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Balthasar tat, wie ihm geheißen, indem Prosper Alpanus sich hinter ihn stellte und mit beiden Händen Kreise um ihn beschrieb.

Wenige Sekunden hatte es gedauert, als ein bläulicher Duft aus dem Spiegel wallte. Candida, die holde Candida erschien in ihrer lieblichen Gestalt mit aller Fülle des Lebens! Aber neben ihr, dicht neben ihr saß der abscheuliche Zinnober und drückte ihr die Hände, küßte sie — Und Candida hielt den Unhold mit einem Arm umschlungen und liebkoste ihn! — Balthasar wollte laut aufschreien, aber Prosper Alpanus faßte ihn bei beiden Schultern hart an, und der Schrei erstickte in der Brust. "Ruhig," sprach Prosper leise, "ruhig Balthasar! — Nehmen Sie dies Rohr und führen Sie Streiche gegen den Kleinen, doch ohne sich von der Stelle zu rühren." Balthasar tat es und gewahrte zu seiner Lust, wie der Kleine sich krümmte, umstülpte, sich auf der Erde wälzte! — In der Wut sprang er vorwärts, da zerrann das Bild in Dunst und Nebel, und Prosper Alpanus riß den tollen Balthasar mit Gewalt zurück, laut rufend: "Halten Sie ein! — zerschlagen Sie den magischen Spiegel, so sind wir alle verloren! — Wir wollen in das Helle zurück." — Die Freunde verließen auf des Doktors Geheiß den Saal und traten in ein anstoßendes helles Zimmer.

"Dem Himmel," rief Fabian, tief Atem schöpfend, "dem Himmel sei gedankt, daß wir aus dem verwünschten Saal heraus sind. Die schwüle Luft hat mir beinahe das Herz abgedrückt, und dann die albernen Taschenspielereien dazu, die mir in tiefer Seele zuwider sind." -

Balthasar wollte antworten, als Prosper Alpanus eintrat. "Es ist," sprach er, "es ist nunmehr gewiß, daß der mißgestaltete Zinnober weder ein Wurzelmann noch ein Erdgeist ist, sondern ein gewöhnlicher Mensch. Aber es ist eine geheime zauberische Macht im Spiele, die zu erkennen mir bis jetzt noch nicht gelungen, und ebendeshalb kann ich auch noch nicht helfen. — Besuchen Sie mich bald wieder, Balthasar, wir wollen dann sehen, was weiter zu beginnen. Auf Wiedersehn!" — "Also," sprach Fabian, dicht an den Doktor hinantretend, "also ein Zauberer sind Sie, Herr Doktor, und können mit all Ihrer Zauberkunst nicht einmal dem kleinen erbärmlichen Zinnober zu Leibe? — Wissen Sie wohl, daß ich Sie mitsamt Ihren bunten Bildern, Püppchen, magischen Spiegeln, mit all Ihrem fratzenhaften Kram für einen rechten ausgemachten Charlatan halte? — Der Balthasar, der ist verliebt und macht Verse, dem können Sie allerlei Zeug einreden, aber bei mir kommen Sie schlecht an! — Ich bin ein aufgeklärter Mensch und statuiere durchaus keine Wunder!"

"Halten Sie," erwiderte Prosper Alpanus, indem er stärker und herzlicher lachte, als man es ihm nach seinem ganzen Wesen wohl zutrauen konnte, "halten Sie das, wie Sie wollen. Aber — bin ich gleich nicht eben ein Zauberer, so gebiete ich doch über hübsche Kunststückchen." "Aus Wieglebs 'Magie' wohl oder sonst!" — rief Fabian. "Nun da finden Sie an unserm Professor Mosch Terpin Ihren Meister und dürfen sich mit ihm nicht vergleichen, denn der ehrliche Mann zeigt uns immer, daß alles natürlich zugeht und umgibt sich gar nicht mit solcher geheimnisvoller Wirtschaft, als Sie, mein Herr Doktor. — Nun, ich empfehle mich Ihnen gehorsamst!"

"Ei," sprach der Doktor, "sie werden doch nicht so im Zorn von mir scheiden?"

Und damit strich er dem Fabian an beiden Armen einige Mal leise herab von der Schulter bis zum Handgelenk, daß diesem ganz besonders zumute wurde und er beklommen rief: "Was machen Sie denn, Herr Doktor!" — "Gehen Sie, meine Herrn," sprach der Doktor, "Sie, Herr Balthasar, hoffe ich recht bald wiederzusehen. — Bald wird die Hülfe gefunden sein!"

"Er bekommt doch kein Trinkgeld, mein Freund," rief Fabian im Herausgehen dem goldgelben Portier zu und faßte ihm nach dem Jabot. Der Portier sagte aber wieder nichts als "Quirrr" und biß abermals den Fabian in den Finger.

"Bestie!" rief Fabian und rannte von dannen.

Die beiden Frösche ermangelten nicht, die beiden Freunde höflich zu geleiten bis ans Gattertor, das sich mit einem dumpfen Donner öffnete und schloß. — "Ich weiß," sprach Balthasar, als er auf der Landstraße hinter dem Fabian herwandelte, "ich weiß gar nicht, Bruder, was du heute für einen seltsamen Rock angezogen hast mit solch entsetzlich langen Schößen und solch kurzen Ärmeln."

Fabian gewahrte zu seinem Erstaunen, daß sein kurzes Röckchen hinterwärts bis zur Erde herabgewachsen, daß dagegen die sonst über die Gnüge langen Ärmel hinaufgeschrumpft waren bis an den Ellbogen.

"Tausend Donner, was ist das!" rief er und zog und zupfte an den Ärmeln und rückte die Schultern. Das schien auch zu helfen, aber wie sie nun durchs Stadttor gingen, so schrumpften die Ärmel herauf, so wuchsen die Rockschöße, daß alles Ziehens und Zupfens und Rückens ungeachtet die Ärmel bald hoch oben an der Schulter saßen, Fabians nackte Arme preisgebend, daß bald sich ihm eine Schleppe nachwälzte, länger und länger sich dehnend. Alle Leute standen still und lachten aus vollem Halse, die Straßenbuben rannten dutzendweise jubelnd und jauchzend über den langen Talar und rissen Fabian um, und wie er sich wieder aufraffte, fehlte kein Stückchen von der Schleppe, nein! — sie war noch länger geworden. Und immer toller und toller wurde Gelächter, Jubel und Geschrei, bis sich endlich Fabian, halb wahnsinnig, in ein offnes Haus stürzte. — Sogleich war auch die Schleppe verschwunden.

Balthasar hatte gar nicht Zeit, sich über Fabians seltsame Verzauberung viel zu verwundern; denn der Referendarius Pulcher faßte ihn, riß ihn fort in eine abgelegene Straße und sprach: "Wie ist es möglich, daß du nicht schon fort bist, daß du dich hier noch sehen lassen kannst, da der Pedell mit dem Verhaftsbefehl dich schon verfolgt." — "Was ist das, wovon sprichst du?" fragte Balthasar voll Erstaunen. "So weit," fuhr der Referendarius fort, "so weit riß dich der Wahnsinn der Eifersucht hin, daß du das Hausrecht verletztest, feindlich einbrechend in Mosch Terpins Haus, daß du den Zinnober überfielst bei seiner Braut, daß du den mißgestalteten Däumling halb tot prügeltest!" — "Ich bitte dich," schrie Balthasar, "den ganzen Tag war ich ja nicht in Kerepes, schändliche Lügen." — "O still, still," fiel ihm Pulcher ins Wort, "Fabians toller unsinniger Einfall, ein Schleppkleid anzuziehen, rettet dich. Niemand achtet jetzt deiner! — Entziehe dich nur der schimpflichen Verhaftung, das übrige wollen wir denn schon ausfechten. Du darfst nicht mehr in deine Wohnung! — Gib mir die Schlüssel, ich schicke dir alles nach. — Fort nach Hoch-Jakobsheim!"

Und damit riß der Referendarius den Balthasar fort durch entlegene Gassen, durchs Tor hin nach dem Dorfe Hoch-Jakobsheim, wo der berühmte Gelehrte Ptolomäus Philadelphus sein merkwürdiges Buch über die unbekannte Völkerschaft der Studenten schrieb.

SECHSTES KAPITEL

Wie der Geheime Spezialrat Zinnober in seinem Garten frisiert wurde und im Grase ein Taubad nahm. — Der Orden des grüngefleckten Tigers. — Glücklicher Einfall eines Theaterschneiders. — Wie das Fräulein von Rosenschön sich mit Kaffee begoß und Prosper Alpanus ihr seine Freundschaft versicherte

Der Professor Mosch Terpin schwamm in lauter Wonne. "Konnte," sprach er zu sich selbst, "konnte mir denn etwas Glücklicheres begegnen, als daß der vortreffliche Geheime Spezialrat in mein Haus kam als Studiosus? — Er heiratet meine Tochter — er wird mein Schwiegersohn, durch ihn erlange ich die Gunst des vortrefflichen Fürsten Barsanuph und steige nach auf der Leiter, die mein herrliches Zinnoberchen hinaufklimmt. — Wahr ist es, daß es mir oft selbst unbegreiflich vorkommt, wie das Mädchen, die Candida, so ganz und gar vernarrt sein kann in den Kleinen. Sonst sieht das Frauenzimmer wohl mehr auf ein hübsches Äußere, als auf besondere Geistesgaben, und schaue ich denn nun zuweilen das Spezialmännlein an, so ist es mir, als ob er nicht ganz hübsch zu nennen — sogar — bossu — still — St — St — die Wände haben Ohren — Er ist des Fürsten Liebling, wird immer höher steigen — höher hinauf und ist mein Schwiegersohn!" —