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Von der Golden Vleece wehte Hurragebrüll herüber, als die Sparrow noch einmal angriff. Im davonwehenden Rauch stand ein Mann auf dem zerfetzten Deck der Brigg und winkte zur Übergabe mit der Flagge. Das Schiff war vollkommen entmastet, und die langsame Breitseite hatte sein Heck ausgehöhlt. Es war zum Wrack zusammengeschossen, und die Besatzung mußte übel zugerichtet sein.

Tyrell starrte zu dem rauchgeschwärzten, zerschlagenen Rumpf hinüber. Seine Augen blitzten hell vor Konzentration. Ihm zur Seite sprang Heyward in der Erregung auf und nieder.

Dann, bevor noch die Besatzung der Sparrow aus ihrer Benommenheit erwachte und das Gefühl des Sieges auskosten konnte, wurde die Luft durch eine ohrenbetäubende Explosion zerrissen. Spieren, Planken, ganze Deckteile, all das wirbelte um einen bösartig rotglühenden Kern herum, und über das Wasser rollte eine Stoßwelle wie von einem kleinen Taifun auf die Korvette zu.

Als der Rauch verweht war und die umherschwirrenden Fragmente ins Wasser prasselten, war von der Brigg nichts übriggeblieben als angesengtes Treibholz und eine Jolle, die merkwürdigerweise unbeschädigt kieloben abtrieb. Ein fliegender Funke, eine umgekippte Lampe oder irgendein Seemann, der zwischen den zerschmetterten Decks von Wahnsinn verwirrt eine Zündschnur in Brand gesetzt hatte, mochten das vollständige, fürchterliche Ende der Brigg verschuldet haben.

«Lassen Sie das Großsegel wieder setzen, Mr. Tyrell.»

Bolitho strich sich mit dem Handrücken über die ruß- und schweißverklebte Stirn.

«Wir müssen der Miranda helfen.»

Er wartete, bis Tyrell mit heiserer Stimme die verwirrten Seeleute wieder zur Vernunft gebracht hatte. Dann zischte er mit zusammengepreßten Zähnen:»Die Feinde sollen sehen, daß wir unser Leben immer noch sehr teuer verkaufen.»

Nach kurzer Zeit hatte die Korvette die Golden Vleece überholt, und Bolitho sah die verbissen kämpfenden Schiffe in etwa einer Meile Abstand liegen. Im wilden Grimm des Gemetzels waren sie abgetrieben. Durch den Qualm, der ihre Rümpfe einhüllte, konnte er deutlich das Aufblitzen von Musketenfeuer und gelegentliches Aufflammen aus der Mündung einer Drehbasse beobachten.

Mit starker Schlagseite hing die Fregatte fast schon wie ein totes Wrack an ihrem größeren Feind. Auch ohne Fernglas sah Bolitho, daß sich das Handgemenge über die Back ausgebreitet hatte und immer mehr Angreifer mit Entermessern und Säbeln sich ihren Weg über das Deck der Miranda voranhackten.

«Wir werden wenden, Mr. Tyrell. Lassen Sie auf Steuerbordbug gehen, sobald wir etwas Seeraum gewonnen haben, und lassen Sie die andere Batterie zum Einsatz vorbereiten.»

Bolitho biß sich auf die Lippen, um seine jagenden Gedanken zu beruhigen. Ein rascher Blick nach oben zeigte ihm, daß der Stander so sicher und stetig wehte wie zuvor. Der Wind blies gleichmäßig aus Süd-Südwest.

«Lassen Sie Mr. Graves aufs Achterdeck kommen.»

Als der Leutnant sich mit erschöpftem, eingefallenem Gesicht meldete, sagte Bolitho:»Ich möchte, daß das Steuerbord-Buggeschütz den Feind ständig unter Beschuß hält. Sobald wir über Stag gegangen sind, erwarte ich von Ihnen, daß Sie das Feuer auf jenes Schiff dort konzentrieren, gleichgültig, was sich sonst ereignen sollte.»

«Alles klar zur Wende, Sir«, rief Buckle.

Bolitho nickte.»Bitte legen Sie Ruder.»

«Ruder steht in Luv, Sir!»

Tyrell brüllte bereits durch sein Sprachrohr, und auf dem Vorschiff holten die Seeleute wie Teufel an den Schoten des Vorstengestagsegels. Mit killenden Segeln begann die Sparrow in den Wind zu drehen.

«Klar bei Brassen!»

Bolitho packte die Reling. Seine Augen schmerzten, als die Sonnenstrahlen wie Lanzen durch die Wanten zielten.»Durchholen! Mit aller Kraft!»

Alle Rahen ächzten und knarrten gleichzeitig, während sie durch den Wind geholt wurden. Dann bauschten sich die Segel wieder und krängten das Deck nach der anderen Seite. Bolitho beobachtete, wie die beiden kämpfenden Schiffe sehr langsam zwischen den Fockmastwanten vorrückten, als ob sie in einem riesigen Spinnennetz gelungen wären.»Stützen, Mr. Buckle!»

Er ging einige Schritte auf und nieder und bemerkte, daß Tyrell die Männer an den Brassen anfeuerte, die Rahen noch dichter zu holen, daß der tote Seemann vom Achterdeck verschwunden war und daß Ben Garby, der Schiffszimmermann, mit seinen Leuten durch das Achterdeck schlüpfte, um den Schaden dort zu inspizieren. Bolitho sah das alles und noch mehr, doch nicht mit jenem kühlen Abstand wie früher.

«Kurs liegt an, Sir!»

Bolitho nickte. Seine Gedanken beschäftigten sich mit den beiden Schiffen. Mit dicht geholten Segeln hoch am Wind würde die Sparrow dreißig Minuten oder noch länger brauchen, um eingreifen zu können. Die Miranda war von den feindlichen Entermannschaften bereits überrannt. Von Anfang an war ihre Besatzung zahlenmäßig unterlegen gewesen, und in der ersten wilden Breitseite des Gegners mußten viele gute Männer gefallen sein.

«Feuer!»

Als der gedämpfte Schrei vorne erklang, sah Bolitho den Rauchpuff über die Back wehen und fühlte die schwere Erschütterung, als der Zweiunddreißigpfünder in seinen Taljen zurückdonnerte. Er griff nach einem Fernglas und sah das Geschoß nahe dem feindlichen Schiff mit einer hohen Wasserfontäne in die See platschen.

Mit heiserer Stimme murmelte Heyward:»Ziemlich nah.»

Bolitho schaute weg. Der mächtige ehemalige Westindienfahrer war mit etwa vierzig Kanonen bestückt. Wenn er seine Artillerie je zum Einsatz bringen würde, dann könnte er die Sparrow selbst mit einer schlecht gezielten Breitseite erledigen.

Wumm! Wieder löste sich ein Schuß aus dem Buggeschütz, und er beobachtete die Gischtfahnen, die von Woge zu Woge aufsprühten und die Geschoßbahn markierten. Abermals verschwand die Kugel neben dem feindlichen Schiff.

Sie werden uns hören und merken, daß wir kommen. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Was sollte er nur tun? Den Transportern signalisieren zu fliehen? Nein, sie waren hoffnungslos überladen und viel zu langsam. Es würde nur ihren Todeskampf verlängern.

Über ihm killte der Besan, und Buckle verfluchte das Segel, bevor er die Rudergänger etwas abfallen ließ.

Ohne hinzuschauen, war sich Bolitho bewußt, daß er nicht so hoch am Wind segeln durfte, wenn er der Miranda noch rechtzeitig Hilfe bringen wollte.

Jemand trat hinter ihm heran. Es war Bethune. Seine Arme hingen schlaff an den Seiten herunter, seine Hosen waren mit großen Blutflecken bedeckt, und die Hände des sterbenden Seemannes hatten dort, wo sie ihren letzten qualvollen Griff auf dieser Welt getan hatten, breite dunkle Blutwischer hinterlassen. Bolitho starrte ihn an.

«Mr. Bethune!«Er sah den jungen Burschen zusammenfahren.»Kommen Sie her!»

Er machte ein paar Schritte zur Reling und wieder zurück. Es war einen Versuch wert. Alles mußte jetzt versucht werden. Wenn sie die Miranda erst erreichten, nachdem sie dem Feind endgültig in die Hände gefallen war, dann würden die Decks der Sparrow bald so rot sein wie die Flagge über seinem Kopf.

Der Fähnrich wartete.»Sir?»

«Geben Sie sofort folgendes Signal.»

Er legte seine Hand auf Bethunes kräftige Schulter. Durch das Hemd konnte er seine Haut spüren. Wie Eis, trotz der Sonne!

«Signal, Sir?«Bethune starrte ihn an, als ob er falsch gehört hätte oder sein Kapitän verrückt geworden sei.

«Jawohl, an Miranda: Segel in Sicht in Nordost!»

Er packte härter zu,»Mann, bewegen Sie sich endlich!»

Bethune rannte davon. Mit schriller Stimme rief er nach seinem Gehilfen, und kaum eine Minute später wehten die bunten Signalflaggen im Wind. Voll Unglauben starrte Tyrell von den Flaggen zu seinem Kapitän, dann begann er langsam zu verstehen.

«Auf der Miranda gibt's kaum noch ein paar arme Teufel, die das sehen könnten«, meinte Buckle.

Tyrell hatte Bolithos Absicht erkannt.»Nein, aber die Freibeuter werden's sehen. Vielleicht glauben sie, daß eine Patrouille vom Geschwader unterwegs ist, um in den Kampf einzugreifen.»