«Weil man, wenn man eine Taube fangen will, beide Hände frei haben muß.«
«Man könnte sie auch mit einem Täuberich anlocken und den Spatz in der Hand behalten.«
«Du denkst aber wirklich an alles«, sagte ich bewundernd.
«Oh, ich gebe mir Mühe. Ich gebe mir Mühe.«
Wir fuhren hinauf in das Restaurant oben im Postturm und legten während des Dinners dreieinhalb Umdrehungen zurück.
«Heute stand in der Times, daß eine Papierfirma, die du letzten Herbst beraten hast, pleite gemacht habe«, bemerkte sie.
«Nun ja. «Ich grinste.»Sie haben meinen Rat nicht befolgt.«
«Wie dumm von ihnen. Und worin bestand der?«
«Neunzig Prozent des Managements rauszuwerfen, ein paar neue Buchhalter einzustellen und Frieden mit den Gewerkschaften zu schließen.«
«So einfach, wirklich. «Ihre Mundwinkel zuckten.
«Sie haben natürlich gesagt, sie könnten das nicht machen.«
«Und was hast du gesagt?«
«So wisset denn, der Untergang ist nahe.«
«Wie biblisch.«
«Oder jedenfalls etwas in der Art.«
«Denk nur an all die armen Leute, die jetzt keine Arbeit mehr haben«, sagte sie.»Es kann nicht besonders lustig sein, wenn eine Firma pleite geht.«
«Die Firma hatte immer Leute in falschen Größenverhältnissen eingestellt. Letzten Herbst kamen nur noch zwei Beschäftigte in der Produktion auf jeweils einen im Büro, einen in der Geschäftsleitung und einen in der Wartung. Außerdem hatten die Gewerkschaften ihr Veto gegen die Automatisierung eingelegt und darauf bestanden, daß jedesmal wenn ein Arbeiter entlassen wurde, ein anderer für ihn eingestellt werden mußte.«
Sie biß nachdenklich in ihren Pastetentoast.»Hort sich nicht so an, als wären sie überhaupt zu retten gewesen.«
«O doch«, sagte ich nach kurzer Überlegung,»aber ich habe oft den Eindruck, daß die Leute einer Firma lieber das ganze Schiff sinken sehen, als die Hälfte der Crew hinauszuwerfen und sich selbst über Wasser zu halten.«
«Fairer für alle Beteiligten, wenn sie zusammen untergehen?«
«Nur die Firma geht unter. Die Leute schwimmen davon und sorgen dafür, daß sie anderswo ein Floß überlasten.«
Sie leckte sich die Finger.»Früher hast du marode Firmen faszinierend gefunden.«
«Das tue ich immer noch«, sagte ich überrascht.
Sie schüttelte den Kopf.»Das Gespenst der Ernüchterung hat sich eingeschlichen, schon seit geraumer Zeit.«
Ich blickte zurück und dachte nach.»Es ist für gewöhnlich ziemlich einfach, festzustellen, wo der Fehler liegt. Aber wenn man die Dinge in Ordnung bringen will, trifft man oft auf eine Mauer von Widerstand auf beiden Seiten. Es gibt immer Dutzende von Gründen, warum eine Veränderung unmöglich ist.«
«Russell Arletti hat mich gestern angerufen«, sagte sie beiläufig.
«Ach wirklich?«
Sie nickte.»Er wollte, daß ich dich überrede, Newmarket zu verlassen und einen Fall für ihn zu übernehmen. Einen großen, sagte er.«
«Ich kann nicht«, erwiderte ich bestimmt.
«Er führt mich Dienstag abend zum Dinner aus, um, wie er es ausdrückt, zu überlegen, wie wir dich von deinen Hottehüs abbringen können.«
«Sag ihm, er kann sich die Kosten für ein Essen sparen.«
«Hm, nein. «Sie zog die Nase kraus.»Ich könnte bis Dienstag möglicherweise wieder Hunger kriegen. Ich werde mit ihm ausgehen. Ich mag ihn. Aber ich glaube, ich werde den Abend damit verbringen, ihn auf das Schlimmste vorzubereiten.«
«Und was ist das Schlimmste?«
«Daß du überhaupt nie mehr für ihn arbeiten wirst.«
«Gillie.«
«Es war nur eine Phase«, sagte sie und blickte aus dem Fenster auf das Funkeln von Millionen Lichtern, die langsam unter uns dahinglitten.»Du hattest gerade deinen Antiquitätenkram zu. Geld gemacht und nagtest nicht direkt am Hungertuch, als Russell dich mit einer interessanten Abwechslung köderte. Aber du bist der Sache in letzter Zeit überdrüssig geworden. Du warst ruhelos und so voller… ich weiß nicht… so voller Power. Ich glaube, wenn du genug mit den Hottehüs gespielt hast, wirst du zu einem großen Coup ausholen und ein neues Imperium gründen… Viel größer als das letzte.«
«Noch etwas Wein?«erkundigte ich mich ironisch.
«Spotte nur, Neil Griffon — du hast deinen Onassis-Instinkt einrosten lassen.«
«Was nicht das Schlechteste ist.«
«Du könntest Jobs für Tausende von Menschen schaffen, statt in Reithosen durch eine Kleinstadt zu zockeln.«
«In diesem Stall stehen sechs Millionen Pfund«, sagte ich langsam und spürte, wie es manchmal vorkam, wie der Keim einer Idee meine Nerven elektrisierte.
«Woran denkst du?«wollte sie wissen.»Woran denkst du in diesem Augenblick?«
«Wie Ideen entstehen.«
Sie stieß einen Seufzer aus, der halb ein Lachen war.»Und das ist genau der Grund, warum du mich auch niemals heiraten wirst.«
«Wie meinst du das?«
«Du magst das Times-Kreuzworträtsel lieber als Sex.«
«Nicht lieber«, sagte ich.»Davor.«
«Möchtest du, daß ich dich heirate?«
Sie küßte unter der Decke meine Schulter.
«Würdest du’s tun?«
«Ich dachte, du hättest die Nase voll von der Ehe. «Ich ließ meinen Mund über ihre Stirn wandern.»Ich dachte, Jeremy hätte dir das für den Rest deines Lebens ausgetrieben.«
«Er war nicht wie du.«
Er war nicht wie du… Das sagte sie oft. Jedesmal, wenn der Name ihres Mannes fiel. Er war nicht wie du.
Das erste Mal, als sie es sagte — drei Monate, nachdem ich sie kennengelernt hatte —, stellte ich die naheliegende Frage.
«Wie war er denn?«
«Blond, nicht dunkelhaarig. Gertenschlank, nicht stämmig. Ein bißchen größer, einsachtundachtzig. Äußerlich lustiger, innerlich unendlich viel langweiliger. Er wollte weniger eine Frau als ein applaudierendes Publikum… Und ich wurde des Stückes müde. «Sie hielt inne.»Und als dann Jennifer starb.«
Sie hatte noch nie zuvor über ihren Exmann gesprochen, und den Gedanken an ihre Tochter hatte sie immer ängstlich gemieden. Mit bedachtsam emotionsloser, leiser Stimme fuhr sie fort, halb abgedämpft durch meine Haut.
«Jennifer wurde vor meinen Augen getötet. von einem jungen Motorradfahrer in Lederjacke. Wir überquerten die Straße. Er kam um die Ecke gedonnert, mit hundert Sachen in einem Wohnviertel. Er ist einfach… in sie hineingerast…«Eine lange, bebende Pause.»Sie war acht… und einfach toll. «Sie schluckte.»Der Junge hatte keine Versicherung. Jeremy hat getobt deswegen, als wäre Geld eine Entschädigung gewesen… Zudem brauchten wir es nicht, er hatte fast genausoviel geerbt wie ich. «Noch eine Pause.»Nun ja, als er danach eine andere fand und sich davonmachte, war ich froh, wirklich.«
Zwar hatte die Zeit die Wunde einigermaßen geheilt, doch träumte sie immer noch von Jennifer. Manchmal weinte sie, wenn sie aufwachte, weinte um Jennifer.
Ich strich ihr mit der Hand über ihr glänzendes Haar.»Ich würde einen lausigen Ehemann abgeben.«
«Oh…«Sie holte zitternd Luft.»Das weiß ich. Zweieinhalb Jahre kenne ich dich jetzt, und du schneist jedes Jahrtausend oder so kurz rein, um hallo zu sagen.«
«Aber ich bin eine ganze Weile geblieben.«
«Zugegeben.«
«Was willst du also?«fragte ich.»Möchtest du lieber verheiratet sein?«
Sie lächelte zufrieden.»Wir machen weiter wie zuvor… Wenn du magst.«
«Ich mag. «Ich knipste das Licht aus.
«Solange du ab und zu mal beweist, daß du mich magst«, fügte sie überflüssigerweise hinzu.
«Ich würde niemand anderem erlauben«, sagte ich,»in meinem Schlafzimmer Gardinen in Pink und Grün vor ockerfarbene Wände zu hängen.«»Mein Schlafzimmer. Ich hab’s gemietet.«
«Du bist im Rückstand. Um mindestens achtzehn Monate.«