«Ich werde morgen bezahlen. He, was machst du da?«
«Ich bin Geschäftsmann«, murmelte ich.»Und komme jetzt zur Sache.«
Neville Knollys Griffon machte es mir nicht leicht, eine neue Ära in der Vater-Sohn-Beziehung einzuläuten.
Er erklärte mir, daß er, da ich keine großen Fortschritte bei der Suche nach einem Ersatzmann für den Stall zu machen schien, nun selbst die Sache in die Hand nehme. Per Telefon.
Er sagte, er habe einige Nennungen für die nächsten zwei Wochen gemacht und Margaret solle sie abtippen und wegschicken.
Er sagte, daß Pease Pudding aus dem Lincoln herausgenommen werden solle.
Er sagte, daß ich ihm die vierundsechziger Flaschen von dem Bollinger gebracht hätte, er ziehe aber die einundsechziger vor.
«Es geht dir also wieder besser«, sagte ich in die erste wirkliche Lücke seines Monologs hinein.
«Was? O ja, ich denke schon. Also, hast du gehört, was ich gesagt habe? Pease Pudding wird nicht im Lincoln starten.«
«Aber warum denn nicht?«
Er warf mir einen gereizten Blick zu.»Wie um alles in der Welt soll er denn bis dahin fit sein?«
«Etty hat ein gutes Urteil. Sie sagt, er sei soweit.«
«Ich werde nicht zulassen, daß Rowley Lodge sich lächerlich macht, indem es Pferde in hoffnungslos schlechter Form in wichtigen Rennen laufen läßt.«
«Wenn Pease Pudding schlecht läuft, werden die Leute das als Beweis dafür nehmen, was für ein guter Trainer du bist und daß es ohne dich eben doch nicht geht.«
«Darum geht es nicht«, sagte er despotisch.
Ich öffnete eine der halben Flaschen und goß die goldenen Bläschen in sein Lieblingsglas aus der Zeit Jakobs des Ersten, das ich zu diesem Zweck mitgebracht hatte. Champagner aus einem Zahnputzglas hätte ihm nicht richtig geschmeckt. Er nahm einen Schluck und fand den Vierundsechziger wohl doch erträglich, obwohl er das nicht sagte.
«Worum es geht«, erklärte er mir, als spräche er mit einem Schwachsinnigen,»sind die Deckgelder. Wenn er schlecht läuft, wird sich das auf seinen zukünftigen Wert als Zuchthengst niederschlagen.«
«Ja, das verstehe ich.«
«Tu nicht so, das kannst du nicht. Du hast keine Ahnung von der Sache.«
Ich setzte mich auf den Besucherstuhl, lehnte mich zurück, schlug die Beine übereinander und legte in meine Stimme all das Gewicht und die kalte Logik, die ich zwar bei Geschäftsbesprechungen zu nutzen gelernt hatte, die bei meinem Vater anzuwenden mir bisher jedoch nie eingefallen war.
«Rowley Lodge steuert auf einige finanzielle Klippen zu«, sagte ich,»und der Grund dafür ist zuviel Prestigedenken. Du hast Angst, Pease Pudding im Lincoln laufen zu lassen, weil du einen halben Anteil an ihm besitzt, und wenn er schlecht läuft, geht es nicht nur um Lady Vectors Kapitalanlage, sondern auch um deine eigene.«
Er verschüttete ein wenig Champagner auf seine Decke und bemerkte es nicht einmal.
Ich ließ mich nicht aufhalten:»Ich weiß, daß es ziemlich normal für einen Trainer ist, Anteile an Pferden zu besitzen, die er trainiert. Auf Rowley Lodge gehören dir im Augenblick jedoch weit mehr Anteile als gut ist. Ich nehme an, du hast so viele davon angesammelt, weil du es nicht ertragen konntest zuzusehen, wie Konkurrenzställe das einkauften, was du für die nächste Generation großer Champions hieltest, so daß du wahrscheinlich zu deinen Besitzern Dinge gesagt hast wie: >Wenn Archangel bei der Auktion für vierzigtausend weggeht und das zuviel für Sie ist, kann ich mich mit zwanzigtausend beteiligend Auf diese Weise hast du eines der größten Lots im Land zusammenbekommen, und der potentielle Zuchtwert deines Stalls ist gewaltig.«
Er sah mich ausdruckslos an und vergaß weiterzutrinken.
«Das ist ja ganz schön und gut«, sagte ich,»solange die Pferde wirklich wie erwartet siegen. Und das tun sie auch, Jahr um Jahr. Du hast diese Politik über eine lange Zeit hinweg sehr moderat betrieben und bist auf diese Weise beständig reicher geworden. Aber jetzt, in diesem Jahr, hast du dich übernommen. Du hast zu viele gekauft. Da alle Anteilseigner auch nur einen Teil der Trainingsgebühren bezahlen, decken die Einnahmen nicht mehr die Ausgaben. Nicht im geringsten. Das Ergebnis ist, daß das Barguthaben auf der Bank dahinschwindet wie Badewasser — und es sind immer noch drei Wochen bis zum ersten Rennen —, und es gibt keine Möglichkeit, die erfolglosen Tiere zur Zucht weiterzuverkaufen. Diese prekäre Situation wird noch kompliziert durch dein gebrochenes Bein und den Umstand, daß dein Assistent immer noch in einem Koma liegt, aus dem er wahrscheinlich nicht mehr erwachen wird, und daß ferner dein Stall in den Händen eines Sohnes zu stagnieren scheint, der nicht weiß, wie man Pferde trainiert; und all das ist der Grund, warum du eine Heidenangst hast, Pease Pudding im Lincoln laufen zu lassen.«
Ich hielt inne, um auf seine Reaktion zu warten. Es kam keine. Nur schockiertes Schweigen.
«Im großen und ganzen kannst du aufhören, dir Sorgen zu machen«, sagte ich und wußte, daß die Dinge zwischen uns nie wieder sein würden, wie sie gewesen waren. Vierunddreißig, dachte ich kläglich; mußte ich vierunddreißig werden, bevor ich diese Arena als Gleichgestellter betreten konnte?» Ich könnte deinen halben Anteil an Pease Pudding vor dem Rennen verkaufen.«
Langsam begannen sich unsichtbare Räder hinter seinen Augen zu drehen. Er blinzelte. Starrte auf seinen fast aus dem Glas laufenden Champagner und korrigierte diese Nachlässigkeit. Verkniff den Mund; ein Anklang an seinen alten Despotismus.
«Woher… woher weißt du das alles?«In seiner Stimme lag mehr Ärger als Angst.
«Ich habe mir die Rechnungsbücher angesehen.«
«Nein… ich meine, wer hat es dir erzählt?«
«Das brauchte mir niemand zu erzählen. In den letzten sechs Jahren war es mein Job, Geschäftsbücher zu lesen und Zahlen zusammenzurechnen.«
Er erholte sich immerhin so weit, daß er einige wohlüberlegte Schlucke nehmen konnte.
«Zumindest verstehst du jetzt, warum es zwingend ist, daß ein erfahrener Trainer den Stall übernimmt, bis ich wieder auf den Beinen bin.«
«Das ist nicht nötig«, sagte ich unbedacht.»Ich bin jetzt seit drei Wochen da.«
«Und glaubst du, daß man in drei Wochen lernt, wie man Rennpferde trainiert?«fragte er mit neu entfachter Verachtung.
«Da du schon fragst«, sagte ich,»ja. «Und bevor er dunkelrot anlaufen konnte, fügte ich hinzu:»Ich bin da hineingeboren, wie du dich vielleicht erinnerst… Ich bin dort aufgewachsen. Und sehr zu meiner Überraschung stelle ich fest, daß es mir zur zweiten Natur geworden ist.«
Diese Bemerkung betrachtete er eher als Drohung denn als Beruhigung.»Du wirst nicht bleiben, wenn ich zurückkomme.«»Nein. «Ich lächelte.»Ganz bestimmt nicht.«
Er knurrte. Zögerte. Gab nach. Er sagte mit keinem Wort, daß ich weitermachen durfte, er ignorierte von da an einfach das ganze Thema.
«Ich will meine Hälfte von Pease Pudding nicht verkaufen.«
«Dann mach eine Liste von denen, die du zu verkaufen bereit bist«, sagte ich.»Sagen wir zehn für den Anfang.«
«Und was glaubst du, wer sie kaufen wird? Neue Besitzer wachsen nicht auf Bäumen, weißt du. Und halbe Anteile sind schwerer zu verkaufen. Besitzer sehen gerne ihren Namen in den Rennprogrammen und in der Zeitung.«
«Ich kenne eine Menge Geschäftsleute«, sagte ich,»die sich freuen würden, ein Rennpferd zu besitzen, die aber jede Publicity scheuen. Du suchst zehn Pferde aus, und ich verkaufe deine halben Anteile.«
Er sagte nicht, daß er es tun würde, aber er tat es, gleich an Ort und Stelle. Ich ließ meinen Blick über die fertige Liste gleiten und sah nur einen Fall, in dem ich anderer Meinung war.
«Du solltest Lancat nicht verkaufen«, sagte ich.
Er stellte die Nackenhaare auf.»Ich weiß, was ich tue.«
«Er wird als Dreijähriger ziemlich gut sein«, sagte ich.»Den Rennberichten habe ich entnommen, daß er mit zwei nicht gerade umwerfend war, und wenn du ihn jetzt verkaufst, wirst du nicht reinholen, was du bezahlt hast. Er sieht sehr gut aus, und ich glaube, er wird ganz schön was gewinnen.«