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Wie man viele Geschenke bekommt

Der fröhlichste jüdische Feiertag heißt Purim und gilt der Erinnerung an den Sieg der Königin Esther über den bösen Haman. Dieses Ereignis wird von unseren Kindern durch ungeheuren Lärm gefeiert, der sich direkt gegen die Ohren der Eltern richtet. Überhaupt können die Kinder zu Purim machen, was sie wollen. Sie verkleiden sich als Erwachsene, benehmen sich auch so, und manchmal gibt es dadurch Ärger. Ich erinnere mich nur zu gut an eines dieser Kinderfaschingsfeste, das alle Straßen überflutete. Ich freute mich sehr über die lustige, fröhliche Schar. Von Zeit zu Zeit blieb ich stehen, streichelte einem kleinen Sheriff das Haar, plauderte mit einem winzigen König oder salutierte vor einem Piloten im Däumlingsformat Ganz besonders gefiel mir ein kleiner Polizist, der in seiner blauen, ganz genau nachgemachten Uniform an einer Kreuzung seinen erwachsenen Kollegen bei der Verkehrsregelung half. Minutenlang stand ich da und betrachtete ihn begeistert. Endlich wandte er sich an mich:

„Gehen Sie weiter, Herr, gehen Sie weiter", sagte er mit todernstem Gesicht.

„Warum denn? Mir gefällt's hier sehr gut!" Ich zwinkerte ihm lächelnd zu.

„Widersprechen Sie mir nicht!"

„Jetzt machst du mir aber wirklich Angst Willst mich wohl einsperren, was?"

Der kleine Polizist errötete vor Ärger bis über die Ohren: „Ihre Ausweiskarte, Ihre Ausweiskarte!" piepste er. „Da hast du, Liebling. Bedien dich!" Damit reichte ich ihm zwei Kinokarten, die ich in meiner lasche gefunden hatte. „Was soll ich damit, zum Teufel?" brüllte er mich an. Jetzt konnte ich nicht länger an mich halten, nahm ihn auf meine Arme und fragte ihn, wo seine Eltern wohnten, damit ich ihn am Abend nach Hause bringen könnte. Aber mein kleiner Freund war beleidigt Nicht einmal der Kaugummi, den ich ihm schnell kaufte, versöhnte ihn. Und als ich ihn gar noch in die rosigen Backen kniff, zog er eine Trillerpfeife heraus und setzte sie schrill in Betrieb.

Bald daraufkam mit heulenden Sirenen das Überfallkommando angesaust. Ich wurde verhaftet und auf die nächste Polizeistation gebracht, wo man mich wegen ungehörigen Benehmens gegen ein diensttuendes Amtsorgan ins Gefängnis sperrte. Der Kleine war ein echter Polizist. An dem Purimtag, von dem ich jetzt erzählen will, war ich vor- sichtiger. Ich hängte eine Tafel mit der Aufschrift „Achtung, bissiger Hund!" vor meine Türe, zog mich zurück und schlief. Gegen drei Uhr nachmittags träumte ich von einem Expreßzug, der unter fürchterlichem Getöse über eine Eisenbrücke fuhr. Allmählich merkte ich, daß es sich hier gar nicht um einen Traum handelte: von draußen wurde krachend gegen meine Türe ange-tobt. Ich reagierte nicht, in der Hoffnung, daß die Zeit für mich arbeiten würde. Aber sie stand auf Seiten des Angreifers. Nach einer Viertelstunde gab ich es auf, erhob mich und öffnete. Ein spindelbeiniger mexikanischer Posträuber von etwa neunzig Zentimetern Höhe empfing mich mit gezücktem Revolver. „Chaxameach!" sagte der Mexikaner. „Schlachmones!" Das sollte wohl heißen: Fröhliches Purimfest und Geschenke her. Er sprach noch weiter, aber ich verstand ihn nicht mehr, weil er gleichzeitig aus seinem Revolver zu feuern begann und damit mein Hörvermögen für geraume Zeit außer Kraft setzte. Als ich ihn seine

Schußwaffe von neuem laden sah, ergriff ich eilig eine Blumenvase vom nächsten Tisch und händigte sie ihm aus. Der Mexikaner prüfte den Wert des Geschenkes, gab mir durch eine Handbewegung zu verstehen, daß die Angelegenheit ritterlich ausgetragen sei und wandte sich der Türe meines Nachbarn zu, auf die er mit Füßen und Fäusten losdrosch. In etwas besserer Laune zog ich mich wieder zurück.

Meine Niederlage schien sich sehr rasch herumgesprochen zu haben, denn fünf Minuten später schlug ein schwerer Gegen- stand dumpf gegen meine Türe und gleich darauf erfolgte eine Reihe von Explosionen, daß die Mauern zitterten und größere Brocken Mörtel sich von der\\änd lösten. Ich sauste hinaus und stand einem Kommando gegenüber, das aus zehn Kindern bestand, einen Rammbock mit sich führte und hochexplosive Knallfrösche in meine Wohnung schleuderte. Der Führer des kleinen, aber hervorragend organisierten Stoßtrupps war ein dicklicher, als Tod kostümierter Knabe. „Chag Hapurim!" schnarrte er mich an. „Blumenvasen!" Entschuldigend brachte ich vor, daß ich keine Blumenvasen auf Lager hätte. Der Tod erklärte sich bereit, auch Süßigkeiten entgegenzunehmen. Ich verteilte meinen gesamten Vorrat an Schokolade, aber die Nachfrage überstieg das Angebot. „Noch Schokolade!" brüllte ein brasilianischer Kaffeepflanzer. „Es ist Purim!"

Ich beteuerte, daß ich wirklich keine Schokolade mehr versteckt hätte.

Vergebens. Platzpatronen knallten und Kracher explodierten. Von Panik erfaßt, rannte ich in die Küche, raffte den Arm voll Konservendosen und übergab sie den Belagerern, die sich laut schimpfend entfernten.

Abermals dauerte es nicht lange bis zur nächsten Explosion. Sie hob meine Türe aus den Angeln und gab den Blick auf eine in Kampfformation angetretene Truppe frei, die ihre Sprengarbeit mit zwei Tonnen Purimdynamit fortsetzte.

„Gut Purim!" riefen sie, während die Erde noch bebte. „Konserven!" Ich schleppte das ganze Küchengestell herbei und schüttete seinen Inhalt auf den Boden. Die Konserven waren im Hui verschwunden, ein Armeeoberst und ein Chinese bemächtigten sich des Gestells. „Geld her!" kreischte plötzlich ein einäugiger Pirat, in dem ich trotz der schwarzen Maske den kurzgewachsenen sechsund-dreißigj ährigen Sohn meines Friseurs erkannte. Noch während ich meine Brieftasche leerte, kam mir der rettende Einfall. Wenn dieses Purimfest mich nicht all meiner Habseligkeiten berauben sollte, mußte ich mich auf die andere Seite schlagen. Rasch warf ich ein geringeltes Hemd über, band mir ein kariertes Halstuch vors Gesicht, ergriff ein Messer und drang durch das Küchenfenster bei Rosenbergs ein. „Chag Hapurim!" quietschte ich im höchsten mir zur Verfügung stehenden Ton. „Heraus mit dem Schmuck!" Um zehn Uhr abends hatte ich die ganze Nachbarschaft abgegrast. Die Beute war beträchtlich.

Allerdings brauchte ich dann den ganzen nächsten Tag, um alles wieder zurückzubringen, denn die meisten konnten sich nicht recht erinnern, was ihnen gehörte, und ich mußte ja aufpassen, daß jeder das Seine wiederbekam.Nur meine Vase sah ich nie wieder, aber die hatte mir sowieso noch nie gut gefallen.

Schokolade auf Reisen

Alles ist eine Frage der Einteilung. Deshalb bewahren wir in einem nach Fächern eingeteilten Kasten unbrauchbare Geschenke zur künftigen Wiederverwendung auf. Wann immer so ein Geschenk kommt, und es kommt oft, wird es registriert, klassifiziert und eingeordnet. Babysachen kommen automatisch in ein Extrafach, Bücher von größerem Format als 20 x 25 cm werden in der „Geburtstags"-Abteilung abgelegt, Vasen und Platten unter „Hochzeit", besonders scheußliche Aschenbecher unter „Neue Wohnung", und so weiter. Eines Tages ist Purim, das Fest der Geschenke, plötzlich wieder da, und plötzlich geschieht folgendes: Es läutet an der Tür. Draußen steht Benzion Ziegler mit einer Pralinenschachtel unterm Arm. Benzion Ziegler tritt ein und schenkt uns die Schachtel zu Purim. Sie ist in Cellophanpapier verpackt. Auf dem Deckel sieht man eine betörend schöne Jungfrau, umringt von allerlei knallbunten Figuren. Wir sind tief gerührt, und Benzion Ziegler schmunzelt selbstgefällig. So weit, so gut. Die Pralinenschachtel war uns hochwillkommen, denn Pralinenschachteln sind sehr verwendbare Geschenke. Sie eignen sich für vielerlei Anlässe, für den Unabhängigkeitstag so gut wie für Silberne Hochzeiten. Wir legten sie sofort in die Abteilung „Diverser Pofel"