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Aber mit einem anderen Vater wäre ich das auch gewesen. Und wer nicht.

Ich dachte den ganzen Rückweg nach Rowley Lodge darüber nach. Väter, so schien es mir, konnten ihre jungen Pflanzen wachsen lassen, nähren oder verbiegen, aber ihre eigentliche Natur konnten sie nicht beeinflussen. Sie brachten vielleicht eine verkümmerte Eiche hervor oder ein schillerndes Unkraut, aber Eiche oder Unkraut zu sein waren angeborene Eigenschaften, die sich am Ende durchsetzen würden. Alessandro war bei solch einer gartenkundlichen Betrachtung wie eine Kreuzung zwischen Stechpalme und Tollkirsche; und wenn es nach seinem Vater ging, würden die roten Beeren den schwarzen unterliegen.

Alessandro ertrug Ettys deutlich angedeutete Verachtung mit starrem Gesicht. Nur wenige der anderen Pfleger zogen ihn bei seiner Rückkehr auf, wie sie es mit jemandem getan hätten, der zu ihnen gehörte. Die meisten schienen sich irgendwie vor ihm zu fürchten, was in meinen Augen ihren gesunden Instinkt bewies; andere, weniger empfindsame Jungen hatten sich den Abwehrmechanismus zu eigen gemacht, seine Existenz zu ignorieren.

George führte Traffic zu seiner Box, und Alessandro folgte mir ins Büro. Sein Blick glitt kurz über Margaret, die in einem adretten, marineblauen Kleid und mit so kunstvoll wie nur je aufgetürmten Locken an ihrem Schreibtisch saß, aber er sah in ihr kein Hindernis, das ihn davon abgehalten hätte, mich mit den Gedanken zu beehren, für die er auf dem Heimweg offensichtlich ebenfalls Zeit gefunden hatte.

«Sie hätten mich nicht dazu bringen dürfen, ein so schlecht ausgebildetes Pferd zu reiten«, begann er feindselig.

«Ich habe Sie nicht dazu gebracht. Sie wollten es so.«

«Miss Craig hat es mir zum Reiten gegeben, um mich zum Narren zu machen.«

Zweifellos.

«Sie hätten sich weigern können«, sagte ich.

«Hätte ich nicht.«

«Sie hätten sagen können, daß Sie mehr Übung benötigten, bevor Sie das schwierigste Pferd auf dem Hof übernehmen konnten.«

Seine Nasenflügel bebten. Ein so demütiges Geständnis wäre unter seiner Würde gewesen.

«Außerdem«, fuhr ich fort,»glaube ich persönlich nicht, daß Sie, wenn Sie Traffic reiten, besonders viel lernen können. Sie werden ihn also nicht wieder zugeteilt bekommen.«

«Aber ich bestehe darauf«, sagte er energisch.

«Sie bestehen worauf?«

«Ich bestehe darauf, daß ich Traffic wieder reite. «Er warf mir den hochmütigsten der ihm zu Gebote stehenden Blicke zu und sagte dann:»Morgen.«

«Warum?«

«Weil alle, wenn ich es nicht tue, denken werden, es läge daran, daß ich es nicht kann oder daß ich Angst davor hätte.«

«Es ist Ihnen also doch nicht egal«, sagte ich sachlich,»was die anderen von Ihnen halten.«

«O doch, das ist es«, beharrte er stur.

«Warum wollen Sie dann das Pferd reiten?«

Er preßte seine kräftigen Lippen verstockt zusammen.»Ich werde keine Fragen mehr beantworten. Ich werde morgen Traffic reiten.«

«Geht in Ordnung«, sagte ich beiläufig.»Aber ich werde ihn morgen nicht auf die Heide schicken. Er wird wohl kaum noch einen Galopp brauchen. Morgen soll er nur im Schritt über die Aschenbahn im Ring gehen, was sehr langweilig für Sie sein wird.«

Er betrachtete mich mit einem eindringlichen, argwöhnischen, abwägenden Blick und versuchte herauszufinden, ob ich ihm das Wasser abgraben wollte. Was ich auch tat, wenn man den Versuch, eine große Geste ihres Sinnes zu berauben, in diesem Licht sehen wollte.

«Na schön«, meinte er widerwillig.»Ich werde ihn morgen im Ring reiten.«

Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Büro. Margaret sah ihm mit gemischten Gefühlen nach, die ich nicht zu deuten vermochte.

«Mr. Griffon würde niemals zulassen, daß jemand so mit ihm spricht«, sagte sie.

«Mr. Griffon muß es auch nicht.«

«Ich kann verstehen, warum Etty ihn unerträglich findet«, sagte sie.»Er ist unverschämt. Es gibt kein anderes Wort dafür. Unverschämt. «Sie reichte mir drei geöffnete Briefe über den Schreibtisch.»Die sollten Sie sich einmal ansehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. «Sie kam noch einmal auf Alessandro zurück:»Aber wie dem auch sei, er sieht gut aus.«

«Tut er nicht«, protestierte ich sachte.»Ich finde ihn ausgesprochen häßlich.«

Sie lächelte kurz.»Er strotzt nur so vor Sex-Appeal.«

Ich legte die Briefe auf den Tisch.»Seien Sie nicht albern. Er hat soviel Sex-Appeal wie ein Beutel rostiger Nägel.«

«Sie können das nicht beurteilen«, bemerkte sie klug.»Sie sind ein Mann.«

Ich schüttelte den Kopf.»Er ist erst achtzehn.«

«Alter hat damit nichts zu tun«, sagte sie.»Entweder man hat’s, oder man hat es nicht, von Anfang an. Und er hat’s.«

Ich schenkte ihren Worten keine große Aufmerksamkeit — Margaret selbst hatte so wenig Sex-Appeal, daß ich ihr kein verläßliches Urteil zutraute. Nachdem ich die Briefe gelesen und ihr zugestimmt hatte, daß wir sie beantworten sollten, ging ich in die Küche, um mir Kaffee zu holen.

Dort lagen noch die Überbleibsel der nächtlichen Arbeit verstreut: die angetrockneten Reste von Brandy, kalter Milch und Kaffee sowie Unmengen bekritzelter Papierschnipsel. Ich hatte fast die ganze Nacht gebraucht, um die Nennungen zu machen; eine Nacht, die ich weit lieber damit zugebracht hätte, warm in Gillies Bett zu liegen.

Die Nennungen waren schwierig gewesen, nicht nur, weil ich dergleichen noch nie zuvor gemacht hatte und die Konditionen für jedes Rennen mehrmals durchlesen mußte, um sicherzugehen, daß ich sie auch verstand, sondern auch wegen Alessandro. Ich mußte einen Mittelweg finden zwischen dem, was ich ohne ihn getan hätte, und dem, was ich würde tun müssen, um ihn reiten lassen zu können, wenn er in drei Monaten noch da war.

Ich nahm die Drohungen seines Vaters ernst. Mitunter dachte ich, es sei töricht, das zu tun; aber die Entführung vor einer Woche war kein dummer Streich gewesen, und bevor ich nicht sicher wußte, welche Hebel Enzo in Bewegung setzen würde, war es klüger, mit seinem Sohn auszukommen. Ich hatte noch immer fast einen Monat Zeit, bevor die Flachsaison begann, noch fast einen Monat, um einen Ausweg zu finden. Aber für den Fall des Falles hatte ich einige der besseren Pferde für Lehrlingsrennen eingetragen, und ich hatte die Nennungen in vielen offenen Rennen verdoppelt, denn wenn ich zwei Pferde dort laufen ließ, würde eins für Alessandro da sein. Außerdem nannte ich eine ganze Reihe Pferde für die unbedeutenderen Veranstaltungen, vor allem für die im Norden; denn ob es ihm paßte oder nicht, Alessandro würde seine Karriere nicht im vollen Rampenlicht beginnen. Nachdem ich so weit gekommen war, durchstöberte ich das Büro, bis ich die Bücher fand, in die der alte Robinson die Nennungen aller vergangenen Jahre eingetragen hatte, und verglich meine provisorische Liste mit dem, was mein Vater gemacht hatte. Als ich dann etwa zwanzig Namen abgezogen hatte, weil ich zu freizügig gewesen war, und die Dinge ein wenig hin und her geschoben hatte, glich ich die Gesamtsumme der Nennungen für diese Woche in etwa der des Vorjahres an, nur daß ich immer noch ein paar mehr im Norden hatte. Ich schrieb die endgültige Liste auf das offizielle gelbe Formular, in Blockbuchstaben, wie gefordert, und überprüfte das Ganze noch einmal, um sicherzugehen, daß ich keine Zweijährigen in Handikaps und keine Stuten in reinen Hengstrennen genannt oder einen ähnlich verräterischen Fauxpas begangen hatte.

Als ich das ausgefüllte Formular Margaret gab, damit sie es eintrug und dann auf die Post gab, war alles, was sie sagte:»Das ist nicht die Handschrift Ihres Vaters.«

«Nein«, sagte ich.»Er hat die Nennungen diktiert. Ich habe sie aufgeschrieben.«

Sie nickte unverbindlich, und ob sie mir glaubte oder nicht, konnte ich nicht sagen.

Alessandro zeigte sich am nächsten Tag beim ersten Lot auf Pullitzer als geschickter Reiter und hielt sich strikt für sich. Nach dem Frühstück kehrte er mit steinernem Gesicht zurück, das sich jeden Kommentar verbat, und als das Hauptlot auf die Heide gegangen war, ließ er sich auf Traffic werfen. Vom Tor aus sah ich noch, wie der aufsässige Hengst wie gewöhnlich mit Schatten kämpfte, und bemerkte ferner, daß die beiden anderen Pfleger, denen befohlen worden war, hierzubleiben und ihre Schützlinge herumzuführen, sich geflissentlich von ihm fernhielten.