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„Er zieht den Speicher hinter sich her!" flüsterte die entsetzte Küchenchef in, als wir am Tatort angelangt waren. Das ausströmende Gas veranlaßte uns, auf künftige Fesselungen zu verzichten... Jonathans Abneigung gegen Stricke war offensichtlich, und wir ließen ihn deshalb in Zukunft ohne Behinderung seinen Waschgeschäften nachgehen. Irgendwie leuchtete es uns ein, daß er über einen unbändigen Freiheitswillen verfügte. An einem Samstagabend dann, an dem uns Freunde zum Essen besuchten, drang Jonathan ins Speisezimmer ein. „Hinaus mit dir!" rief meine Frau ihm zu. „Marsch hinaus! Du weißt doch, wo du hingehörst!" Das war natürlich lächerlich, so weit reichte Jonathans Verstand wieder nicht. Jedenfalls schien es mir sicherer, ihn durch einen raschen Druck auf den Alarmknopf zum Stehen zu bringen. Als unsere Gäste gegangen waren, startete ich Jonathan, um ihn auf seinen Platz zurückzuführen. Aber er schien uns die schlechte Behandlung von vorhin übel zu nehmen und weigerte sich. Wir mußten ihn erst mit einigen Wäschestücken füttern, ehe er sich auf den Weg machte...

Amir hatte sein kaputtes Dreirad vergessen und allmählich Freundschaft mit Jonathan geschlossen. Bei jedem Waschen stieg er auf ihn und ritt unter fröhlichen „Hü-hott"-Rufen durch die Küche. Wir waren alle zufrieden. Jonathans Waschqualitäten blieben die alten, wir konnten uns nicht beklagen. Einmal aber bekam ich einen argen Schrecken, als ich eines Abends, bei meiner Heimkehr, Jonathan mit gewaltigen Drehsprüngen auf mich zukommen sah. Ein paar Minuten später, und er hätte die Straße erreicht. Ich beschloß, einen Fachmann um Rat zu fragen. Er war über meinen Bericht in keiner Weise erstaunt. „Ja, das kennen wir", sagte er. „Wenn sie schleudern, kommen sie gern ins Laufen. Meistens geschieht das, weil sie zu wenig Wäsche in der Trommel haben. Geben Sie Jonathan mindestens vier Kilo Wäsche, und er wird brav an seinem Platz stehen bleiben. " Meine Frau wartete im Garten auf mich. Als ich ihr erklärte, daß es der Mangel an Schmutzwäsche war, der Jonathan zu seinen Wanderungen trieb, erbleichte sie: „Großer Gott! Gerade habe ich ihm zwei Kilo Wasche gegeben. Das ist um die Hälfte zu wenig!"

Wir sausten in die Küche und blieben wie angewurzelt stehen: Jonathan war verschwunden. Mitsamt dem Kabel. Als wir zur Straße hinausstürzten, riefen wir, so laut wir konnten, seinen Namen: „Jonathan! Jonathan!" Keine Spur von Jonathan. Ich rannte von Haus zu Haus und fragte unsere Nachbarn, ob sie nicht vielleicht eine Waschmaschine gesehen hätten. Alle antworteten mit bedauerndem Kopfschütteln.

Nach langer, vergeblicher Suche machte ich mich niedergeschlagen auf den Heimweg. Wer weiß, vielleicht hatte in der Zwischenzeit ein Autobus den armen Kleinen überfahren... „Er ist hier!" Mit diesem Jubelruf begrüßte mich die beste Ehefrau von allen. „Er ist zurückgekommen!"

Das war natürlich wieder einmal leicht übertrieben, denn die Sache war so passiert: In einem unbewachten Augenblick war der kleine Dummkopf in den Korridor hinausgehoppelt und auf die Keller-türe zu. Dort wäre er unweigerlich zu Fall gekommen, wäre nicht im letzten Augenblick der Stecker aus dem Kontakt gerissen. „Wir dürfen ihn nie mehr vernachlässigen!" entschied meine Frau. „Zieh sofort deine Unterwäsche aus! Alles!" Seit diesem Tag wird Jonathan so lange mit Wäsche vollgestopft, bis er mindestens viereinhalb Kilo in sich hat. Und damit kann er natürlich keine Ausflüge mehr machen. Er kann kaum noch atmen, und es kostet ihn ziemlich viel Mühe, seine zum Platzen gefüllte Trommel in Bewegung zu setzen. Armer Kerl. Es ist eine Schande, was man ihm antut.

Gestern hielt ich es nicht mehr aus. Als ich allein im Haus war, schlich ich zu Jonathan und erleichterte sein Inneres um gute zwei Kilo. Sofort begann es in ihm unternehmungslustig zu zucken, und nach einer kleinen Weile war es soweit: Er machte sich, noch ein wenig ungelenk hüpfend, auf den Weg zu der hübschen italienischen Waschmaschine im gegenüberliegenden Haus. Er brummte und rumpelte dabei männlich und tatendurstig, wie in der guten alten Zeit.

„Geh nur, Jonathan. " Ich streichelte sein Gehäuse. „Los. " Was zur Freiheit geboren ist, soll man nicht festbinden.

Ein Schnuller mit dem Namen Zezi

 Obwohl Renana schon längst kein Baby mehr ist, will sie noch immer nicht vom Schnuller lassen. Das hält uns jede Nacht wach, um so wacher, als Renana nicht am Schnuller im allgemeinen hängt, sondern an einem besonderen Schnuller mit dem Namen Zezi. Zezi schaut genauso aus wie jeder andere Schnuller, aber unser rothaariges Töchterchen weigert sich, einen anderen Schnuller auch nur anzurühren.

„Zezi!" ruft sie, „Zezi!" schreit sie, „Zezi!" brüllt sie. Und noch einmal „Zezi!"

Schon nach dem ersten „Zezi!" geht die gesamte Familie in die Knie und sucht auf allen vieren nach dem gewünschten Zezi. Wenn Zezi endlich gefunden ist, beruhigt sich Renana in Sekundenschnelle und lutscht gemütlich an Zezis gelbem Mundstück, umlagert von ihrer völlig erschöpften Familie. Mit Zezi ist alles in Ordnung, ohne Zezi bricht die Hölle los. Wenn wir uns einmal dazu aufraffen, den Abend anderswo zu verbringen, verfällt die beste Ehefrau von allen beim geringsten Telefonsignal in ängstliches Zittern:

Sicherlich ruft jetzt der Babysitter an, um uns mitzuteilen, daß Zezi unauffindbar und Renanas Gesicht bereits purpurrot angelaufen ist. In solchen Fällen werfen wir uns sofort ins Auto, sausen mit Schallgeschwindigkeit heimwärts - und müssen den Babysitter dann meistens unter vielen umgestürzten Möbelstücken hervorziehen. Was etwa geschehen würde, wenn Zezi endgültig verlorenginge, wagen wir nicht zu bedenken.

Nur überlegen wir uns dauernd, wieso Renana weiß, daß Zezi Zezi ist.

Eines Nachmittags, während Renana schlief, eilte ich mit dem geheiligten Schnuller in die Apotheke, wo wir ihn gekauft hatten, und verlangte ein genau gleiches Exemplar, gleiche Farbe, gleiche Größe, gleiches Herstellungsjahr. Ich erhielt ein perfektes, von Zezi in keiner Weise unterscheidbares Gegenstück, eilte nach Hause und überreichte es Renana.

Ihre kleinen Patschhändchen griffen danach und schleuderten es im Bogen durch die Luft: „Das hier kein Zezi! Will Zezi haben! Zezi!!" Renanas geplagte Mutter vertrat die Ansicht, der feinen Nase des Kleinkinds wäre in Unterschied im Geruch aufgefallen, der durch Zezis Abnützung entstanden sei. Nie werde ich das Gesicht des Apothekers vergessen, als ich eine größere Menge gebrauchter Schnuller verlangte. Es war ein durchaus abweisendes Gesicht. Uns blieb nichts anderes übrig, als eine Anzahl Schnuller künstlich selber altern zu lassen. Wir erstanden die nötigen Mittel, tauchten einen Probeschnuller ein und warteten, bis er die grünliche Farbe Zezis annahm.

Renana entdeckte den Schwindel jedoch sofort und brüllte nach Zezi.

Als wir eines Abends in der Oper saßen, kam während der Vorstellung, an einer besonders leisen Stelle, der Platzanweiser herangeschlichen und flüsterte in die Dunkelheit: „Pst! Schnuller! Pst! Schnuller!"

Wir wußten, wen er meinte, wir wußten, daß Großmutti angerufen hatte, wir kümmerten uns nicht um die Empörung und die leisen Schmerzensrufe unserer Sitznachbarn, denen wir auf die Füße stiegen, wir sausten nach Hause und fanden die alte Oma schwer atmend in einem Sessel. Zezi war spurlos verschwunden. Der weichgepolsterte Behälter, den wir eigens für Zezi eingerichtet hatten, war leer.

Großmama hatte schon überall nachgeschaut. Erfolglos. Auch wir schauten überall nach. Ebenso erfolglos. Jemand mußte Zezi gestohlen haben.