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Graves atmete langsam aus.»Gegen solch schlechte Chancen haben sie sich gut gehalten.»

«Ja.»

Bolitho wollte seine Offiziere gern aus der Kajüte draußen haben, die Tür verriegeln und sich seine Unsicherheit nicht anmerken lassen.

«Ich habe eine Losung auf dem Schiff ausgegeben, Sir«, sagte Tyrell.»Ich glaube, unsere Leute wissen, wie zufrieden Sie.»

Bolithos Stimme ließ ihn zurückfahren.»Zufrieden?«Er taumelte hoch.»Wenn Sie glauben, Grund zur Selbstzufriedenheit zu haben, Mr. Tyrell, dann behalten Sie das gefälligst für sich.»

Er schritt zu den Fenstern und wieder zurück.»Ich habe es selbst gesehen. In unseren Leuten steckt kein Siegesrausch. Sie sind erleichtert, nichts anderes als erleichtert. Sie sind dankbar, daß ihnen ein ähnliches Gemetzel erspart blieb, sie sind allzu eifrig bemüht, ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu übersehen.»

«Aber das ist doch etwas ungerecht, Sir«, wandte Tyrell ein.

«Glauben Sie?«Er sank am Tisch nieder. Sein Zorn erschöpfte sich.»Raven hat den Maßstab gesetzt. Er sah, was er zu sehen erwartete, genau wie Kapitän Selby auf der Miranda. Und genau wie Sie, Mr. Tyrell, glaubten unsre Leute, daß ein Gefecht nichts anderes als eine Fortsetzung des Drills sei, ein paar Säbelhiebe, ein paar Flüche, und alles wäre schon in bester Ordnung. Vielleicht waren wir in der Vergangenheit zu siegreich und wurden nun von dieser neuen Art der Kriegführung überrumpelt.»

Wieder entstand Schweigen in der Kajüte. Das beharrliche Hämmern irgendwo tief im Bauch des Schiffes wurde für Bolitho plötzlich beängstigend.

«Was werden wir jetzt tun, Sir?«fragte Graves mit belegter Stimme.

Bolitho blickte ihn ernst an.»Kapitän Selby ist tot, ist in der ersten Breitseite gefallen.»

Wieder schritt er zu den Kajütfenstern und schaute zu der treibenden Fregatte hinüber. In seinen Gedanken tauchte wieder der verwundete Erste Leutnant vor ihm auf, der Mann, der sein Schiff irgendwie längsseits des Gegners gebracht hatte. Das war das Äußerste, was er trotz der verheerenden Verluste und trotz der schweren Beschädigungen noch hatte tun können. Nun versuchte er, ohne andere Offiziere, unterstützt von einigen Bootsmanns- maaten, das fast Unmögliche, die Fregatte wieder notdürftig flottzumachen. Er mußte sein Schiff, so schnell es ging, in Sicherheit bringen, bevor es die See oder der Feind endgültig vernichteten.

Im schrecklichen Chaos der Kajüte Kapitän Selbys hatte er den Safe geöffnet und ohne Zögern die Depeschen an Bolitho übergeben. Jetzt, da er wieder in seiner Kajüte auf der Sparrow war, schien ihm diese Entwicklung der Ereignisse unglaubhaft. Er war der jüngste Kapitän von allen, und dann, fast im Handumdrehen, mußte er die volle Verantwortung für alle auf seinen Schultern tragen. Colquhoun und Maulby waren unerreichbar. Selby war tot. Er hatte seine Leiche gesehen. Auf dem zersplitterten Achterdeck war sie unter einem umgestürzten Neunpfünder eingeklemmt. Eine Hand hatte sich um den Degengriff gekrampft wie um einen nutzlosen Talisman.

Tyrells Stimme brachte ihn wieder in seine Kajüte zurück.

«Dann haben Sie also jetzt den Oberbefehl, Sir?»

Die Leutnants blickten ihn aufmerksam an. In ihren Gesichtern standen Zweifel und Besorgnis.

Bolitho nickte langsam.»Wir werden vor Einbruch der Dunkelheit mit dem Geleitzug weitersegeln. Vorher werden wir die Verwundeten auf die Transporter bringen und der Fregatte helfen, so gut wir können. «Er versuchte, nicht an die endlosen Probleme zu denken, die auf ihn einstürmten.

«Wenn wir, wie befohlen, Kontakt mit dem Geschwader aufgenommen haben, werden wir mit den Depeschen zum Hauptquartier weiterfahren.»

Seine Augen schweiften in der Kajüte umher. Alles erschien ihm plötzlich kleiner, seine Korvette verwundbarer.

«Und die Miranda, Sir?«Tyrells Stimme klang gedämpft.

Bolitho antwortete mit gleichgültiger und kühler Stimme. Er wußte, daß seine Leute alles Vertrauen in ihn verlieren würden, wenn er ihnen auch nur für einen Augenblick seine wahren Gefühle zeigte.

«Die Männer auf der Miranda werden tun, was sie tun müssen.

Wir können nicht bei ihnen bleiben, und sie würden das auch gar nicht wünschen.»

Gischt prasselte gegen die dicken Fensterscheiben. Der Wind frischte bereits leicht auf.

Tyrell leckte über seine Lippen. Seine Augen starrten wie abwesend auf die entmastete Fregatte.

«Das ist alles«, fügte Bolitho hinzu.»Achten Sie darauf, daß alle Leute bis zur letzten Minute arbeiten.»

Wortlos verließen die Leutnants in ihren schmutzigen Hosen und Hemden die Kajüte.

Bolitho blickte Fitch an.»Sie können auch gehen. Ich möchte nachdenken.»

Nachdem Fitch und seine Helfer gegangen waren, stützte er seinen Kopf in die Hände und ließ seinen Körper entspannt in den unbehaglichen Schiffsbewegungen mitschwingen.

Wahrscheinlich hielt Tyrell ihn für herzlos, weil er das andere Schiff hilflos und ohne Begleitung zurückließ.

Bolitho kämpfte gegen seine Müdigkeit und Erschöpfung an und stand auf. Er wußte, daß ihn ihre Ansichten nicht kümmern durften. Sie standen im Krieg, den sie schon zu lange wie Zuschauer betrachtet hatten. Wenn sie lernen mußten, dann war es besser, das sofort zu tun. Dann erinnerte er sich wieder an den Leutnant auf der Miranda, an die Bitterkeit in seiner Stimme, als er das Gefecht beschrieb. Er konnte zu dem, was Bolitho bereits geahnt und gewußt hatte, kaum etwas hinzufügen. Nur eines war neu für ihn, der Name des großen Kaperschiffes. Bonaventure. Niemals würde er diesen Namen vergessen.

Es klopfte an die Tür. Lock trat ein. Mit düsterem Gesicht begann er eine Liste jener Vorräte herunterzulesen, die in dem kurzen Kampf mit der Brigg verlorengegangen waren.

Bolitho blickte ihn an und sagte mit ruhiger Stimme:»Nun, machen Sie mir eine komplette Aufstellung, Mr. Lock. Wir werden dann später darüber reden.»

Es war sinnlos, an das zu denken, was vorüber war. Er stand nun ganz allein, und nur die Zukunft und der ferne Horizont hatten wirklich noch Bedeutung für ihn.

V Der Auftrag

«Das Wachboot kommt, Sir!«Bolitho nickte.»Danke.»

Er hatte es schon gesehen, sich aber auf die hintereinander verschobenen Umrisse der vor Anker liegenden Schiffe konzentriert. Ein mächtiger Zweidecker zeigte am Besan die Konteradmiralsflagge.

Dann streifte er mit einem raschen Blick die eifrige Arbeit auf dem Geschützdeck. Zum ersten Mal, seitdem sie Antigua verlassen hatten, trafen sie Vorbereitungen, Anker fallen zu lassen.

Zehn Tage waren vergangen, seit die verwüsteten Umrisse der Miranda mehr und mehr zurückgefallen und endlich ganz hinter dem Horizont verschwunden waren. Es waren Tage quälender Ungeduld gewesen. Wiederholt hatten sie Segel kürzen müssen, um den schwerfälligen Transportschiffen nicht davonzulaufen. Als sie dann endlich auf eine Fregatte des Küstengeschwaders stießen, hatten sie keine Freiheit erlangt, sondern abermals eine Verlängerung der Reise auf sich nehmen müssen. Die Sparrow hatte die Verantwortung über die Transporter nicht abgeben können, noch durfte sie geraden Weges die Küste anlaufen, um das Löschen der Ladungen zu überwachen. Statt dessen mußte sie mit allen Depeschen nach New York segeln. Der Kapitän der Fregatte hatte in seiner Ungeduld weiterzureisen nur einen Fähnrich mit seinen Befehlen zur Sparrow hinübergeschickt. Aus dem wenigen, das er bemerkt hatte, schloß Bolitho, daß die Fregatte drei Wochen lang patrouilliert und darauf gewartet hatte, ihre Nachrichten an den Geleitzug weiterzugeben, und nur den einen Wunsch hatte, mit der Sache weiterhin nichts mehr zu tun zu haben. Er wandte seinen Blick dem Wachboot zu, das sich sanft in der atlantischen Dünung wiegte. Eine große, blaue Flagge flatterte an seinem Bug, um die Stelle zu markieren, wo die Korvette ankern sollte.