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«Wie geht es deinem Vater?«erkundigte sie sich, während ich mich durch ein Sandwich aus Roggenknäckebrot und rohen Tomatenscheiben knabberte.

«Hat immer noch Schmerzen.«

«Ich hätte doch gedacht, daß man dagegen etwas tun kann.«

«Nun, das kann man auch, zumindest meistens. Und die zuständige Krankenschwester hat mir heute abend gesagt, daß er in ein oder zwei Tagen wieder auf dem Damm sein wird. Sie machen sich keine Sorgen mehr wegen seines Beines. Die Wunde heilt sauber ab, und das Ganze sollte sich in Kürze soweit beruhigt haben, daß es ihm bessergeht.«

«Er ist natürlich nicht mehr jung.«

«Sechsundsiebzig«, erwiderte ich zustimmend.

«Die Knochen werden eine ganze Weile brauchen, um zu verheilen.«

«Mhm.«

«Ich nehme an, du hast jemanden gefunden, der die Festung halten wird.«

«Nein«, sagte ich,»ich werde selbst bleiben.«

«Junge, Junge«, sagte sie,»hätte ich mir doch denken können.«

Ich sah sie — den Mund voller Krümel — fragend an.

«Alles, was nach einer Herausforderung riecht, liegt ganz auf deiner Linie.«

«Das hier nicht«, sagte ich echt überzeugt.

«Es wird im Stall auf wenig Begeisterung stoßen«, diagnostizierte sie,»und deinen Vater an den Rand eines Schlaganfalls treiben — und einen Riesenerfolg bringen.«

«Korrekt, was die ersten beiden Punkte betrifft, schiefgewickelt bei Nummer drei.«

Sie schüttelte mit dem Schimmer eines Lächelns den Kopf.»Nichts ist unmöglich für einen Senkrechtstarter.«

Sie wußte, daß ich diesen Ausdruck aus dem Pressejargon nicht mochte, und ich wußte, daß sie ihn gern benutzte.»Mein Lover ist ein Senkrechtstarter«, sagte sie einmal bei einer sich müde dahinschleppenden Party in ein plötzliches Schweigen hinein. Und die Männer umlagerten sie.

Sie schenkte mir ein Glas des wunderbaren 61er Chateau Lafite ein, den sie frevelhafterweise zu allem trank, angefangen bei Kaviar bis hin zu Bohnen in Tomatensauce. Als sie einzog, hatte ich den Eindruck, daß ihre Besitztümer beinahe vollständig aus Pelzmänteln und Weinkisten bestanden, die sie mit einem Schlag von ihrer Mutter beziehungsweise ihrem Vater geerbt hatte, nachdem diese bei einem Erdbeben in Marokko zusammen ums Leben gekommen waren. Sie hatte die Mäntel verkauft, weil sie fand, daß sie sie dick machten, und hatte sich nach und nach durch die kostbaren Behältnisse getrunken, nach denen Weinhändler sich händeringend verzehrten.

«Dieser Wein ist eine Investition«, hatte einer von ihnen unter offensichtlichen Qualen zu mir gesagt.

«Aber irgend jemand muß ihn doch trinken«, erwiderte Gillie vernünftig und zog den Korken aus der zweiten Flasche des 61er Cheval Blanc.

Gillie war von ihrer Großmutter her so reich, daß sie es angenehmer fand, den Superstoff zu trinken, als ihn mit Gewinn zu verkaufen und eine Vorliebe für Marke X zu entwickeln. Sie war überrascht gewesen, daß ich ihrer Meinung war, bis ich sie darauf hinwies, daß meine Wohnung voller kostbarer Stücke stand, wo doch bemalte Kiefernbretter denselben Zweck erfüllt hätten. Also legten wir mitunter unsere Füße auf einen spanischen Eßtisch aus Nußbaum, der aus dem sechzehnten Jahrhundert stammte und jeden Antiquitätenhändler schluchzend auf die Knie hätte sinken lassen, tranken ihren Wein aus Waterford-Gläsern aus dem achtzehnten Jahrhundert und lachten über uns selbst, weil die einzig ungefährliche Art und Weise, mit einem gewissen Maß an Wohlstand zu leben, eben das Lachen war.

Gillie hatte einmal gesagt:»Ich verstehe nicht, warum dieser Tisch etwas Besonderes sein soll, nur weil er schon seit den Zeiten der Armada da ist. Sieh dir doch nur diese holzwurmzerfressenen Beine an…«Sie zeigte auf vier Füße, die von Lochfraß durchsetzt, von mehreren Jahrhunderten abgeschabt und vollkommen glanzlos waren.

«Im sechzehnten Jahrhundert wurden die Steinfußböden oft mit Bier geschrubbt, weil sie dadurch weißer wurden. Bier war zwar gut für die Steine, aber doch ein wenig ungünstig für alles Holz, das regelmäßig einen Teil davon abbekam.«

«Verfaulte Beine beweisen, daß er echt ist?«

«Den Nagel auf den Kopf getroffen.«

Ich mochte diesen Tisch lieber als alles andere, was ich besaß, denn auf ihm hatte ich mein ganzes Vermögen gemacht. Sechs Monate nachdem ich Eton den Rücken gekehrt hatte, machte ich mit dem, was ich als Fußbodenkehrer bei Sotheby’s gespart hatte, ein eigenes Geschäft auf, indem ich einen Handkarren durch die Vororte blühender, ländlicher Städte schob und alles kaufte, was man mir anbot und Gewinn versprach. Den Plunder verkaufte ich an Händler für Gebrauchtmöbel weiter, die besseren Stücke an Antiquitätenhandlungen, und als ich siebzehn war, dachte ich über einen eigenen Laden nach.

Den spanischen Tisch entdeckte ich in der Werkstatt eines Mannes, von dem ich gerade eine spätviktorianische Kommode gekauft hatte. Ich betrachtete die eisenbeschlagenen, gekreuzten Rundhölzer, die unter der zehn Zentimeter dicken Platte solide, quadratische Beine verbanden, und hatte plötzlich schändliche Schmetterlinge im Bauch.

Der Mann hatte ihn als Tapeziertisch benutzt, und er war mit Farbtöpfen übersät.

«Den kauf ich auch, wenn Sie wollen«, sagte ich.

«Das ist doch nur ein alter Arbeitstisch.«

«Nun… Wieviel wollen Sie dafür?«Er betrachtete meinen Handkarren, auf den ich gerade mit seiner Hilfe die Kommode geladen hatte. Betrachtete die zwanzig Pfund, die ich ihm dafür gegeben hatte, betrachtete meine schäbigen Jeans und die Lederweste, und dann sagte er freundlich:»Nein, mein Junge, ich will dich nicht ausplündern. Und außerdem, sieh doch nur, die Beine sind unten schon ganz verfault.«

«Ich könnte mir noch mal zwanzig leisten«, sagte ich zweifelnd.»Aber das ist auch so ziemlich alles, was ich dabei habe.«

Ich mußte lange auf ihn einreden, und am Ende wollte er nur fünfzehn nehmen. Er schüttelte den Kopf über mich und sagte mir, daß ich mich besser ein wenig mehr bilden sollte, bevor ich mich ruinierte. Aber ich säuberte den Tisch, polierte die wunderschöne Nußbaumplatte und verkaufte ihn vierzehn Tage später an einen Antiquitätenhändler, den ich aus meiner Sotheby-Zeit kannte — für zweihundertsiebzig Pfund.

Nachdem meine Ersparnisse solchermaßen angeschwollen waren, eröffnete ich meinen ersten Laden, und es ging stetig bergauf. Als ich dann zwölf Jahre später alles an ein amerikanisches Syndikat verkaufte, besaß ich eine Kette von elf Läden, alle freundlich und sauber und voller Schätze.

Kurze Zeit später folgte ich einem sentimentalen Drang, spürte den spanischen Tisch auf und kaufte ihn zurück. Und ich ging auch noch einmal zu dem Bastler mit seiner Werkstatt und gab ihm zweihundert Pfund, die beinahe einen Herzanfall auslösten; also fand ich, wenn irgend jemand das Recht hatte, seine Füße auf dieses teure Brett zu legen, dann ich.

«Woher hast du die ganzen blauen Flecke?«fragte Gillie, während sie sich im Bett des Gästezimmers aufsetzte und mir beim Ausziehen zusah.

Ich blinzelte hinunter auf die malvenfarbenen Stellen an meinem Körper.

«Ein Tausendfüßler hat mich überfallen.«

Sie lachte.»Du bist ein hoffnungsloser Fall.«

«Und ich muß morgen um sieben wieder in Newmarket sein.«

«Dann hör auf, Zeit zu verschwenden. Es ist schon Mitternacht.«

Ich kletterte zu ihr ins Bett, und während wir in nackter Gemeinsamkeit zusammenlagen, kämpften wir uns durch das Times-Kreuzworträtsel.

So war es immer am besten. Wenn wir das Licht ausmachten, waren wir entspannt und ineinander verschlungen und wandten uns einander für einen Akt zu, der ein Teil unserer Beziehung war, aber nicht alles.