In Rom bestiegen wir das Flugzeug, um nach Hause zu fliegen. Uns war seltsam unbehaglich zumute. Wir hatten irgend etwas vergessen.
Was war es denn nur? Was, um Himmels willen...
-„Ich hab's!" rief meine Frau plötzlich. „Der gestreifte Kaugummi.
Wir haben den gestreiften Kaugummi vergessen!"
Ich erschrak und versuchte, meine Frau zu trösten, der es ähnlich ergangen war.
„Vielleicht", stotterte ich, „vielleicht erinnert sich Amir nicht mehr... " Aber daran glaubte ich selbst nicht.
Während der kurzen Zwischenlandung in Athen liefen wir von Kiosk zu Kiosk, um Kaugummi zu kaufen. Aber es gab keinen. Das einzige, was man uns für ein Kind in Amirs Alter anbot, war eine zwei Meter große Stoffgiraffe. Wir nahmen sie mit.
Zwei Stunden später landeten wir auf dem Flughafen von Tel Aviv. Als wir von fern unsere beiden Söhne erspähten, die uns hinter der Sperre erwartungsvoll entgegenschauten, wurden wir nervös. Mit Rafi würde es keine Schwierigkeiten geben, er war schon ziemlich vernünftig. Aber wie stand es mit Amir? Wir hoben ihn hoch, umarmten ihn, stellten ihn behutsam wieder auf den Boden. Und während ihm seine Mutter vorsorglich über die Locken strich, fragte ich ihn: „Na? Haben wir dir die Stoffgiraffe mitgebracht oder nicht?" Amir gab keine Antwort. Er schaute zuerst die Giraffe an, dann uns. Es schien, als wären wir ihm völlig fremd, als hätte er uns vergessen. Im Auto saß er stumm auf den Knien seiner Großmutter und starrte vor sich hin. Erst als wir uns unserer Wohnung näherten, fragte er: „Wo ist der Kaugummi?" Ich brachte kein Wort heraus. Auch meine Frau seufzte nur leise. Dann faßte sie Mut und sagte beruhigend: „Der Onkel Doktor... weißt du, Amirlein... der Onkel Doktor sagt, gestreifter Kaugummi ist schlecht fürs Bauchi... ungesund, weißt du... "
Amirs Antwort erfolgte so plötzlich und in einer solchen Lautstärke, daß der Taxifahrer das Steuer verriß. „Onkel Doktor blöd, Onkel Doktor ekelhaft!" brüllte Amir. „Papi und Mami pfui! Amir will Kaugummi haben. Gestreiften Kaugummi. "
Jetzt mischte sich die liebe Oma ein: „Wirklich, warum habt ihr dem Kind keinen Kaugummi mitgebracht?" Nach diesen Worten schrie Amir noch lauter. Zu Hause angekommen, fragte ich ihn: "Na, Amir, mein Sohn? Womit werden wir denn die Giraffe füttern?"
„Mit Kaugummi", antwortete Amir, „mit gestreiftem Kaugummi. " Ich beschloß, es anders zu versuchen und Amir die Wahrheit zu sagen. Ich wollte ihm gestehen, daß wir den Kaugummi vergessen hatten, ganz einfach vergessen.
„Papi hatte auf dieser Reise sehr viel zu tun, und er hatte keine Zeit, Kaugummi zu kaufen", begann ich.
Amirs Gesicht verfärbte sich. Um zu verhindern, daß er wieder zu brüllen anfing, erzählte ich ihm:
„Aber die Königin von England hat mir fünf Kilo Kaugummi für dich mitgegeben. Sie stehen im Keller. Gestreifter Kaugummi für Amir in einem gestreiften Karton. Aber du darfst nicht hinuntergehen, hörst du? Sonst kommen Krokodile und fressen dich auf. Krokodile sind ganz verrückt nach Kaugummi. Wenn sie erfahren, daß in unserem Keller so viel Kaugummi liegt, fliegen sie sofort los -moderne Krokodile haben Propeller, weißt du - und suchen unseren Keller. Dann kommen sie ins Kinderzimmer und schnappen nach dir. Willst du, daß Krokodile in unser Haus kommen?" „Ja!" jauchzte Amir. „Gestreifte Krokodile. Wo sind die Krokodile? Wo?" Mir fiel keine neue Geschichte mehr ein, um Amir zu beruhigen. Zum Glück kam gerade meine Frau aus dem Nachbarhaus zurück, wo sie vergebens um Kaugummi gebettelt hatte. Auch alle Geschäfte waren bereits geschlossen.
Amir brüllt von neuem los, und wir wissen nicht, wie wir ihn beruhigen sollen. Da geht die Großmutter in den benachbarten Kaufladen und weckt den Inhaber. Dieser führt aber keinen gestreiften Kaugummi, sondern nur ganz gewöhnlichen. Ich verschwinde mit dem gewöhnlichen Kaugummi in der Küche, um mit Wasserfarben die erforderlichen Streifen aufzumalen. Die Wasserfarben halten nicht und laufen vom Kaugummi herunter. In unserer Wohnung herrscht ein heilloses Durcheinander. Die Kinder schreien, im Nebenzimmer explodiert ein Luftballon mit lautem Knall und die Großmutter telefoniert bereits mit dem Arzt. Amir erscheint heulend in der Küche:
„Papi hat Amir Kaugummi versprochen! Kaugummi mit Streifen !" Jetzt habe ich genug. Ich weiß nicht, was plötzlich in mich gefahren ist - aber im nächsten Augenblick werfe ich den Kasten mit den Wasserfarben an die Wand und brülle: „Ich habe keinen gestreiften Kaugummi, und ich werde auch keinen haben! Zum Teufel mit den verdammten Streifen! Noch ein Wort, und ich haue dir ein paar herunter! Hinaus! Schluß mit dem Theater!" Meine Frau und die Großmutter sind in Ohnmacht gefallen. Auch ich selbst bin von meinen eigenen Worten erschrocken. Wird der kleine Amir diesen Schock jemals überwinden? Es scheint so. Amir hat nach dem angemalten Kaugummi gegriffen, steckt ihn in den Mund und kaut genießerisch. „Mhm. Schmeckt fein. Guter Kaugummi. Streifen pfui."
Auch die Waschmaschine ist nur ein Mensch
Eines Tages teilte mir die beste Ehefrau von allen mit, daß wir eine neue Waschmaschine brauchten. Die alte war vor kurzem kaputt gegangen.
„Geh hin", sagte ich zu meiner Frau, „geh hin und kaufe eine neue Waschmaschine. Aber kaufe bitte wirklich nur eine einzige und nimm eine, die in Israel hergestellt wurde. " Die beste Ehefrau von allen ist auch eine der besten Einkäuferinnen, die ich kenne. Schon am nächsten Tag stand in unserer Küche, fröhlich summend, eine original hebräische Waschmaschine, blank poliert, mit glänzenden Bedienungsknöpfen, einer langen Kabelschnur und einer ausführlichen Gebrauchsanweisung. Unser Zauberwaschmaschinchen besorgte alles von selbst: Schäumen, Waschen, Trocknen. Am Mittag des zweiten Tages betrat die beste Ehefrau von allen mein Arbeitszimmer ohne anzuklopfen. Das ist immer ein schlechtes Zeichen. Sie sagte: »Ephraim, unsere Waschmaschine wandert. "
Ich folgte ihr in die Küche. Tatsächlich: Der Apparat schleuderte gerade die Wäsche und wanderte dabei durch den Raum. Wir konnten den kleinen Ausreißer gerade noch aufhalten, als er die Schwelle überschreiten wollte. Durch einen Druck auf den grellroten Alarmknopf blieb. er stehen. Wir überlegten, was wir tun könnten. Beim nächsten Waschen zeigte es sich, daß die Maschine nur dann ihren Standort veränderte, wenn sich die Trommel der Trockenschleuder schnell zu drehen begann. Zuerst lief ein Zittern durch die ganze Maschine - und gleich darauf begann sie, wie von einem geheimnisvollen inneren Drang getrieben, hopphopp darauflos-zumarschieren.
„Na schön", meinte ich, „warum nicht. Unser Haus ist schließlich kein Gefängnis, und wenn das Maschinchen marschieren will, dann soll es. "
In einer der nächsten Nächte weckte uns ein kreischendes Geräusch. Aus Richtung Küche klang es, als würde Metall zerdrückt. Wir stürzten hinaus: Das Dreirad unseres Sohnes Amir lag zerschmettert unter der Maschine, die sich in irrem Tempo um ihre eigene Achse drehte. Amir stand heulend daneben und schlug mit beiden Fäusten auf den Dreiradmörder ein: „Pfui, schlimmer Jonathan! Pfui!" Erklärend muß ich hier hinzufügen, daß wir unsere Waschmaschine Jonathan getauft hatten.
„Jetzt reicht es aber", meinte meine Frau, „ich werde Jonathan fesseln. " Sie holte einen Strick und band das eine Ende um die Wasserleitung, das andere wand sie mehrmals um Jonathan. Ich hatte dabei ein schlechtes Gefühl, hütete mich jedoch, etwas zu sagen. Jonathan gehörte zum Arbeitsbereich meiner Frau, und ich konnte ihr das Recht, ihn anzubinden, nicht streitig machen. Dabei will ich aber nicht verbergen, daß es mich am nächsten Tag mit Schadenfreude erfüllte, als wir Jonathan an der gegenüberliegenden Wand stehen sahen. Er hatte offenbar alle seine Kräfte angespannt, um den Strick zu zerreißen. Seine Vorgesetzte fesselte ihn zähneknirschend von neuem. Diesmal nahm sie einen längeren und dickeren Strick, dessen Ende sie um den Heißwasserspeicher band. Das ohrenbetäubende Splittern, das wir bald daraufhörten, werde ich nie vergessen.