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Carlo zum Wagen zu tragen schien mir zuviel verlangt, also holte ich den Wagen zu Carlo. Der Motor startete mit einem Klicken und einem Schnurren und machte auf dem Hof nicht einmal genug Lärm, um die Pferde zu stören. Also ließ ich den Motor laufen, öffnete beide Hintertüren und bugsierte Carlo rückwärts hinein. Ich hatte die Absicht gehabt, ihm die Höflichkeit des Rücksitzes zukommen zu lassen, da er dasselbe auch für mich getan hatte, aber er fiel schlaff auf den Boden. Ich knickte seine Knie ein, klappte ihn zusammen und schloß vorsichtig die Türen hinter ihm.

Soweit ich das sagen konnte, blieb unsere Ankunft im Forbury Inn unbemerkt. Ich parkte den Mercedes neben den anderen Wagen vor der Haustür, stellte Motor und Standlicht ab und ging leise von dannen.

Nachdem ich die knappe Meile bis nach Hause zurückgelegt, die Gummimaske aus Buckrams Box geholt, ihm das Halfter abgenommen, das elektronische Auge zerlegt und im Schrank verstaut hatte, war es zu spät, um sich noch die Mühe zu machen, ins Bett zu gehen. Ich schlief eine Stunde oder länger auf dem Sofa und wachte schließlich todmüde und ohne einen Funken Energie für den ersten Tag der Rennen auf.

Alessandro kam zu spät, zu Fuß und beunruhigt.

Ich beobachtete zuerst durch das Fenster im Büro und dann durch das im Besucherzimmer, wie er den Hof hinunterging. Einen Augenblick lang drückte er sich unentschlossen an Stallgasse vier herum, und nachdem seine Neugier offensichtlich die Vorsicht besiegt hatte, schob er sich im Krebsgang zu Buckrams Box hinüber. Er entriegelte die obere Hälfte der Tür, blickte hinein und schob den Riegel wieder vor. Da ich unfähig war, aus dieser Entfernung seine Reaktion zu beurteilen, ging ich aus dem Haus, so daß er mich sehen mußte, nahm scheinbar jedoch keine Notiz von ihm.

Er entfernte sich fix aus Stallgasse vier und tat so, als suche er in Stallgasse drei nach Etty, aber schließlich gewann seine Unsicherheit die Oberhand, und er drehte sich um, um mir entgegenzugehen.

«Wissen Sie, wo Carlo ist?«fragte er ohne Einleitung.

«Wo würden Sie ihn denn erwarten?«sagte ich.

Er blinzelte.»In seinem Zimmer… Ich klopfe an seine Tür, wenn ich fertig bin… Aber er war nicht da. Haben Sie… Haben Sie ihn gesehen?«

«Heute morgen um vier«, sagte ich beiläufig,»lag er hinten in Ihrem Wagen und hat fest geschlafen. Ich nehme an, er ist immer noch dort.«

Er wandte den Kopf ab, als hätte ich ihn geschlagen.

«Er ist also gekommen«, sagte er und klang hoffnungslos.

«Er ist gekommen«, stimmte ich ihm zu.

«Aber Sie haben ihn nicht… Ich meine… getötet?«

«Ich bin nicht Ihr Vater«, sagte ich ätzend.»Carlo hat eine Injektion von irgendeinem Zeug bekommen, das für Buckram bestimmt war.«

Er schob das Kinn zurück, und in seinen Augen stand ein Zorn, der ausnahmsweise einmal nicht ausschließlich mir galt.

«Ich habe ihm verboten herzukommen«, sagte er wütend.»Ich habe es ihm verboten.«

«Weil Buckram nächste Woche für Sie ein Rennen gewinnen könnte?«

«Ja… nein… Sie verwirren mich.«

«Aber er hat Ihr Verbot ignoriert«, meinte ich,»und Ihrem Vater gehorcht?«

«Ich habe ihm gesagt, er soll nicht herkommen«, wiederholte er.

«Er würde es nicht wagen, sich Ihrem Vater zu widersetzen«, erwiderte ich trocken.

«Niemand widersetzt sich meinem Vater«, stellte er automatisch fest und sah mich dann verwundert an.»Bis auf Sie«, sagte er.

«Bei Ihrem Vater«, erklärte ich ihm,»ist es der beste Trick, sich ihm auf einem Gebiet zu widersetzen, auf dem Vergeltungsmaßnahmen zunehmend weniger rentabel sind, und dieses Gebiet dann bei jeder Gelegenheit zu vergrößern.«

«Ich verstehe nicht.«

«Ich werde es Ihnen auf dem Weg nach Doncaster erklären«, sagte ich.

«Ich komme nicht mit Ihnen«, sagte er steif.»Carlo wird mich in meinem eigenen Wagen hinbringen.«

«Dazu ist er nicht in der Verfassung. Wenn Sie zu den Rennen gehen wollen, denke ich, werden Sie entweder selbst fahren oder mit mir kommen müssen.«

Er bedachte mich mit einem wütenden Blick und gab nicht zu, daß er nicht fahren konnte. Aber er konnte auch nicht dem Reiz der Rennen widerstehen, und genau damit hatte ich gerechnet.

«Na schön, ich komme mit Ihnen.«

Nachdem wir mit dem ersten Lot vom Rennbahngelände zurückgekehrt waren, sagte ich ihm, er solle sich im Büro mit Margaret unterhalten, während ich mir rennbahntaugliche Kleidung anzog, und dann fuhr ich ihn ins Forbury Inn, damit er dasselbe tat.

Er sprang aus dem Jensen, noch beinahe bevor dieser stehengeblieben war, und riß eine der Hintertüren des Mercedes auf. Im Wagen saß eine in sich zusammengesunkene Gestalt auf dem Rücksitz. Carlo schien zumindest teilweise wach zu sein, wenn auch noch nicht hundertprozentig empfänglich für den Sturzbach italienischer Schimpfwörter, der über ihn hereinbrach.

Ich tippte Alessandro auf den Rücken und sagte, als er für einen Augenblick aufhörte zu fluchen:»Wenn er sich auch nur halbwegs so fühlt wie ich nach einer ähnlichen Behandlung, wird er nicht besonders zugänglich sein. Warum tun Sie nicht etwas Konstruktives, wie zum Beispiel sich fürs Rennen umzuziehen?«

«Ich tue, was mir gefällt«, erwiderte er grimmig, aber gleich darauf schien es, als gefalle es ihm gerade in diesem Augenblick, sich umzuziehen.

Während er im Hotel war, machte Carlo ein oder zwei Bemerkungen auf italienisch, die meine Sprachkenntnisse überstiegen. Worum es ging, war jedoch klar. Irgend etwas mit meinen Vorfahren.

Alessandro kam in dem dunklen Anzug zurück, den er an seinem ersten Tag auf Rowley Lodge getragen hatte, ein Anzug, der ihm jetzt eine ganze Kleidernummer zu groß war. Er ließ ihn noch dünner aussehen, erheblich jünger und beinahe harmlos. Ich rief mir energisch ins Gedächtnis, daß man, wenn man die Deckung herunternahm, den Gegner zu einem Aufwärtshaken einlud, und wies ihn daher mit einer ruckartigen Kopfbewegung an, in den Jensen zu steigen.

Nachdem er die Tür geschlossen hatte, sprach ich durch das geöffnete Fenster des Mercedes mit Carlo.»Können Sie verstehen, was ich sage?«fragte ich.»Hören Sie mir zu?«

Er hob mit einiger Mühe den Kopf und bedachte mich mit einem Blick, der zeigte, daß er mir zuhörte, selbst wenn er es eigentlich nicht wollte.

«Gut«, sagte ich.»Also, merken Sie sich Folgendes. Alessandro kommt mit mir zum Rennen. Bevor ich ihn zurückbringe, werde ich mit dem Stall telefonieren, um sicherzustellen, daß niemand dort irgendwelchen Schaden angerichtet hat… Daß alle Pferde gesund und munter sind. Wenn Sie irgendwie vorhatten, heute wieder nach Rowley

Lodge zu gehen, um zu beenden, was Ihnen vergangene Nacht nicht gelungen ist, vergessen Sie’s. Denn wenn Sie dort irgendwelchen Schaden anrichten, werden Sie Alessandro heute abend nicht zurückbekommen… Heute abend nicht, und noch viele Abende nicht… Und ich kann mir nicht vorstellen, daß Enzo Rivera darüber sehr erfreut sein würde.«

Er sah mich so wütend an, wie sein trauriger Zustand es zuließ.

«Haben Sie verstanden?«fragte ich.

«Ja. «Er schloß die Augen und stöhnte. Mit verwerflicher Zufriedenheit überließ ich ihn sich selbst.

«Was haben Sie zu Carlo gesagt?«wollte Alessandro wissen, als ich ihn die Einfahrt hinunterkutschierte.

«Ich habe ihm geraten, den Tag im Bett zu verbringen.«

«Ich glaube Ihnen nicht.«

«Jedenfalls etwas in der Art.«

Argwöhnisch betrachtete er den Anflug eines Lächelns, das zu unterdrücken ich mir nicht die Mühe machte. Dann wandte er den Blick ab und starrte ungehalten durch die Windschutzscheibe.

Nach zehn schweigsamen Meilen sagte ich:»Ich habe einen Brief an Ihren Vater geschrieben. Ich möchte, daß Sie ihn hinschicken.«

«Was für einen Brief?«

Ich zog einen Umschlag aus meiner Innentasche und gab ihn Alessandro.

«Ich will ihn lesen«, bemerkte er aggressiv.