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Aber das Schicksal wollte es anders. Mit einem Mal befiel die ganze Familie ein unwiderstehliches Verlangen nach Schokolade, das nur durch Schokolade zu befriedigen war. Zitternd vor Gier rissen wir die Cellophanhülle von der Pralinenschachtel, öffneten sie - und prallten zurück. Die Schachtel enthielt ein paar bräunliche Kieselsteine mit leichtem Moosbelag. „Ein Rekord", sagte meine Frau tonlos. „Die älteste Schokolade, die wir jemals gesehen haben." Mit einem Wutschrei stürzten wir uns auf Benzion Ziegler und schüttelten ihn so lange, bis er uns bleich und bebend gestand, daß er die Pralinenschachtel voriges Jahr von einem guten Freund geschenkt bekommen hatte. Wir riefen den guten Freund an und zogen ihn derb zur Verantwortung. Der gute Freund begann zu stottern: Pralinenschachtel... Pralinenschachtel... ach ja. Ein Geschenk von Ingenieur Glück, zum Geburtstag... Wir forschten weiter. Ingenieur Glück hatte die Schachtel vor vier Jahren von seiner Schwägerin bekommen, als ihm Zwillinge geboren wurden.

Die Schwägerin ihrerseits erinnerte sich noch ganz deutlich an den Namen des Spenders: Goldstein, 1953. Goldstein hatte sie von Glaser bekommen, Glaser von Steiner, lind Steiner - man glaubt es nicht - von meiner guten Tante Ilka, 1950.

 Ich wußte sofort Bescheid: Tante Ilka hatte damals ihre neue Wohnung eingeweiht, und da das betreffende Fach unseres Geschenkkastens gerade leer war, mußten wir blutenden Herzens die Pralinenschachtel opfern.

Jetzt hielten wir die historische Schachtel wieder in Händen. Ein Gefühl der Ehrfurcht durchrieselte uns. Was hatte diese Schokolade nicht alles erlebt! Geburtstagsfeiern, Siegesfeiern, Grundsteinlegungen, neue Wohnungen, Zwillinge... wahrhaftig ein Stück Geschichte, diese Pralinenschachtel. Hiermit geben wir allen bekannt, daß die Reise der Geschenkpralinenschachtel zu Ende ist. Irgend jemand wird eine neue kaufen müssen.

Ein Hund springt in die Küche

Von einem Tag zum anderen interessierte sich Franzi, unsere Hündin, plötzlich für ihre männlichen Kollegen. Sie sprang am Fenster hoch, wenn draußen einer vorbeiging, wedelte hingebungsvoll mit dem Schwanz und manchmal winselte sie sogar. Und siehe da: Draußen vor dem Fenster versammelten sich nach und nach sämtliche männlichen Hunde der Umgebung, wedelnd und winselnd. Und Zulu, der riesige Schäferhund, der am ändern Ende der Straße lebt, sprang sogar eines Tages durch das offene Küchenfenster ins Haus. Wir mußten ihn mit Gewalt vertreiben. Verzweifelt wandten wir uns an Dragomir, den international bekannten Hundetrainer aus Jugoslawien. Er klärte uns auf: „Warum Sie aufgeregt? Hündin ist läufig. " „Hündin ist was?" fragte ahnungslos die beste Ehefrau von allen. „Wohin will sie laufen?"

„Ganz einfach", meinte Dragomir. „Zu Hund. Hündin braucht Mann. " Nun wußten wir also Bescheid. Die Zahl von Franzis Verehrern vor unserem Haus wuchs ständig. Wenn wir auf die Straße wollten, konnten wir uns nur noch mit dem Besen einen Weg bahnen. „Papi", sagte mein Sohn Amir, „warum läßt du sie nicht hinaus?" „Franzi ist noch viel zu jung" antwortete ich ihm. Währenddessen stand Franzi am Fenster, wedelte mit dem Schwanz und schaute sehnsüchtig zu der Hundeschar hinunter. Sie fraß nicht mehr, sie trank nicht mehr, sie schlief nicht mehr. Da beschlossen wir, Franzi zu retten. Wahrscheinlich lag es an ihrem wunderschönen, silbergrauen, langhaarigen Fell, daß die Hunde wie verrückt nach ihr waren. Wir mußten sie scheren lassen.

Am nächsten Tag kamen zwei Männer, kämpften sich durch die Hundehorden, die unseren Garten besetzt hielten, hindurch und nahmen Franzi mit sich. Franzi wehrte sich wie eine Mini-Löwin. Ihre Verehrer bellten und tobten und rannten noch kilometerweit hinter dem Wagen her, in dem Franzi saß. Am Tag darauf brachte man uns Franzi wieder. Aber das war nicht mehr unsere Franzi. Sie hatte fast keine Haare mehr und sah aus wie eine nackte, rosafarbene Maus. Franzi selbst war höchst unzufrieden mit sich. Sie sprach kein Wort mit uns, sie wedelte nicht, sie starrte reglos zum Fenster hinaus. Mit Franzi kamen auch die Hundescharen zurück. Das Gebelle und Gejaule war schlimmer als zuvor. Es waren jetzt nicht mehr nur die Hunde unseres Wohnviertels, alle Hunde kamen. Sogar zwei Eskimohunde waren darunter; sie mußten sich von ihrem Schlitten losgerissen haben und waren direkt vom Nordpol herbeigeeilt.

Einer der wildesten Verehrer riß mit seiner mächtigen Tatze unsere Türklinke ab. Da riefen wir die Polizei an. Aber wir bekamen keine Verbindung.

Rafi, mein ältester Sohn, schlug vor, die Sträucher im Garten anzuzünden. Vielleicht würden die Hunde dann weglaufen. Aber um das zu tun, hätten wir das Haus verlassen müssen, und das trauten wir uns nicht.

Plötzlich stand Zulu mitten in der Küche. Er mußte den Weg über das Dach genommen haben. Während ich versuchte ihn mit Gewalt aus unserer Küche zu vertreiben, suchte meine Familie Deckung hinter den umgestürzten Möbeln. Endlich hatte ich es geschafft. Zulu verschwand.

Und mit einemmal hörte auch das Bellen auf. Alle Hunde waren verschwunden.

Vorsichtig steckte ich den Kopf zur Türe hinaus. Alles blieb ruhig. Allem Anschein nach war ein Wunder passiert. Jetzt ist alles wieder beim alten. Aus Franzi, der rosafarbenen Maus, ist wieder eine Hündin mit weißem Fell geworden, die sich nur für Menschen interessiert. Für die Hunde der Nachbarschaft hat sie kein Auge mehr.

Woher allerdings die kleinen Schnauzer-Babies kommen, die Franzi gestern geworfen hat, wissen wir auch nicht.

Der störrische Esel

Eines Tages beschloß ich, meinen entfernten Verwandten Schlo-moh zu besuchen. Schlomoh lebte damals in einem Kibbuz. Als ich dort ankam, fand ich ihn in der Küche. Er war gerade dabei den Abwasch zu machen. Hinter einem Berg schmutziger Teller verborgen begrüßte er mich:

„Es tut mir leid, ich bin noch mindestens sechs Stunden beschäftigt. Schau dir doch inzwischen den Hof an, wir haben ein neues Kalb bekommen. "

Das interessierte mich. Denn, erstens mag ich kleine Kälber sehr gern und zweitens esse ich für mein Leben gern ein zartes Schnitzel. Auf dem Weg zu den Stallungen traf ich einen von Schlomohs Freunden.

»Ist es dir nicht zu heiß zum Herumlaufen" fragte er mich. „Warum nimmst du dir nicht einen Esel und reitest ein wenig?" „Mein Lieber", antwortete ich ihm, „ich kann nicht reiten. " „Das macht nichts", sagte er darauf, „wir haben ein paar sehr sanfte Esel. Schau, zum Beispiel der dort mit dem weißen Fleck auf der Stirn... " Und schon rief er Meister Langohr heran, der in nächster Nähe graste: „He, Tzuki, komm her! Tzuki! Rock-rock-rock... !" Ich fragte ihn, was rock-rock-rock bedeute. „Das ist ein Lockruf, den die Esel gerne hören. Sie reagieren sofort. He, Tzuki, rock-rock-rock! Komm schon her! Na, so komm doch, Tzuki!"

Tzuki stand unbeweglich und starrte uns an. Nach einer Weile drehte er sich zur Seite und verspeiste einige Disteln. „Ich muß jetzt weg", sagte Schlomohs Freund. „Du kannst ruhig auf ihm reiten. Es ist überhaupt nicht schwer. " Er gab mir noch schnell einige Tips, wie ich aufsteigen und den Esel behandeln sollte. Als Zurufe empfahl er mir „Hopp" für das Traben, „Woah" zur Beschleunigung, „Ho" zum Bremsen und „Brrr" zum Stehenbleiben. Dann brach er von einem Strauch einen Zweig als Reitgerte für mich ab und ging pfeifend davon. Ich empfand seine Anweisungen als überflüssig. Irgendwie würde es mir schon gelingen, mit dem Tier klarzukommen. Ruhig und gelassen trat ich also an Tzuki heran und griff nach dem Strick, den er am Hals trug. „Rock" sagte ich, „rock-rock-rock. " Tzuki verhielt sich ruhig und spitzte eines seiner Ohren. Ich schwang mich mühelos auf seinen Rücken. „Und jetzt", wandte ich mich an Tzuki, „wollen wir ein wenig traben, mein Junge."