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«Alessandro?«fragte ich.

Er zögerte.»Ich… ich habe am Anfang an Boden verloren, weil mir nicht klar war… ich habe nicht erwartet, daß sie so schnell sein würden. Als ich ihn forderte, ist Lancat einfach nach vorn geschossen… Und ich hätte ihn am Ende auch näher bei Archangel halten können, nur daß er ein wenig müde zu werden schien, und Sie sagten…«Er hielt inne, und seine Stimme schwebte sozusagen im Raum.

«Gut«, sagte ich.»Das haben Sie richtig gemacht. «Ich hatte nicht erwartet, daß er so ehrlich sein würde. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft hatte er eine objektive Selbsteinschätzung von sich gegeben, aber mein schwaches und sogar leicht herablassendes Lob reichte aus, um das Hohngrinsen wieder zurückzubringen. Etty sah ihn mit unkontrollierter Abneigung an, was Alessandro jedoch nicht im mindesten störte.

«Ich muß Sie wohl kaum daran erinnern«, sagte ich zu ihnen allen, wobei ich die zur Schau gestellten Gefühle ignorierte,»daß Sie die Ereignisse dieses Nachmittags für sich behalten sollen. Tommy, Sie können im Lincoln auf Pease Pudding zählen und im Guineas auf Archangel, und wenn Sie jetzt mit mir ins Büro kommen, werden wir Ihre anderen Ritte für die nächsten Wochen durchgehen.«

Alessandros Grinsen wurde säuerlich, und der Blick, den er Tommy zuwarf, war reinster Rivera. Und unverhohlen gefährlich: mörderisch. Der Anschein, daß wir ihn auch nur ein wenig gezähmt hatten, erwies sich plötzlich als so trügerisch wie Treibsand im Sonnenlicht. Ich erinnerte mich an die unmißverständliche Botschaft von Enzos auf meine Brust gerichtete Pistole; daß nämlich, wenn ein Mord wünschenswert schien, er ganz beiläufig ausgeführt werden würde. Ich hatte Tommy Hoylake in Gefahr gebracht, und ich würde ihn da wieder rausholen müssen.

Ich schickte die anderen voraus und sagte Alessandro, er solle einen Augenblick bleiben. Als die anderen außer Hörweite waren, stellte ich fest:»Sie werden akzeptieren müssen, daß Tommy Hoylake als erster Jockey des Stalls reitet.«

Ich bekam eine geballte Ladung Rivera-Blick, finster, durchdringend und voller böser Absichten. Ich konnte den Haß beinahe spüren, der in heißen Wellen aus ihm heraus in die kühle Märzluft strömte.

«Wenn sich Tommy Hoylake ein Bein bricht«, sagte ich klar und deutlich,»werde ich Ihnen auch eins brechen.«

Das erschütterte ihn, obwohl er versuchte, es nicht zu zeigen.

«Außerdem wäre es sinnlos, Tommy Hoylake außer Gefecht zu setzen, da ich dann jemand anders engagieren würde. Nicht Sie. Ist das klar?«

Er gab mir keine Antwort.

«Wenn Sie ein Spitzenjockey werden wollen, müssen Sie das aus eigener Kraft schaffen. Sie müssen gut genug sein. Sie müssen Ihre Schlachten selbst schlagen. Es kommt nichts dabei heraus, wenn Sie glauben, Ihr Vater würde jeden ausschalten, der Ihnen im Weg steht. Wenn Sie gut genug sind, wird Ihnen niemand im Weg stehen, und wenn nicht, wird Ihnen kein noch so weitgehendes Ausschalten anderer Menschen zum Erfolg verhelfen.«

Immer noch kein Laut. Aber Zorn, ja. Nur allzu deutlich zu Tage tretender Zorn.

Mit ernster Stimme fuhr ich fort:»Wenn Tommy Hoylake zu Schaden kommt, in welcher Weise auch immer, werde ich dafür sorgen, daß Sie nie wieder ein Rennen reiten. Gleichgültig, welche Konsequenzen das für mich selbst hat.«

Er löste den finsteren Blick von meinem Gesicht und ließ ihn über die weite, windige Heide gleiten.

«Ich bin gewohnt…«:, begann er arrogant und hielt dann inne.

«Ich weiß, was Sie gewohnt sind«, sagte ich.»Sie sind gewohnt, auf Kosten anderer Ihren Willen zu bekommen. Ihren Willen, erkauft mit Elend, Schmerz und Furcht. Nun… Sie hätten sich auf etwas versteifen sollen, das man mit Geld bezahlen kann. Weder Mord noch Zerstörung, gleichgültig, in welchem Ausmaß, werden Ihnen Können erkaufen.«

«Alles, was ich wollte, war, Archangel im Derby zu reiten«, erklärte er.

«Einfach so? Einfach aus einer Laune heraus?«

Er drehte sich zu Lancat um und raffte die Zügel zusammen.

«So hat es angefangen«, sagte er undeutlich und ging in Richtung Newmarket davon.

Am folgenden Morgen und an allen anderen Tagen danach kam er zum Stall und ritt die ihm zugewiesenen Pferde. Das Gerücht, daß der Probegalopp stattgefunden habe, machte die Runde, und es kam mir zu Ohren, daß man meinte, ich hätte den Zeitpunkt des Champion-Hürdenrennens gewählt, um die schlechte Form von Pease Pudding diskret verborgen zu halten. Die Eventualquoten gingen in die Höhe, und ich setzte bei einem Kurs von zwanzig zu eins hundert Pfund auf ihn.

Mein Vater wedelte wütend mit der Sporting Life und bestand darauf, daß ich das Pferd vom Rennen zurückzog.

«Setz lieber ein bißchen was auf ihn«, sagte ich.»Ich hab’s auch getan.«

«Du weißt nicht, wovon du sprichst.«

«Doch, das weiß ich.«

«Hier steht. «Er stotterte richtiggehend, so sehr frustrierte es ihn, daß er nicht in der Lage war, aus dem Bett zu springen und mir einen Strich durch die Rechnung zu machen.»Hier steht, es sei ja zu erwarten gewesen, daß der Probegalopp unbefriedigend ausgehen würde. Ohne mich als Trainer.«

«Hab’ ich gelesen«, gab ich zu.»Das ist aber nur eine Vermutung. Er war nicht unbefriedigend, wenn du es wissen willst. Er war sehr vielversprechend.«

«Du bist verrückt«, sagte er laut.»Du ruinierst den Stall. Das werde ich nicht zulassen. Ich lasse es nicht zu, hörst du?«

Er funkelte mich wütend an. Ein heißer, bernsteinfarbener Blick, kein kalter schwarzer. Mal eine Abwechslung.

«Ich schicke Tommy Hoylake zu dir«, sagte ich.»Dann kannst du ihn ja fragen, was er davon hält.«

Drei Tage vor Beginn der Rennsaison kam ich um halb drei ins Büro, um festzustellen, ob Margaret meine Unterschriften unter irgendwelchen Briefen brauchte, bevor sie ihre Kinder von der Schule abholte, und zu meiner Überraschung fand ich Alessandro bei ihr. Er saß auf der Kante ihres Schreibtischs, trug einen marineblauen Trainingsanzug und schwere weiße Laufschuhe, und sein schwarzes Haar hatte sich von der Feuchtigkeit seines Schweißes zu Locken zusammengekraust.

Sie sah ihn mit offensichtlicher Erregung an, und ihr Gesicht war leicht gerötet, als hätte man all ihre Sinne in Brand gesetzt.

Sie sah mich eher als er, da er mit dem Rücken zur Tür saß. Verwirrt wandte sie den Blick von ihm ab, und er drehte sich um, um festzustellen, wer sie gestört hatte.

Auf seinem dünnen, bläßlichen Gesicht lag ein Lächeln. Ein echtes Lächeln, warm und unkompliziert, das die Haut um seine Augen in Falten legte und die Oberlippe anhob, um eine Reihe gesunder Zähne zu entblößen. Zwei Sekunden lang sah ich einen Alessandro, von dem ich nicht geahnt hätte, daß es ihn gab, dann ging das Licht in ihm aus, und die Gesichtsmuskeln ordneten sich nach und nach wieder zu den vertrauten Linien von Wachsamkeit und Verdruß.

Er ließ seinen mageren Körper zu Boden gleiten und wischte sich mit dem Daumen einen Teil des Schweißes weg, der auf seiner Stirn stand und ihm von den Schläfen über die Wangen tröpfelte.

«Ich will wissen, welche Pferde ich diese Woche in Doncaster reiten werde«, sagte er.»Jetzt, da die Saison beginnt, können Sie mir Pferde für die Rennen geben.«

Margaret sah ihn verwundert an, denn er klang ganz so, als sei er der Boß. Ich antwortete ihm auf eine Weise und in einem Tonfall, die sorgsam sowohl Entschuldigung als auch Aggressivität umschifften.

«Wir haben nur eine Nennung in Doncaster, und zwar Pease Pudding im Lincoln am Samstag, und Tommy Hoylake wird ihn reiten«, sagte ich.»Und der Grund, warum wir nur eine Nennung haben«, fuhr ich fort, als ich seinen Zorn über das bemerkte, was er als Manöver zur Vereitelung seiner Pläne betrachtete,»ist, daß mein Vater in der Woche, in der diese Nennungen hätten gemacht werden müssen, einen Autounfall hatte, so daß die Formulare nicht eingereicht wurden.«