Als er zu Ende gekommen ist, schreckt mein Applaus die Schläfrigen auf. Auch sie klatschen. Aber ich klatsche stärker. Mein Sohn winkt mir zu. Bist du's, Papi? Ja, ich bin es, mein Sohn. Und ich winke zurück. Die Lehrerin Nadiwa macht ihrem Vorzugsschüler ein Zeichen. „Wieso?" flüstere ich ihr zu. „Geht's denn noch weiter?" „Was meinen Sie, ob es noch weitergeht? Jetzt fängt's ja erst richtig an. Die ganze Geschichte: Von der Entstehung der Welt bis zur Entstehung des Staates Israel. Von den Kindern gesprochen und gesungen. Mit Musik.. " Und da erklang es auch schon von der Bühne: Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.. " An den Rest erinnere ich mich nicht mehr.
Herr Obernik bellt
Das Viertel, in dem wir früher wohnten, besteht aus hübschen Einfamilienhäusern mit kleinen Gärten. Alles war ruhig und friedlich, bis die Sache mit Karo passierte. Es begann damit, daß in zwei neugebaute Einfamilienhäuser zwei Familien einzogen. In das eine Haus zog der Musiklehrer Meyer, in das andere Haus der Beamte Obernik. Es war von Anfang an klar, daß sich die beiden Familien nicht riechen konnten. Jede versuchte, der anderen das Leben so schwer als möglich zu machen. Und beide hatten sich zum Ziel gesetzt, die anderen zu vertreiben.
Um das zu erreichen, leerten sie die Abfallkübel in den Nachbargarten, drehten den Radio auf volle Lautstärke, so daß die Scheiben nebenan zitterten, und beschimpften sich Tag und Nacht. Es gab keinen Zweifel, eine der beiden Familien mußte über kurz oder lang ausziehen. Die Frage war nur, wer die besseren Nerven hatte. Die anderen Bewohner der Straße schlössen Wetten ab. Diese standen 3:l für Meyer.
Eine ungewöhnliche Wendung trat ein, als Familie Obernik einen Hund kaufte. Er hieß Karo und war von unbestimmter Rasse, obwohl er angeblich einer berühmten skandinavischen Zucht entstammte. Aber wer kann das schon nachprüfen. Die Oberniks hüteten ihn wie einen Augapfel und ließen ihn nur nachts in Freie. Anscheinend hatten sie Angst um ihn. Diese Furcht war nicht unbegründet, denn Karo bellte Tag und Nacht. Man konnte verrückt dabei werden, vor allem wenn man Musiklehrer war und ein empfindliches Gehör hatte. Karo stimmte sein keifendes, durchdringendes Gebell zu den unmöglichsten Zeiten an: um 5. 15 am Morgen, zwischen 14 und 16 Uhr (also gerade dann, wenn Herr Meyer sich zu seinem Nachmittagsschlaf niederlegte), dann wieder gegen Mitternacht und um 3. 30 Uhr. Natürlich bellte er auch zwischendurch. Nach ungefähr einer Woche, während des üblichen Nachmittagskonzerts, trat Frau Meyer vor ihr Haus und rief zu den Oberniks hinüber: „Sorgen Sie dafür, daß Ihr Hund zu bellen aufhört, sonst kann ich für nichts garantieren. Mein Mann ist imstande und erschießt ihn. " Da allgemein bekannt war, daß Herr Meyer eine Jagdflinte besaß, nahm sich Frau Obernik die Warnung zu Herzen. In Zukunft sagte sie zu Karo, wenn er zu bellen anfing:
„Ruhig, Karo, du störst Herrn Meyer. Hör auf zu bellen! Kusch!" Karo kuschte in keiner Weise. Im Gegenteil, er bellte immer mehr, als wolle er beweisen, daß er bellen dürfte, wann er wollte. Und so griff Herr Meyer eines Nachts zu seinem Gewehr und setzte sich in den Garten. Hier wartete er hinter einem Strauch auf Karo. Karo aber kam nicht. Er bellte zwar zu den gewohnten Stunden, aber er blieb im Haus. Von Zeit zu Zeit glaubte Herr Meyer ihn an der Türe kratzen und jämmerlich winseln zu hören. Entweder ahnte Herr Obernik etwas von Herrn Meyers Vorhaben, oder er sperrte Karo aus Gemeinheit im Haus ein. Als sich auch in den folgenden zwei Nächten nichts änderte, entschloß sich Meyer, dem Geheimnis nachzugehen. Er schlich sich an das Schlafzimmerfenster der Oberniks heran und schaute vorsichtig durch das halb geöffnete Fenster hindurch. Da wollte er seinen Augen nicht trauen: Herr Obernik lag in seinem Bett und bellte.
Neben ihm lag Frau Obernik und sagte von Zeit zu Zeit ohne besondere Anteilnahme:
„Ruhig, Karo, du mußt Herrn Meyer schlafen lassen. Kusch. " Herr Meyer war nahe daran, in das Schlafzimmer hineinzuschies-sen. Doch dann besann er sich und ging auf das nächste Polizeirevier.
Dort weckte er den diensthabenden Beamten und erzählte ihm die ganze Geschichte. Die Antwort des Beamten lautete: „Na und?" „Was heißt hier na und!" brüllte Herr Meyer. „Der Kerl bringt mich noch um meinen Verstand. Ich kann seit Wochen nicht mehr schlafen!"
»Bedauere", antwortete der Polizist, „ich könnte gegen Lautsprecher nach Mitternacht einschreiten, aber nicht gegen jemanden, der bellt. Außerdem fällt diese Angelegenheit in die Kompetenz der Stadtverwaltung. "
Am nächsten Morgen suchte Herr Meyer einen Anwalt auf. Er informierte ihn, daß Herr Obernik sich sozusagen selbst als Hund zu Hause hielte.
Der Anwalt blätterte in seinen Gesetzbüchern und schüttelte den Kopf:
„Ich kann keinen Paragraphen finden, der eine derartige Handlungsweise verbietet. Die Nachahmung von Tierstimmen ist nicht unter Strafe gestellt. Das einzige, was wir unternehmen können, ist, gegen Herrn Obernik Anzeige zu erstatten, weil er keine amtliche Bewilligung zum Halten eines Wachhundes, beziehungsweise einer Wachperson besitzt. "
Die Anzeige wurde erstattet. Sicherheitshalber hatte der Anwalt noch hinzugefügt, daß Herr Obernik auch keine Hundesteuer für sich bezahlt.
Die Antwort der Behörde jedoch war niederschmetternd: Herr Obernik hatte die vorgeschriebene Bewilligung nicht nur eingeholt, er hatte sogar für ein Jahr im Voraus Hundesteuer für sich bezahlt. Karo bellte immer lauter, die Schlacht hatte ein entscheidendes Stadium erreicht.
In einem letzten verzweifelten Angriff versuchte Herr Meyer, dem Hund Karo - Herr Obernik dennoch beizukommen. Er verständigte das Gesundheitsministerium, daß sein Nachbar an Tollwut leide und schnellstens vertilgt werden müßte.
Das Ministerium schickte einen Tierarzt, der Herrn Obernik nach sorgfältiger Untersuchung ein amtliches Gesundheitszeugnis ausstellte. Die Rechnung ging an Herrn Meyer. Obernik hatte gesiegt. Am nächsten Ersten zog Familie Meyer aus.
„Recht geschieht ihm", sagte Frau Krassnitzer da, „warum hat er nicht zurückgebellt?"
Franzi und der Stammbaum
Eines Abends meinte die beste Ehefrau von allen, daß wir uns einen Hund anschaffen sollten. Ich lehnte ab.
„Schon wieder?" fragte ich. „Wir haben doch schon einmal darüber gesprochen, und ich habe schon einmal nein gesagt. Erinnere dich an unseren Zwinji, er ruhe in Frieden, und an seine Vorliebe für den roten Teppich!"
„Aber die Kinder möchten so gerne -"
„Die Kinder, die Kinder. Wenn ein Hund erst einmal im Haus ist, gewöhnen wir uns an ihn und werden ihn nie wieder los. " Ich versuchte am nächstenTag, mit Amir und Renana zu sprechen. Aber beide fingen an zu heulen, und ich konnte nur die Worte „Papi" und „Hund" deutlicher verstehen. Also entschloß ich mich, nachzugeben.
„Schön", sagte ich, „ich kaufe euch einen Hund. Was für einen wollt ihr denn haben?"
„Einen reinrassigen", erklärte die beste Ehefrau von allen anstelle der Kinder. „Einen mit Stammbaum. " Aus der Bestimmtheit, mit der sie das sagte, ging hervor, daß sie über den bevorstehenden Kauf bereits mit unseren Nachbarn gesprochen hatte, deren reinrassige Monster die Gegend unsicher machen.
„Außerdem will ich", meinte sie weiter, „weder eines dieser unförmigen Kälber, die das ganze Haus schmutzig machen, noch irgendein Miniaturtier, das einer Ratte ähnlicher sieht als einem Hund. Wir müssen auch bedenken, daß junge Hunde überall hinpinkeln und daß alte Hunde Asthma haben. Wir brauchen ein gut gebautes Tier, das nicht zu laut bellt und auch sonst wenig Lärm macht. Gerade Beine, ein glattes Fell, stubenrein und folgsam. Und auf keinen Fall einen weiblichen Hund, weil Hündinnen alle paar Monate läufig werden. "