. Es war schön, jahrelang für Euch zu schreiben. Solltet Ihr längere Zeit nichts von mir hören, dann sucht nach mir am besten in der linken Ecke des Wohnzimmers unter dem Haufen schußkräftiger südamerikanischer Rügelstürmer und europäischer Tormänner.
Ein schönes Spielchen