Ich stellte den Lärm ab. Als Etty den Hof verließ, ging das Gerät sofort wieder los. Ein Hurra auf den stellvertretenden Verkaufsleiter, dachte ich und schlief ein, den Kopf auf besagtem Kissen.
Nichts.
Um sechs Uhr erhob ich mich mit steifen Gliedern, rollte das Kabel auf, sammelte die Ausrüstung zusammen und verstaute sie in einem Schrank im Besitzerzimmer; und als der erste Pfleger gähnend im Hof erschien, machte ich mich unverzüglich auf den Weg zur Kaffeekanne.
Dienstag nacht wieder nichts.
Mittwoch erwähnte Margaret, daß Susies Freundin zwei Telefongespräche mit der Schweiz vermeldet habe, einen Anruf von Alessandro in die Schweiz und einen für den Chauffeur aus der Schweiz.
Etty, die jetzt, da es bis zum Lincoln nur noch drei Tage waren, nervöser war als je, fauchte die Pfleger an, und Alessandro blieb nach der zweiten Arbeit zurück, um mich zu fragen, ob ich es mir noch einmal überlegt habe und ihn an Stelle von Tommy Hoylake auf Pease Pudding setzen würde.
Wir waren draußen auf dem Hof, überall um uns herum herrschte das übliche Spätvormittagstreiben. Alessandro sah angespannt und hohläugig aus.
«Sie wissen doch, daß ich das nicht kann«, sagte ich vernünftig.
«Mein Vater sagt, ich soll Ihnen ausrichten, daß Sie es einrichten müssen.«
Ich schüttelte langsam den Kopf.»Schon um Ihrer selbst willen nicht. Wenn Sie ihn ritten, würden Sie sich zum Narren machen. Ist es das, was Ihr Vater will?«
«Er sagt, ich muß darauf bestehen. «Er war unerbittlich.
«In Ordnung«, sagte ich.»Sie haben darauf bestanden. Aber Tommy Hoylake wird reiten.«
«Aber Sie müssen tun, was mein Vater sagt«, protestierte er.
Ich lächelte ihn schwach an, antwortete aber nicht, und er schien nicht zu wissen, was er nun sagen sollte.
«Nächste Woche allerdings«, sagte ich sachlich,»können Sie Buckram bei einem Rennen in Aintree reiten. Ich habe ihn dort eigens für Sie genannt. Das letzte Jahr hat er gleich das erste Rennen gewonnen, also müßte er auch diesmal wieder eine gute Chance haben.«
Er sah mich einfach nur an; blinzelte nicht einmal. Falls es etwas zu verraten gab, so verriet er es jedenfalls nicht.
Um drei Uhr am Donnerstagmorgen ging der Summer los, eine Handbreit von meinem Trommelfell entfernt und mit ungeheurem Getöse, so daß ich beinahe vom Sofa fiel. Ich stellte den Lärm ab, stand auf und warf durch das Fenster des Besitzerzimmers einen Blick hinaus auf den Hof.
Draußen bewegte sich ein einzelnes kleines Licht, sehr schwach und auf den Boden gerichtet, geschwind durch die mondlose Nacht. Dann fuhr es, noch während ich zusah, herum, verweilte auf einigen Boxen in Stallgasse vier und heftete sich unerbittlich auf die, in der Buckram untergebracht war.
Hinterhältiger kleiner Bastard, dachte ich. Herauszufinden, welches Pferd er töten konnte, ohne daß der Besitzer großes
Wehgeschrei anstimmte; ein unversichertes Pferd, mit dessen Tod er Rowley Lodge nur um so härter da treffen konnte, wo es finanziell am verwundbarsten war.
Ihm zu sagen, daß Buckram ein Rennen für ihn gewinnen konnte, hatte ihn nicht aufgehalten. Hinterhältiger, herzloser kleiner Bastard…
Ich schlüpfte durch die absichtlich einen Spaltbreit offengelassenen Türen und ging den Hof hinunter. Ich bewegte mich sehr leise auf meinen Gummisohlen. Hörte, wie die Bolzen schnell zurückgezogen wurden und die Türen in ihren Angeln quietschten, und steuerte mit Absichten, die alles andere als menschenfreundlich waren, auf das kleine, zuckende Licht zu.
Keine Zeit zu verschwenden. Ich ließ meine Hand auf den Schalter fahren und überflutete Buckrams Box mit hundert Watt starkem Licht.
Mit einem einzigen Blick erfaßte ich die Spritze, die einen Augenblick lang unentschlossen in der behandschuhten Hand schwebte, und den Knüppel, der direkt hinter der Tür auf dem Stroh lag.
Es war nicht Alessandro. Zu schwer. Zu groß. Die Gestalt, die sich entschlossen mir zuwandte, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, war eins der Gummigesichter.
Mit seinem Gummigesicht.
10
Diesmal verschwendete ich meinen kostbaren Vorteil nicht. Ich sprang direkt auf ihn zu und hieb mit aller Kraft auf das Gelenk der Hand, die die Spritze hielt.
Ein direkter Schlag. Die Hand flog nach hinten, die Finger öffneten sich, und die Spritze wirbelte durch die Luft.
Ich trat ihn gegen das Schienbein und boxte ihm in den Magen, und als sein Kopf wieder nach vorn kam, packte ich zu und schleuderte ihn mit lautem Krachen gegen die Wand.
Buckram schlug Krach und stampfte ungehindert durch die Box, da Gummigesicht nicht versucht hatte, ihm das Halfter anzulegen. Als Gummigesicht mit wirbelnden Fäusten auf mich zu stürzte, griff ich nach seinen Kleidern und warf ihn gegen Buckram, der mit den Zähnen nach ihm schnappte.
Ein gedämpftes Geräusch kam durch den Gummi, aber ich lehnte es ab, dies als Friedensgesuch anzusehen. Nachdem er sich von dem Pferd befreit hatte, kam er wieder auf mich zu, die Schultern hochgezogen, den Kopf gesenkt, die Arme nach vorn gestreckt. Ich marschierte ihm direkt entgegen, ignorierte einen heftigen Hieb in meine Rippen, legte meinen Arm fest um seinen Hals und ließ seinen Kopf gegen die nächste Wand krachen. Die Beine wurden zu Gummi, passend zum Gesicht, und die Lider schlossen sich bleich über den Augenhöhlen. Ich stieß ihn mit einem weiteren kleinen Rums nochmals gegen die Wand, um alle möglicherweise noch verbliebenen Zweifel auszulöschen, und trat einen Schritt zurück. Er lag kläglich in der Ecke zwischen Fußboden und Wand, und eine Hand zuckte langsam vor und zurück über das Stroh.
Ich band Buckram fest, der durch irgendein Wunder nicht durch die unverriegelte Tür ins Freie gestürmt und die ganze
Nachbarschaft alarmiert hatte, und als ich vom Anbindering zurücktrat, hätte ich meinen Fuß um ein Haar direkt auf die am Boden liegende Spritze gesetzt. Sie lag unter der Krippe im Stroh und hatte die Rauferei unbeschadet überstanden.
Ich hob sie auf, warf sie wie eine Münze in die Luft und befand, daß man ein Geschenk der Götter nicht ungenutzt lassen durfte. Also rollte ich den Ärmel von Gummigesichts schwarzem Pullover auf, stieß die Nadel fest in seinen Arm und ließ ihm die Hälfte des Inhalts zukommen. Besonnenheit, nicht Mitleid war es, was mich davon abhielt, ihm die ganze Ladung zu verpassen. Möglicherweise war das, was die Spritze enthielt, ein Flachleger für ein Pferd, aber das endgültige Aus für einen Menschen, und ein Mord würde mir nicht weiterhelfen.
Ich zog Gummigesichts Gummigesicht runter. Darunter war Carlo. Überraschung, Überraschung.
Meine Kriegsbeute belief sich nun auf eine Gummimaske, eine halbleere Spritze und einen Knochenbrecherknüppel. Nach einer kurzen Gedenkpause wischte ich meine Fingerabdrücke von der Spritze, zog Carlo die Handschuhe aus und verteilte seine Fingerabdrücke überall auf dem Glas; von beiden Händen. Eine ähnlich großzügige Portion der gleichen Behandlung wurde dem Knüppel zuteil. Dann brachte ich die beiden belastenden Gegenstände ins Haus und versteckte sie vorübergehend in einem Lackkästchen, unter einem Schonbezug, in einem der zehn unbenutzten Schlafzimmer.
Auf meinem Weg nach unten hatte ich den Eindruck, durchs Treppenhausfenster eine große bleiche Kontur in der Einfahrt neben dem Tor zu sehen. Ich ging hinüber, um mich zu versichern. Kein Irrtum; der Mercedes.
Als ich wieder in Buckrams Box stand, stellte ich fest, daß Carlo friedlich schlief, total k. o. Ich fühlte seinen Puls, der langsam, aber regelmäßig ging, und sah auf meine Armbanduhr. Noch nicht mal halb vier. Unglaublich.