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Alessandros und Vic Youngs Berichterstattung über die Ereignisse in Teesside fiel vorhersehbarerweise sehr unterschiedlich aus.

Alessandro sagte:»Erinnern Sie sich noch an den

Probegalopp, als ich recht viel Boden gutgemacht hatte… Aber das war zu früh, denn er wurde müde… Nun ja, er hat diese gewaltige Geschwindigkeit tatsächlich wieder erreicht, so wie wir es uns gedacht haben, und es hat wunderbar funktioniert. Ich habe ihn kurz vor dem letzten Zweihundert-Meter-Pfosten losgelassen, und er ist an den anderen regelrecht vorbeigezischt. Es war ungeheuer.«

Vic Young sagte:»Er war beinahe zu spät. Hat sich einschließen lassen. Die anderen konnten natürlich Ringe um ihn herum reiten. Dieser Lancat muß wirklich etwas Besonderes sein, wenn er gewinnen konnte, obwohl er von einem Lehrling geritten wurde, der erst sein drittes Rennen hatte.«

Während der nächsten Woche hatten wir noch acht weitere Starter, von denen Alessandro drei ritt. Nur eins seiner Rennen war ein Lehrlingsrennen, und keines der Pferde gewann. Bei einem Rennen wurde er vom Champion-Jockey in einem sehr knappen Finish geschlagen, aber alles, was er dazu sagte, war, daß er sich mit ein wenig Übung wohl verbessern könnte.

Die Besitzer von allen drei Pferden waren zum Rennen gekommen, und nicht das geringste Murren wurde laut. Alessandro benahm sich ihnen gegenüber mit Vernunft und Höflichkeit, obwohl ein unbedachtes Hohngrinsen, das ihm entschlüpfte, als er sich unbeobachtet wähnte, mir verriet, daß er sich die Seele aus dem Leib schauspielerte.

Einer der Besitzer war ein Amerikaner, der sich als eines der Mitglieder des Syndikats erwies, das meine Geschäfte aufgekauft hatte. Es amüsierte ihn ungeheuer, festzustellen, daß ich Neville Griffons Sohn war, und vor dem Rennen brachte er eine Weile im Führring zu, um Alessandro zu erzählen, daß dieser junge Bursche hier, womit er mich meinte, jedem, den er kannte, die eine oder andere Lektion darüber erteilen könne, wie man ein Geschäft führte.

«Ich werde nie vergessen, wie Sie Ihr Erfolgsrezept zusammengefaßt haben, als wir Sie aufkauften. >Stellen Sie einen Blickfang ins Schaufenster, und bleiben Sie fair.< Wir hatten Sie danach gefragt, wissen Sie noch? Und wir hatten eine volle Dosis des üblichen Managementschuljargons erwartet, aber das war alles, was Sie sagten. Vergess’ ich nie.«

Es war sein Pferd, auf dem Alessandro um einen Kopf verlor, aber er war schon seit langer Zeit Besitzer von Rennpferden und wußte einzuordnen, was er sah. Direkt nachdem sie durchs Ziel gegangen waren, drehte er sich auf der Tribüne zu mir um und sagte:»Es ist nie eine Schande, vom Champion geschlagen zu werden… Und dieser Junge, den Sie da haben, der wird mal sehr gut.«

In der folgenden Woche ritt Alessandro in vier Rennen und gewann zwei von ihnen, beide gegen Lehrlinge. Beim zweiten Mal schlug er die große Lehrlingsentdeckung der vergangenen Saison auf heimischem Boden in Newmarket, und die Journalisten begannen, Fragen zu stellen. Mit vier Siegen in drei Wochen stand er nun ganz oben auf der Liste der Lehrlinge… Wo kam er her, wollten sie wissen. Einer oder zwei von ihnen sprachen mit Alessandro selbst, und zu meiner Erleichterung antwortete er ihnen ruhig und sachlich. Die Augen strikt, wenn auch nicht ganz ohne einen Schimmer von Spott, auf den Boden geheftet. Die gewohnte Arroganz war gut versteckt.

Meistens fuhr er mit mir in meinem Jensen zu den Rennen, aber Carlo gab es niemals auf, uns zu folgen. Das Arrangement war zur Routine geworden.

Auf den Fahrten erzählte er ziemlich viel. Unterhielt sich ganz natürlich mit mir, ungehemmt, ohne Druck. Größtenteils diskutierten wir über die Pferde und ihre Form und ihre Möglichkeiten im Vergleich zur Konkurrenz, aber manchmal konnte ich auch ein oder zwei Blicke auf sein ungewöhnliches Familienleben werfen.

Er hatte seine Mutter nicht mehr gesehen, seit er etwa sechs Jahre alt war, als sie und sein Vater einen letzten, abscheulichen Streit gehabt hatten, der ihm tagelang zu dauern schien. Er erzählte, er habe Angst gehabt, weil beide so gewalttätig gewesen seien, und er habe nicht verstanden, worum es überhaupt ging. Sie hatte seinem Vater immer wieder ein Wort entgegengeschrien, ihn damit aufgezogen, und dieses Wort hatte er nie vergessen, obwohl er jahrelang nicht gewußt hatte, was es bedeutete. Steril. Das war das Wort gewesen. Sein Vater war steril. Er hatte kurz nach Alessandros Geburt irgendeine Krankheit gehabt, von der seine Mutter andauernd sprach. Er konnte sich nicht an ihr Gesicht erinnern, nur an ihre Stimme und an Bruchstücke der Sätze, mit denen sie voller Verbitterung seinen Vater bombardiert hatte, an die ewig wiederkehrenden Worte:»Seit deiner Krankheit.«

Er habe seinen Vater niemals darauf angesprochen, fügte er hinzu. Es wäre unmöglich gewesen, sagte er, ihn darauf anzusprechen.

Wenn Alessandro der einzige Sohn war, den Enzo je haben konnte, erklärte das in gewisser Hinsicht die Besessenheit, mit der er auf seine Wünsche einging. Alessandro war vor diesem psychologischen Hintergrund etwas Besonderes für Enzo, und Enzo selbst war mit seiner kriminellen Ader schon ein besonderer Mensch.

Da Alessandros Rennerfolge nicht mehr als Zufälle gelten konnten, taute Etty ihm gegenüber deutlich auf — und Margaret noch mehr. Für eine Zeitspanne von vier Tagen herrschte auf Rowley Lodge eine entspannte Atmosphäre, in der eine friedliche, konstruktive Zusammenarbeit möglich war. Etwas, das man am Tag seiner Ankunft für genauso wahrscheinlich gehalten hätte wie Schnee in Singapur.

Vier Tage dauerte dieser Zustand an. Dann erschien Alessandro eines Tages mit einem fast schon ängstlichen Gesichtsausdruck und sagte, sein Vater sei auf dem Weg nach England. Er würde noch am selben Nachmittag mit dem Flugzeug herkommen. Er habe angerufen, und er habe äußerst unzufrieden geklungen.

13

Enzo zog ins Forbury Inn, und schon am nächsten Tag hatte Alessandro seine Stacheln wieder ausgefahren. Er weigerte sich, mit mir in meinem Jensen nach Epsom zu fahren; er fahre mit Carlo.

«Na gut«, sagte ich gelassen und hatte deutlich den Eindruck, daß er etwas sagen wolle, um zu erklären, zu vermitteln. irgend etwas in der Art…, aber daß die Loyalität zu seinem Vater ihn davon abhielt. Ich lächelte ihn ein wenig bedauernd an und fügte hinzu:»Aber wann immer Sie den Wunsch haben, können Sie mit mir fahren.«

Ich bemerkte ein Flackern in den schwarzen Augen, aber er wandte sich ab, ohne zu antworten, und ging zu Carlo hinüber, der auf ihn wartete, und als wir in Epsom ankamen, stellte ich fest, daß Enzo ebenfalls mitgekommen war.

Enzo fing mich vor dem Waageraum ab, eine kleine, gedrungene Gestalt, die harmlos im Aprilsonnenschein stand. Keine Pistole mit Schalldämpfer. Keine Handlanger mit Gummigesichtern. Kein Seil um meine Handgelenke, keine Nadeln in meinem Arm. Und doch zog sich mir der Magen zusammen, und die Haare auf meinen Beinen standen zu Berge.

Er hielt den Brief, den ich an ihn geschrieben hatte, in der Hand, und die Feindseligkeit in seinen geschwollenen Augen schlug alles, was Alessandro je zustande gebracht hatte, um gut zwanzig Längen.

«Sie haben sich meinen Anweisungen widersetzt«, sagte er, und der Klang seiner Stimme hätte kühnere Männer als mich dazu bewegen können, sich im nächsten Gebüsch zu verstecken.»Ich habe Ihnen gesagt, daß Alessandro an die Stelle von Hoylake treten soll. Ich muß feststellen, daß dies nicht geschehen ist. Sie haben meinem Sohn nur armselige Krümel gegeben. Das werden Sie ändern.«

«Alessandro«, sagte ich mit möglichst ungerührter Miene,»hat mehr Chancen gehabt als die meisten Lehrlinge in den ersten sechs Monaten.«

In seinen Augen blitzte ein Tausend-Kilowatt-Funke auf.»Sie werden nicht in diesem Ton mit mir sprechen. Sie werden tun, was ich sage. Haben Sie verstanden? Ich werde Ihre fortgesetzte Mißachtung meiner Anweisungen nicht mehr hinnehmen.«