"Also," rief er in Übermaß seines Unmuts aus, "also für einen verliebten Gecken hältst du mich, Fabian! — für einen Narren, der in Mosch Terpins Vorlesungen läuft, um wenigstens eine Stunde hindurch mit der schönen Candida unter einem Dache zu sein, der in dem Walde einsam umherstreift, um auf elende Verse zu sinnen an die Geliebte und sie noch erbärmlicher aufzuschreiben, der die Bäume verdirbt, alberne Namenszüge in ihre glatten Rinden einschneidend, der in Gegenwart des Mädchens kein gescheutes Wort zu Markte bringt, sondern nur seufzt und ächzt und weinerliche Gesichter schneidet, als litt' er an Krämpfen, der verwelkte Blumen, die sie am Busen trug, oder gar den Handschuh, den sie verlor, auf der bloßen Brust trägt — kurz, der tausend kindische Torheiten begeht! — Und darum, Fabian, neckst du mich, und darum lachen mich wohl alle Burschen aus, und darum bin ich samt der innern Welt, die mir aufgegangen, vielleicht ein Gegenstand der Verspottung. — Und die holde — liebliche herrliche Candida — "
Als er diesen Namen aussprach, fuhr es ihm durchs Herz wie ein glühender Dolchstich! — Ach! — eine innere Stimme flüsterte ihm in dem Augenblick sehr vernehmlich zu, daß er ja nur eben Candidas wegen in Mosch Terpins Haus gehe, daß er Verse mache an die Geliebte, daß er ihre Namen einschneide in das Laubholz, daß er in ihrer Gegenwart verstumme, seufze, ächze, daß er verwelkte Blumen, die sie verlor, auf der Brust trage, daß er mithin ja wirklich in alle Torheiten verfalle, wie sie ihm Fabian nur vorrücken könne. — Erst jetzt fühlte er es recht, wie unaussprechlich er die schöne Candida liebe, aber auch zugleich, daß seltsam genug sich die reinste innigste Liebe im äußern Leben etwas geckenhaft gestalte, welches wohl der tiefen Ironie zuzurechnen, die die Natur in alles menschliche Treiben gelegt. Er mochte recht haben, ganz unrecht war es indessen, daß er sich darüber sehr zu ärgern begann. Träume, die ihn sonst umfingen, waren verloren, die Stimmen des Waldes klangen ihm wie Hohn und Spott, er rannte zurück nach Kerepes.
"Herr Balthasar — mon cher Balthasar" — rief es ihn an. Er schlug den Blick auf und blieb festgezaubert stehen, denn ihm entgegen kam der Professor Mosch Terpin, der seine Tochter Candida am Arme führte. Candida begrüßte den zur Bildsäule Erstarrten mit der heitern freundlichen Unbefangenheit, die ihr eigen. "Balthasar, mon cher Balthasar," rief der Professor, "Sie sind in der Tat der fleißigste, mir der liebste von meinen Zuhörern! — O mein Bester, ich merk' es Ihnen an, Sie lieben die Natur mit all ihren Wundern, wie ich, der ich einen wahren Narren daran gefressen! — Gewiß wieder botanisiert in unserm Wäldchen! — Was Ersprießliches gefunden? — Nun! — lassen Sie uns nähere Bekanntschaft machen. — Besuchen Sie mich — jederzeit willkommen — Können zusammen experimentieren — Haben Sie schon meine Luftpumpe gesehen? — Nun! — mon cher — morgen abend versammelt sich ein freundschaftlicher Zirkel in meinem Hause, welcher Tee mit Butterbrot konsumieren und sich in angenehmen Gesprächen erlustigen wird, vermehren Sie ihn durch Ihre werte Person — Sie werden einen sehr anziehenden jungen Mann kennen lernen, der mir ganz besonders empfohlen — Bon soir, mon cher — Guten Abend, Vortrefflicher — a revoir — Auf Wiedersehen! — Sie kommen doch morgen in die Vorlesung? — Nun — mon cher, Adieu!" — Ohne Balthasars Antwort abzuwarten, schritt der Professor Mosch Terpin mit seiner Tochter von dannen.
Balthasar hatte in seiner Bestürzung nicht gewagt, die Augen aufzuschlagen, aber Candidas Blicke brannten hinein in seine Brust, er fühlte den Hauch ihres Atems, und süße Schauer durchbebten sein innerstes Wesen.