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«Nur zu. Er ist nicht zugeklebt. Ich dachte, die Mühe könnte ich Ihnen sparen.«

Er kniff die Lippen zusammen und zog den Brief heraus.

Er las:

Enzo Rivera, folgende Punkte zu Ihrer Kenntnisnahme.

1. Solange Alessandro auf Rowley Lodge bleibt und zu bleiben wünscht, darf der Stall nicht zerstört werden.

Jede Form der Zerstörung oder der versuchten Zerstörung des Stalls wird zur Folge haben, daß der Jockey Club augenblicklich von allen Ereignissen der Vergangenheit in Kenntnis gesetzt wird, mit dem Ergebnis, daß man Alessandro lebenslänglich für alle Rennen überall auf der Welt sperren würde.

2. Tommy Hoylake.

Sollte Tommy Hoylake oder irgendeinem anderen Jockey des Stalls irgend etwas zustoßen, gleichgültig was, wird Anzeige erstattet werden, und Alessandro wird keine Rennen mehr reiten.

3. Moonrock, Indigo und Buckram.

Sollten irgendwelche weiteren Versuche unternommen werden, eines der Pferde auf Rowley Lodge zu verletzen oder zu töten, wird Anzeige erstattet werden, und Alessandro wird keine Rennen mehr reiten.

4. Die Anzeige, mit der Sie zu rechnen hätten, besteht zur Zeit aus einem vollen Bericht über alle zur Sache gehörigen Ereignisse, zusammen mit (a) den beiden Modellpferden und ihren handgeschriebenen Etiketten; (b) dem Ergebnis der Analyse einer Blutprobe von Indigo, durchgeführt vom Forschungslabor für Pferdemedizin, das den Nachweis des Vorhandenseins des Narkosemittels Promazin erbringt; (c) Röntgenbildern der Fraktur von Indigos linkem Vorderbein; (d) einer Gummimaske von Carlo; (e) einer Subkutanspritze, die noch Spuren des Narkotikums enthält, und (f) einem Knüppel, der genauso wie die Spritze Carlos Fingerabdrücke

trägt. Diese Gegenstände sind bei einem Rechtsanwalt hinterlegt, der Anweisung für ihre Benutzung im Fall meines Todes hat. Vergessen Sie nicht, daß die Anklage gegen Sie und Ihren Sohn nicht vor einem Gericht bewiesen werden muß, sondern nur dem Jockey Club einleuchten muß. Der ist es, der die Jockeylizenzen entzieht.

Wenn Rowley Lodge kein weiterer Schaden — auch nicht versuchsweise — zugefügt wird, erkläre ich mich meinerseits einverstanden, Alessandro jede vernünftige Möglichkeit zu geben, ein tüchtiger und erfolgreicher Jockey zu werden.

Er las den Brief zweimal. Dann faltete er ihn langsam zusammen und schob ihn zurück in den Umschlag.

«Das wird ihm nicht gefallen«, sagte er.»Er läßt sich von niemandem drohen.«

«Dann hätte er nicht versuchen sollen, mir zu drohen«, sagte ich milde.

«Er dachte, es würde sich um Ihren Vater handeln. Und alte Leute sind leichter einzuschüchtern, sagt mein Vater.«

Ich wandte meinen Blick zwei Sekunden lang von der Straße ab, um ihn anzusehen. Seine letzte Feststellung hatte ihn genauso wenig irritiert wie vor einiger Zeit die Bemerkung, daß sein Vater mich töten würde. Einschüchterungsversuche und Mord waren der Hintergrund seiner Kindheit gewesen, und er schien sie immer noch für normal zu halten.

«Haben Sie wirklich all diese Dinge?«fragte er.»Das Ergebnis der Blutprobe… Und die Spritze?«

«Ja, die habe ich.«

«Aber Carlo trägt immer Handschuhe. «Er hielt inne.

«Er war unvorsichtig«, sagte ich.

Er grübelte darüber nach.»Wenn mein Vater Carlo dazu bringt, noch weiteren Pferden ein Bein zu brechen, werden Sie mich dann wirklich sperren lassen?«

«Und ob.«

«Aber danach hätten Sie keine Möglichkeit mehr, ihn davon abzuhalten, aus Rache die Ställe zu zerstören.«

«Würde er das wirklich tun?«fragte ich.»Würde er sich noch die Mühe machen?«

Alessandro schenkte mir ein mitleidiges, überlegenes Lächeln.»Mein Vater würde sich sogar rächen, wenn jemand das Cremetörtchen essen würde, das er wollte.«

«Sie finden Racheakte also in Ordnung?«sagte ich.

«Natürlich.«

«Das würde Ihnen Ihre Lizenz aber nicht zurückbringen«, stellte ich fest,»und außerdem bezweifle ich, daß er es wirklich tun könnte, denn dann gäbe es nichts mehr, was gegen Polizeischutz und lautestmögliche Medienresonanz spräche.«

Er ließ sich nicht beirren.»Sie würden auf Nummer Sicher gehen, wenn Sie zuließen, daß ich Pease Pudding und Archangel reite.«

«Es ist undenkbar, daß Sie diese Pferde ohne jede Erfahrung reiten. Mit ein wenig Vernunft hätten Sie das von Anfang an gewußt.«

Der hochmütige Blick meldete sich zurück, war aber verwässert gegenüber dem ersten Mal, als ich ihn gesehen hatte.

«Also«, fuhr ich fort,»obwohl es immer ein Risiko bedeutet, sich einer Erpressung zu widersetzen, ist es in einigen Fällen das einzige, was einem übrigbleibt. Und in einer solchen Lage geht es lediglich darum, Möglichkeiten zum Widerstand zu finden, die einen nicht mit leeren Händen ins Leichenschauhaus bringen.«

Es entstand eine neuerliche lange Pause, während wir Grantham und Newark umfuhren. Es hatte angefangen zu regnen. Ich stellte die Scheibenwischer ein, und die

Gummiflächen klickten wie Metronome über das Glas.

«Mir kommt es so vor«, sagte Alessandro düster,»als trügen Sie und mein Vater eine Art Machtkampf aus, mit mir als Bauern dazwischen, den Sie beide herumschubsen.«

Ich lächelte, überrascht sowohl von seinem Scharfsinn wie auch von der Tatsache, daß er diesen Gedanken laut aussprach.

«Das stimmt«, pflichtete ich ihm bei,»so ist es von Anfang an gewesen.«

«Mir gefällt das nicht.«

«Sie sind selbst schuld dran. Und wenn Sie den Gedanken, Jockey werden zu wollen, aufgeben, wird alles aufhören.«

«Aber ich will Jockey werden«, sagte er, als sei es mit diesem Wunsch getan. Und was seinen vernarrten Vater betraf, war es das auch. Der Wunsch war Ursprung und Ziel.

Zehn nasse Meilen später sagte er:»Sie haben am Anfang versucht, mich loszuwerden.«

«Stimmt.«

«Wollen Sie immer noch, daß ich gehe?«

«Würden Sie’s tun?«Ich klang hoffnungsvoll.

«Nein«, sagte er.

Ich verzog den Mund.

«Nein«, wiederholte er,»denn Sie beide, Sie und mein Vater, haben es mir unmöglich gemacht, zu irgendeinem anderen Stall zu gehen und noch mal von vorne anzufangen.«

Eine neuerliche lange Pause.»Und überhaupt«, sagte er.»Ich will überhaupt nicht zu irgendeinem anderen Stall. Ich will auf Rowley Lodge bleiben.«

«Und Champion-Jockey werden?«murmelte ich.

«Ich habe nur zu Margaret gesagt…«, begann er heftig und fügte dann einige Dinge zusammen.»Sie hat Ihnen erzählt, daß ich mich nach Buckram erkundigt habe«, sagte er verbittert.

«Und deshalb haben Sie auch Carlo erwischt.«

Um Margaret Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sagte ich:»Sie hätte mir nichts davon erzählt, wenn ich sie nicht direkt gefragt hätte, was Sie wollten.«

«Sie vertrauen mir nicht«, beklagte er sich.

«Nun, nein«, erwiderte ich ironisch.»Ich wäre auch ein Narr, wenn ich es täte.«

Der Regen klatschte noch heftiger gegen die Windschutzscheibe. Wir blieben vor einer roten Ampel in Bawtry stehen und warteten, während ein Schülerlotse eine halbe Schule vor uns über die Straße trieb.

«Diese Bemerkung in Ihrem Brief, daß Sie mir helfen wollen, ein guter Jockey zu werden… Meinen Sie das ernst?«

«Ja, das tue ich«, sagte ich.»Sie reiten zu Hause sehr gut. Besser, als ich erwartet hätte, um ehrlich zu sein.«

«Ich habe Ihnen doch gesagt…«, begann er und hob die Adlernase.

«Daß Sie brillant sind«, beendete ich seinen Satz nickend.»Das haben Sie tatsächlich gesagt.«

«Lachen Sie mich nicht aus. «Der stets einsatzbereite Zorn wallte auf.