«Blödsinn. Du weißt nicht, wovon du sprichst.«
«Na schön… Wieviel würdest du für deine Hälfte haben wollen?«
Er schürzte die Lippen und dachte darüber nach.»Viertausend. Du solltest eigentlich in der Lage sein, vier für ihn zu bekommen, bei seiner Abstammung. Als Jährling hat er insgesamt zwölf gekostet.«»Du solltest besser deine Preisvorstellungen für alle Tiere notieren«, sagte ich.»Wenn es dir nichts ausmacht.«
Es machte ihm nichts aus. Ich faltete die Liste zusammen, steckte sie in die Tasche, griff nach den Nennungsformularen, die er ausgefüllt hatte, und wollte aufbrechen. Er hielt mir sein Champagnerglas hin, leer.
«Trink was davon… Ich schaffe die Flasche nicht ganz.«
Ich nahm das Glas, schenkte nach und trank einen Schluck. Die Bläschen sprudelten um meine Zähne. Er sah zu. Sein Gesichtsausdruck war so streng wie immer, aber er nickte, zweimal und mit Nachdruck. Keine so symbolische Geste wie eine Friedenspfeife, aber auf ihre Art eine genauso große Anerkennung.
Am Montagmorgen, während sie munter auf der Schreibmaschine herumklapperte, sagte Margaret:»Die Mama von Susies Freundin sagt, sie hätte rein zufällig Alessandros Paß gesehen.«
«Der rein zufällig«, erwiderte ich trocken,»gut versteckt in Alessandros Zimmer lag.«
«Wir wollen ja dem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen.«
«Wollen wir nicht«, pflichtete ich ihr bei.
«Die Mama von Susies Freundin sagt, die Adresse im Paß liege nicht in Italien, sondern in der Schweiz. Einem Dorf namens Castagnola. Hilft Ihnen das weiter?«
«Ich hoffe, die Mama von Susies Freundin wird nicht ihren Job verlieren.«
«Wohl kaum«, sagte Margaret.»Sie hüpft zum Direktor ins Bett, wenn seine Frau nach Cambridge zum Einkaufen fährt.«
«Woher wissen Sie das?«
Ihre Augen lachten.»Von Susies Freundin.«
Ich telefonierte mit einem Kameraimporteur, der mir einen Gefallen schuldete, und fragte ihn, ob er irgendwelche Kontakte mit Castagnola habe.
«Nicht persönlich. Aber ich könnte einen Kontakt herstellen, wenn es wichtig ist.«
«Ich möchte alle Informationen über einen Mann namens Enzo Rivera, die man dort nur irgendwie ausgraben kann. So viele Informationen wie möglich.«
Er schrieb sich den Namen auf und buchstabierte ihn noch einmal.»Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte er.
Zwei Tage später rief er an und klang ziemlich gedämpft.
«Ich werde Ihnen eine astronomische Rechnung für Ferngespräche mit dem Kontinent schicken.«
«Geht klar.«
«Eine gewaltige Menge von Leuten wollte nicht über Ihren Mann reden. Ich bin auf ein ungewöhnlich großes Maß an Widerstand gestoßen.«
«Er gehört also zur Mafia?«fragte ich.
«Wie man’s nimmt. Um genau zu sein, sind er und andere Mafiosi sich nicht grün. Sprechen nicht miteinander — höchstens mit Messern und Pistolen. Aber es scheint eine Art Waffenstillstand zwischen ihnen zu herrschen. «Er hielt inne.
«Nur weiter«, ermunterte ich ihn.
«Tja… Wenn ich die Sache richtig verstanden habe — und das würde ich nicht beschwören —, ist er eine Art Empfänger von gestohlenem Eigentum. Das meiste davon in Form von Devisen, aber es ist auch die Rede von Gold und Silber und von kostbaren Steinen aus zusammengeschmolzenen Schmuckstücken. Ich habe gehört — diese Information kommt aus dritter Hand von einem hohen Tier bei der Polizei, also können Sie es glauben oder nicht —, daß Rivera das Zeug nimmt, verkauft oder tauscht, eine große Provision kassiert und den Rest auf Schweizer Konten einzahlt, die er für seine Klienten eröffnet. Diese Leute können ihr Geld holen, wann immer sie wollen… und man nimmt an, daß er beinahe weltweite Beziehungen hat. Das Ganze tarnt er mit scheinbar legalen Geschäften als Uhrenhändler. Es ist bisher nie gelungen, ihn vor Gericht zu bringen. Man kann einfach keine Zeugen finden, die gegen ihn aussagen.«
«Sie sind ein Genie«, sagte ich.
«Da wäre noch etwas. «Er räusperte sich.»Er hat, wie es scheint, einen Sohn, dem sich niemand freiwillig in den Weg stellt. Rivera ist bekannt dafür, daß er alle Leute ruiniert, die nicht auf der Stelle tun, was der Sohn will. Er hat nur dieses eine Kind. Man sagt, er habe seine Frau verlassen… Na ja, das tun viele Italiener.«
«Er ist also Italiener?«
«Von Geburt, ja. Er lebt jetzt allerdings seit fünfzehn Jahren in der Schweiz. Also, ich weiß ja nicht, ob Sie vorhaben, Geschäfte mit ihm zu machen, aber mehrere Leute haben mich unmißverständlich davor gewarnt, mich mit ihm einzulassen. Sie sagen, er sei gefährlich. Sie sagen, wenn man sich mit ihm anlegt, wache man eines Morgens tot auf. Entweder das oder… tja, ich weiß, Sie werden darüber lachen… aber es gibt eine Art Aberglauben, daß er einen nur anzusehen braucht, und man bricht sich einen Knochen.«
Ich lachte nicht. Nicht einen Gluckser.
Fast sofort nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, klingelte das Telefon wieder.
Dainsee.
«Ich habe Ihre Röntgenbilder vor mir liegen«, sagte er.»Aber sie sind wenig aufschlußreich, fürchte ich. Es sieht nach einer ziemlich normalen Fraktur aus. Wir haben da ein gewisses Maß an Längssplitterung, aber das ist beim Röhrbein ziemlich häufig so.«
«Was wäre die einfachste Art, wenn man einen Knochen absichtlich brechen will?«fragte ich.
«Man müßte ihn verdrehen«, erwiderte er prompt.»Ihn unter Spannung setzen. Ein Knochen unter Spannung würde ziemlich leicht brechen, wenn man ihm einen Schlag versetzt. Fragen Sie mal einen Fußballer oder einen Eisläufer. Spannung, das ist der springende Punkt.«
«Aber Spannung kann man auf den Röntgenbildern nicht sehen.«
«Ich fürchte nicht. Man kann’s allerdings nicht ausklammern. Einklammern aber auch nicht. Tut mir leid.«
«Kann man nichts machen.«
«Aber die Blutprobe«, sagte er.»Ich habe die Ergebnisse bekommen, und da haben Sie ins Schwarze getroffen.«
«Narkosemittel?«
«Jawohl. Irgendeine Sorte Promazin. Sparin wahrscheinlich.«
«Das macht mich nicht klüger«, sagte ich.»Wie würde man es einem Pferd verabreichen?«
«Injektion«, antwortete Dainsee, ohne zu zögern.»Eine sehr einfache intramuskuläre Injektion, nichts Schwieriges. Man stößt die Nadel einfach irgendwo rein, wo’s bequem ist. Dieses Mittel wird oft tobsüchtigen Patienten in Nervenkliniken gespritzt, wenn sie einen Anfall haben. Setzt sie für Stunden außer Gefecht.«
Irgend etwas am Wort Promazin klang höchst vertraut in meinen Ohren.
«Wirkt das Zeug sofort?«fragte ich.
«Wenn man es intravenös verabreicht, ja. Aber intramuskulär — und dafür ist es eigentlich gedacht — würde es wahrscheinlich einige Minuten dauern, zehn bis fünfzehn bei einem Menschen; weiß nicht, wie lange bei einem Pferd.«
«Wenn man es einem Menschen injiziert, könnte man das auch durch die Kleider hindurch tun?«
«Na klar. Wie ich schon sagte. Es wird in Nervenkliniken als Notbremse benutzt. Man kann einen Tobsüchtigen nicht dazu bewegen, sich schön ruhig hinzusetzen und den Ärmel aufzurollen.«
9
Drei Wochen lang blieb der Status auf Rowley Lodge so ziemlich quo.
Ich strich schwer in den Nennungsformularen meines Vaters herum und schickte sie dann ein; außerdem verkaufte ich sechs der halben Anteile an verschiedene Bekannte, ohne Lancat auch nur einem von ihnen anzubieten.
Margaret gewöhnte sich grünen Lidschatten an, und Susies Freundin berichtete, daß Alessandro ein Telefongespräch mit der Schweiz geführt hatte und keinen Pyjama trug. Auch daß der Chauffeur immer für alles bezahlte, weil Alessandro selbst kein Geld hatte.