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Pullitzer war kurze Zeit zuvor in einem der kleineren Transporter des Stalls nach Catterick gebracht worden, begleitet von seinem eigenen Pfleger und dem Reisefuttermeister Vic Young, der die Pflege der Pferde überwachte, wenn sie nicht zu Hause waren. Vic war Ettys Stellvertreter, ein ideenreicher, pfiffiger Londoner, der in mittleren Jahren zu schwer für die meisten der jungen Stallbewohner geworden war; aber sein Gewicht kam ihm gut zustatten, wenn es darum ging, es in die Waagschale zu werfen. Er verstand sich bestens darauf, zu bekommen, was er haben wollte, und es war einfach Glück, daß das, was er wollte, für gewöhnlich zum Besten des Stalls war. Wie alle wirklich guten älteren Pfleger war er von ganzem Herzen parteiisch.

Als ich, nachdem ich mich umgezogen hatte, wieder hinausging, um zum Rennen zu fahren, entdeckte ich Alessandro neben dem Jensen, während Carlo sechs Fuß weiter weg mit wütendem Gesicht im Mercedes saß.

«Ich werde mit Ihnen fahren«, verkündete Alessandro entschlossen.»Aber Carlo wird uns folgen.«

«Schön«, erwiderte ich nickend.

Ich ließ mich auf den Fahrersitz gleiten und wartete, bis er neben mir einstieg. Dann ließ ich den Motor an, fuhr die Einfahrt hinunter und bog mit Carlo als Geleitschutz auf die Straße ein.

«Mein Vater hat ihm befohlen, mich überall hinzufahren…«:, erklärte Alessandro.

«Und er verspürt kein Verlangen, sich Ihrem Vater zu widersetzen«, beendete ich den Satz für ihn.

«Das stimmt. Mein Vater hat ihm außerdem befohlen, darauf aufzupassen, daß mir nichts passiert.«

Ich sah ihn aus den Augenwinkeln an.

«Glauben Sie, es könnte Ihnen etwas passieren?«

«Niemand würde es wagen, mir etwas zu tun«, sagte er einfach.

«Es hängt wohl davon ab, was auf dem Spiel steht«, sagte ich, während wir Newmarket immer weiter hinter uns ließen.

«Aber mein Vater.«

«Ich weiß«, sagte ich.»Ich weiß. Und ich habe nicht den Wunsch, Ihnen etwas anzutun. Nicht im geringsten.«

Alessandro ließ sich zufrieden in seinen Sitz sinken, aber ich überlegte, daß ein Hebel in zwei Richtungen betätigt werden konnte, und im Gegensatz zu mir hatte Enzo jemanden, um dessentwillen er gezwungen werden konnte, Dinge zu tun, die ihm gegen den Strich gingen. Angenommen, ich würde Alessandro entführen, tagträumte ich müßig vor mich hin, und ihn bequem im Keller der Wohnung in Hampstead einsperren. Auf diese Weise hätte ich Enzo am Schlafittchen und könnte ihm eine hübsche kleine Lektion in» Wie du mir, so ich dir «erteilen.

Ich seufzte kurz. Zu viele Schwierigkeiten auf diesem Feld. Und da alles, was ich von Enzo wollte, darin bestand, ihn mir von meinem Buckel und aus meinem Leben zu schaffen, bevor mein Vater aus dem Krankenhaus kam, erschien mir eine Entführung Alessandros nicht der schnellste Weg zum Ziel zu sein. Wahrscheinlich eher der schnellste Weg zur Auflösung von Rowley Lodge. Trotzdem schade.

Alessandro fieberte ungeduldig dem Ende der Fahrt entgegen, war aber sonst gelassener, als ich erwartet hatte. Angefangen bei der arroganten Haltung seines Kopfes bis hin zu den schlanken Händen auf seinen Knien, die sich immer wieder zu Fäusten ballten, sprach Entschlossenheit aus jeder Faser seines Körpers.

Ich wich einem entgegenkommenden Öltransporter aus, dessen Fahrer sich in Frankreich zu wähnen schien, und sagte beiläufig:»Sie sollten den anderen Lehrlingen keine

Vergeltungsmaßnahmen androhen, wenn nicht alles nach Ihrer Nase geht. Das ist Ihnen doch klar?«

Er sah mich beinahe verletzt an.»So etwas werde ich nicht tun.«

«Die Macht der Gewohnheit«, sagte ich ohne zu werten,»neigt dazu, in Augenblicken der Anspannung ihren häßlichen Kopf zu heben.«

«Ich werde reiten, um zu gewinnen«, versicherte er mir.

«Ja… aber vergessen Sie nicht, daß, wenn Sie gewinnen, weil Sie irgend jemand anders aus dem Weg schaffen, die Rennleitung Ihnen das Rennen wegnehmen wird, und dann haben Sie nichts erreicht.«

«Ich werde vorsichtig sein«, sagte er mit hochgerecktem Kinn.

«Mehr ist auch nicht nötig«, bestätigte ich.»Auch Großzügigkeit zum Beispiel nicht.«

Er sah mich argwöhnisch an.»Ich weiß nie so recht, wann Sie einen Witz machen.«

«Meistens«, antwortete ich.

Wir fuhren immer weiter nach Norden.

«Ist es Ihrem Vater nie in den Sinn gekommen, Ihnen einen Derby-Kandidaten zu kaufen, statt Sie mit Gewalt in Rowley Lodge zu installieren?«erkundigte ich mich im Plauderton, während wir an Wetherby vorbeisausten.

Er sah mich an, als sei diese Möglichkeit etwas ganz Neues für ihn.»Nein«, sagte er.»Es war Archangel, den ich reiten wollte. Den Favoriten. Ich wollte das Derby gewinnen, und Archangel ist der Beste. Und alles Geld in der Schweiz würde nicht reichen, um Archangel zu kaufen.«

Das stimmte, denn der Hengst gehörte einem großen Sportsmann, einem achtzigjährigen Bankier, dessen lebenslänglicher Ehrgeiz es gewesen war, das große Rennen zu gewinnen. Seine Pferde waren dort in den vergangenen Jahren als Zweite oder Dritte eingelaufen, und er hatte jedes andere wichtige Rennen im Rennkalender gewonnen, aber der absolute Triumph war ihm immer verwehrt geblieben. Archangel war das beste Pferd, das er je besessen hatte, und seine Zeit wurde langsam knapp.

«Außerdem«, fügte Alessandro hinzu,»gibt mein Vater kein Geld für etwas aus, das er genausogut mit einer Drohung erreichen kann.«

Wie gewöhnlich, wenn er von dem modus operandi seines Vaters sprach, betrachtete er das, was er sagte, als selbstverständlich und empfand seine Worte nichts als logisch.

«Denken Sie jemals objektiv über Ihren Vater nach?«fragte ich.»Darüber, wie er seine Ziele erreicht, und darüber, ob diese Ziele an sich in irgendeiner Hinsicht ehrenwert sind?«

Er sah mich verwirrt an.»Nein…«:, erwiderte er unsicher.

«Wo sind Sie übrigens zur Schule gegangen?«fragte ich, um es mal mit etwas anderem zu versuchen.

«Ich bin nicht zur Schule gegangen«, sagte er.»Ich hatte zwei Lehrer zu Hause. Ich wollte nicht zur Schule. Ich wollte mich nicht herumkommandieren lassen und den ganzen Tag arbeiten müssen.«

«Also haben Ihre beiden Lehrer viel Zeit mit Däumchendrehen verbracht?«

«Däumchen…? O ja, ich denke schon. Der englische Lehrer ist für gewöhnlich einfach verschwunden, um auf irgendwelche Berge zu klettern, und der italienische war hinter den einheimischen Mädchen her. «In seiner Stimme lag jedoch kein Humor. Das tat es nie.»Sie sind beide gegangen, als ich fünfzehn war. Sie sind gegangen, weil ich den ganzen Tag über meine beiden Pferde ritt und mein Vater meinte, es habe keinen Sinn, zwei Hauslehrer statt eines Reitlehrers zu bezahlen… Also hat er einen alten Franzosen eingestellt, der Ausbilder bei der Kavallerie gewesen war, und dieser Mann hat mir beigebracht, besser zu reiten. Ich war auch viel bei einem Bekannten meines Vaters, und auf seinen Pferden bin ich oft zur Jagd geritten… Bei diesen Gelegenheiten habe ich auch einige Rennen gewonnen. Vier oder fünf. Es gab nicht viele Gelegenheiten für Amateure. Es hat mir gefallen, aber es war ganz anders als jetzt… Und dann, als ich eines Tages zu Hause sagte, ich hätte Langeweile, meinte mein Vater, na schön, Alessandro, sag, was du dir wünschst, und ich werde es dir beschaffen, und plötzlich kam mir Archangel in den Sinn, und ich habe einfach gesagt, einfach so, ohne richtig nachzudenken: >Ich möchte das Englische Derby auf Archangel gewinnen…< Und er hat nur gelacht, wie er’s manchmal tut, und gesagt, das sei kein Problem.«

Er hielt inne.»Ich habe ihn natürlich gefragt, ob er das ernst meinte, denn je mehr ich darüber nachdachte, um so mehr wurde mir klar, daß es nichts auf der Welt gab, was ich lieber wollte. Nichts auf der Welt. Er hat immer wieder gesagt, alles zu seiner Zeit, aber ich brannte darauf, endlich nach England zu kommen und anzufangen, und als er dann irgendwelche Geschäfte erledigt hatte, kamen wir.«