Bolitho wandte sich an Tyrelclass="underline" »Denken Sie also daran. Wir müssen, wenn nur irgend möglich, die Bonaventure manövrierunfähig machen. Sollte eine patrouillierende Fregatte sie dann finden, kann sie vollenden, was wir begonnen haben. «Er packte sein Handgelenk.»Aber achten Sie darauf, daß unsre Leute ihre Rollen gut spielen. Wenn die Bonaventure jetzt abdreht, kann sie uns mit ihren Geschützen in einem Atemzug in Stücke schlagen.»
Das Kaperschiff hatte sich inzwischen näher herangeschoben. Es lief vor dem Wind auf das Heck der Royal Anne zu, als ob es an der Backbordseite überholen wollte. Sein Kapitän war ein hervorragender Seemann. Außer den Marssegeln war alles Tuch aufgegeit. Dennoch beherrschte er das schwere Schiff sicher und geschickt. Er würde zweifellos den Windvorteil halten, was immer Bolitho auch zu tun versuchte.
Ein Geschütz spie eine lange Feuerzunge aus, und Bolitho fühlte die Kugel in den Schiffsrumpf einschlagen. Die Planken unter seinen Füßen erbebten heftig.
Auf dem Achterdeck des feindlichen Schiffes hob sich eine dunkle Menschengruppe von dem lichten Himmel ab. Die Sonne blitzte auf erhobenen Fernrohren. Sie würden jetzt ihr Opfer prüfen. Die Royal Anne sah ähnlich aus wie am Tag zuvor, als Bolitho an Bord gekommen war. Teile des Riggs hingen über das beschädigte Schanzkleid. Ein Luk war plangemäß offen gelassen, und einige seiner Leute rannten in scheinbarer Verwirrung über das Deck.
Heyward stand unter der Back verborgen und dirigierte ihr Verhalten.
«Jetzt!«Bolitho winkte, und vom Hauptdeck aus spien zwei Sechspfünder ihre Herausforderung über den immer schmaler werdenden Wasserstreifen zwischen den Schiffen.
Vom Heck her tönte der scharfe Knall einer Drehbasse. Wahrscheinlich fiel die Kartätsche harmlos ins Meer, bevor sie die Flanke des Feindes treffen konnte.
Die Antwort erfolgte sofort. Die ganzeBreitseite der Bonaven-ture entlang schickte Geschütz um Geschütz krachend seine Kugeln in den Rumpf der Royal Anne. Bolitho war froh, die meisten seiner Männer unter Deck geschickt zu haben. In diesem mörderischen Beschuß wären schon jetzt zu viele niedergemäht worden. Holzstücke und Planken flogen nach allen Richtungen, und er sah, wie ein Seemann mit wild zuckenden Beinen wie ein blutiger Fetzen zur Seite geschleudert wurde.
Stockdale blickte Bolitho an und sah ihn nicken. Mit einem Grunzen raste er, ein Entermesser schwenkend, über das Deck.
Bolitho zog seine Pistole und schrie ihm nach. Als Stockdale weiterrannte, drückte er ab. Er dankte Gott, daß seine Hand ruhig gezielt hatte und der Schuß dicht über den Kopf des Bootsführers pfiff. Stockdale erreichte sein Ziel und durchtrennte mit einigen Hieben die Fallen. Die große Kompaniefahne taumelte wie ein helles Seidentuch auf die Luvreling nieder.
In einer Pause des Kanonendonners scholl, unwirklich und verstärkt durch ein Sprachrohr, eine Stimme über das Wasser.
«Drehen Sie bei, oder ich versenke Sie!»
Bolitho hörte, wie am Vorschiff Heyward seine Leute aufforderte, dem Anruf zu gehorchen, dann das plötzliche Aufseufzen der Planken, als das Schiff wie betrunken in den Wind schwankte. Die übriggebliebenen Segel knatterten und schlugen.
«Er macht klar zum Entern«, sagte Tyrell.
Die Rahen der Bonaventure waren jetzt von Männern besetzt, und als der mächtige Schiffsrumpf vorsichtig, dann nachdrücklicher längsseits glitt, sah Bolitho, wie von vielen Stellen aus gleichzeitig die Enterhaken flogen. Die Leute auf den Rahen machten eilig ihre Leinen an den Wanten und Spieren der Royal Anne fest, und nun, da beide Schiffe aneinander gefesselt schwankten und rollten, war für Bolitho der Augenblick des Handelns gekommen.
«Jetzt, Entermannschaft vorwärts!»
Mit einem Chorus von Gebrüll und Schreien stürzten die Seeleute aus beiden Luken hervor und sprangen auf das Schanzkleid. Bevor die Feinde erkannten, was geschah, waren schon mehrere von ihnen unter den Beilen und Entermessern der Angreifer gefallen. Einen Augenblick, wenige Sekunden zuvor noch, hatten sie die Royal Anne für eine hilflose Prise gehalten, für ein Schiff, das sich ergeben hatte und dessen Flagge von einem eigenen Matrosen heruntergehackt worden war. Dann, wie aus dem Nichts, brach der brüllende Haufen fremder Seeleute hervor und sprang mit blitzenden Klingen und heiseren Stimmen, toll vor Kampfeswut, über das Schanzkleid.
Bolitho rannte zur Reling und riß an der Abzugsleine einer Drehbasse. Er sah, wie die Kartätsche durch einen Knäuel von Feinden mähte und sie mit einem mörderischen Hagel zur Seite fegte.
Dann griff er mit der zweiten Gruppe seiner Leute an, zog sich an den Wanten hoch und hieb zugleich mit seinem Degen in einen Arm, der einen Enterhaken hielt. Geschrei und Flüche, das Knallen der Pistolen, stählernes Klirren. Er war wie betäubt von diesem Getöse. Hinter ihm glitt ein Mann ab und wurde wie ein gemartertes Tier zwischen den Schiffen zerquetscht, die ihre Flanken aneinanderrieben. Sein Blut lief hellrot in die aufstiebenden Fahnen des Gischtes.
Jetzt stand er auf dem feindlichen Deck. Sein Arm zitterte, als er die Parade eines Mannes zur Seite schlug, ihm den Degenkorb gegen den Kiefer schmetterte und ihn in den Haufen kämpfender Leute zurückwarf. Ein anderer sprang ihn mit gezücktem Entermesser an, rutschte auf einem Blutflecken aus und wurde von Stockdales Klinge im Genick getroffen. Es klang, wie wenn eine Axt in einen Holzpflock getrieben wird.
«Zerhackt ihm das Rigg, Männer!«schrie Bolitho wild.»Macht den Hund zum Krüppel!»
Er fühlte eine Kugel heiß an seinem Gesicht vorbeifahren und duckte sich, als ein anderes Geschoß in die Brust des Seemannes neben ihm klatschte. Sein Todesschrei ging unter im tobenden Kampfeslärm.
Nun hatte er eine Leiter erreicht. Seine Schuhe waren schlüpfrig vom Blut, seine Finger tasteten sich an einem Geländer hinauf, dessen Holz von einem Geschoß zersplittert war.
Zwei Offiziere parierten die Beil- und Säbelhiebe und versuchten, ihren hart bedrängten Leuten zu Hilfe zu kommen. Bolitho sah, wie einer von ihnen seinen Degen in einen Bootsmannsmaat stieß, sah, wie sich dessen Augen im Todesschmerz verdrehten, bevor er auf das untere Deck hinunterstürzte.
Im nächsten Augenblick war Bolitho oben und stand dem Ersten Offizier des Kaperschiffes gegenüber. Mit Hieb und Parade tasteten sie die Stärken und Schwächen des Gegners ab.
«Fahr zum Teufel!«Der Feind duckte sich und stach nach Bolithos Kehle.
«Ergib dich, solange du noch lebst, du verrückter Hund!»
Bolitho wehrte die Klinge mit seinem Degenkorb ab und hebelte den Mann aus seinem Stand. Deutlich spürte er die Wärme seines Körpers, sein heftiges Atmen.
«Verdammt, ergib dich«, schrie Bolitho zurück.
Ein Pistolenschuß krachte. Der Offizier ließ seinen Arm s inken und starrte verblüfft auf den Strom hellroten Blutes, der stoßweise durch sein Hemd quoll.
Im Vorbeispringen feuerte Tyrell dem Feind eine zweite Pistolenkugel in die Brust.
«Ich kenne den Lump, Käptn, war vor dem Krieg ein verdammter Sklavenhändler!»
Einen Augenblick später sank er stöhnend auf ein Knie nieder. Blut strömte aus seiner Hüfte. Bolitho zog ihn zur Seite, schlug gleichzeitig einen brüllenden Seemann nieder und stieß ihm seine Klinge durch die Brust.
«Ruhig Blut, Leute!»
Er starrte verzweifelt auf die nächsten seiner Leute. Viel Tauwerk des Riggs war durchhauen, doch letzten Endes hatte der Angriff nur wenig Eindruck gemacht. Und überall wichen seine Männer zurück. Ihr wilder Mut zum Kämpfen und Siegen nahm mit der schrumpfenden Mannschaftsstärke ab.
Von überall her, so schien es, feuerten Pistolen und Musketen in die zurückgehenden englischen Seeleute. Heyward stand breitbeinig vor einem Verwundeten, brüllte wie ein wildes Tier und schlug zwei Angreifer gleichzeitig zurück.