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Aber Enzo war, so glaubte ich, noch immer genau so, wie er früher gewesen war. Es war Alessandro selbst, der sich verändert hatte.

Also sagte ich lediglich:»Hören Sie auf, sich Sorgen zu machen, und konzentrieren Sie sich auf diejenigen Rennen, die Sie um Ihrer selbst willen besser gewinnen sollten.«

«Was?«fragte er geistesabwesend.

«Wachen Sie auf, Sie dumme Nuß. Sie verschenken sich alles, wofür Sie so hart gearbeitet haben. Es spielt bald nicht mehr die geringste Rolle, ob Sie lebenslängliches Rennbahnverbot erhalten, denn Sie reiten so grauenhaft schlecht, daß Sie ohnehin keine Ritte mehr bekommen werden.«

Er blinzelte, und der alte Zorn erlebte ein vorübergehendes Comeback.»Sprechen Sie nicht so mit mir.«

«Hab’ ich nicht recht?«

«Oh…«, sagte er wütend.»Sie und mein Vater, Sie zerreißen mich.«

«Sie müssen selbst wissen, was Sie wollen«, sagte ich sachlich.»Und wenn Sie immer noch Jockey werden möchten, sehen Sie zu, daß Sie in Catterick gewinnen. In den dortigen Lehrlingsrennen lasse ich Buckram laufen, und eigentlich sollte ich einem der anderen Jungen die Chance geben, aber ich setze Sie noch einmal ein, und wenn Sie nicht gewinnen, werden die anderen Sie wahrscheinlich lynchen.«

Die alte Überheblichkeit wollte nochmals aufflackern, doch sie schien nicht mehr von Herzen zu kommen.

«Und am Donnerstag hier in Newmarket können Sie Lancat im Heath Handicap reiten. Es ist eine gerade Meile, nur für Dreijährige, und ich meine, er sollte sie gewinnen, nach der Form, die er in Teesside an den Tag gelegt hat. Also los, studieren Sie diese Rennen, und verschaffen Sie sich einen groben Überblick über das, was die Konkurrenz vielleicht tun wird. Und Sie werden verdammt noch mal beide Rennen gewinnen. Verstanden?«

Er warf mir einen langen Blick zu, in dem die ganze alte Leidenschaftlichkeit, aber nichts mehr von der alten Feindseligkeit lag.

«Ja«, sagte er schließlich.»Ich habe verstanden. Ich soll sie verdammt noch mal beide gewinnen. «Ein schwaches Lächeln über den ersten Versuch eines Scherzes, den ich je vor ihm gehört hatte, stieg in seinem Gesicht auf und erstarb sogleich in seinen Augen.

Etty nahm meine Entscheidung bezüglich Buckram mit schmalen Lippen und wütendem Gesicht auf. Mein Vater würde das nicht gutheißen, sagte sie; eindeutig war ein neuerlicher privater Bericht unterwegs.

Ich schickte Vic Young nach Catterick rauf und ging selbst mit drei anderen Pferden nach Ascot, wobei ich mir einzureden versuchte, daß es schließlich meine Pflicht sei, die Besitzer zu der größeren Veranstaltung zu begleiten, und daß es nichts mit meinem Wunsch, Enzo aus dem Weg zu gehen, zu tun hatte.

Draußen auf der Heide, während wir am Fuß des Side Hills darauf warteten, daß zwei andere Ställe ihr Training beendeten, diskutierte ich mit Alessandro die Taktik, die er für das Rennen vorschlug. Abgesehen von den Schatten, die immer noch um seine Augen lagen, schien er einen Teil seiner früheren, eisigen Renntagsruhe wiedererlangt zu haben. Diese Ruhe mußte zwar noch eine lange Fahrt in Gesellschaft seines Vaters überleben, aber immerhin, es war ein Hoffnungsschimmer.

Buckram ging als Zweiter durchs Ziel. Ich war ausgesprochen enttäuscht, als ich seinen Namen auf der Anschlagtafel mit den» Ergebnissen anderer Rennen «in Ascot sah, aber als ich nach Rowley Lodge zurückkehrte, kam auch gerade Vic Young mit Buckram heim, und der war für seine Verhältnisse regelrecht enthusiastisch.

«Er hat ein gutes Rennen geritten«, sagte er nickend.»Intelligent, könnte man sagen. Nicht seine Schuld, daß er geschlagen wurde. Kein Vergleich mit diesen miserablen Vorstellungen, die er letzte Woche gegeben hat. Er schien nicht mehr derselbe Junge zu sein, wirklich nicht.«

Der Junge kam am folgenden Nachmittag mit all der nach innen gerichteten Selbstbeherrschung, die ich mir wünschen konnte, in den Newmarketer Führring.

«Es ist eine gerade Meile«, sagte ich.»Lassen Sie sich nicht von der optischen Täuschung in Versuchung führen, daß der Zielpfosten viel näher scheint, als er in Wirklichkeit ist. Sie können sich an den Zweihundert-Meter-Pfosten orientieren. Machen Sie nicht eher Tempo, als bis Sie den Pfosten mit der Zwei darauf passiert haben, dort drüben beim Gebüsch, selbst wenn Sie es für falsch halten.«

«Das werde ich schon nicht tun«, sagte er ernsthaft. Und er tat es auch nicht.

Er legte ein Bilderbuchrennen hin, kühl, ausgeglichen, ohne Nervosität. Nachdem es auf den ersten vierhundert Metern den Anschein hatte, er sei im Feld eingeschlossen, sprintete er plötzlich durch eine Lücke, die überhaupt nur für den Bruchteil einer Sekunde existierte, und erreichte den Zielpfosten mit einer guten Länge Vorsprung vor seinem nächsten Rivalen. Wegen seiner Zweieinviertel-Kilo-Lehrlingserlaubnis und seiner guten Form in Teesside hatten viele Leute auf ihn gesetzt, und er hatte sich seinen Applaus verdient.

Als er im Absattelring des Gewinners von Lancat herunterglitt, schenkte er mir wieder jenes seltene, warme Lächeln, und ich hatte die Hoffnung, daß er genauso, wie er das Problem von zuviel Gewicht und zuviel Arroganz gelöst hatte, auch das Problem von zuviel Vater in den Griff bekommen würde.

Aber sein Blick konzentrierte sich auf einen Punkt hinter mir, und das Lächeln verwandelte sich und verfiel, zuerst zu einem mißbilligenden Grinsen und dann zum Ausdruck schierer Angst.

Ich drehte mich um.

Enzo stand innerhalb des kleinen, weißen, vergatterten Rings.

Enzo, der mich mit der maßlosen Gehässigkeit des Entmachteten anstarrte.

Ich starrte zurück. Nichts anderes zu machen. Aber zum ersten Mal fürchtete ich, daß ich ihn nicht würde in Schach halten können.

Zum ersten Mal hatte ich Angst.

Ich wage zu sagen, daß ich geradezu das Schicksal herausforderte, indem ich mich, als ich meine Runde durch die Ställe gemacht und mir einen bescheidenen Scotch eingeschenkt hatte, im Eichenzimmer an den Schreibtisch setzte. Aber diesmal war es ein schöner heller Abend Ende April und nicht Mitternacht in einem eiskalten Februar.

Die Tür öffnete sich mit einem aggressiven Krachen, und Enzo trat ein, mit seinen beiden Männern im Schlepptau, dem altvertrauten Carlo mit dem steinernen Gesicht und einem anderen Mann mit langer Nase, schmalen Lippen und einem offenkundigen Mangel an Herzensgüte.

Enzo war in Begleitung seiner Waffe und die Waffe in Begleitung ihres Schalldämpfers.

«Stehen Sie auf«, sagte er.

Ich erhob mich langsam.

Er zeigte mit der Waffe auf die Tür.

«Kommen Sie«, sagte er.

Ich rührte mich nicht.

Die Pistole richtete sich unbeirrt auf die Mitte meiner Brust. Er handhabte das bösartig aussehende Ding genauso kühl und selbstverständlich wie eine Zahnbürste.

«Es fehlt nicht viel, und ich töte Sie«, sagte er auf eine Weise, die mich nicht daran zweifeln ließ, daß dem so war.»Wenn Sie nicht auf der Stelle mitkommen, werden Sie nirgendwo mehr hingehen.«

Diesmal gab es keine Witzchen darüber, daß er nur Leute tötete, die darauf bestanden. Aber ich erinnerte mich daran; und ich bestand nicht darauf. Ich kam hinter dem Schreibtisch hervor und ging hölzern auf die Tür zu.

Enzo trat einen Schritt zurück, um mich vorbeigehen zu lassen und um sicherzugehen, daß ich mich nicht auf ihn stürzen konnte. Aber angesichts der beiden diesmal kahlgesichtigen Helfer neben ihm hätte ich ohnehin nicht die geringste Chance gehabt.

Auf der anderen Seite der großen Eingangshalle von Rowley Lodge stand die Tür weit offen. Durch das Vestibül und die weiteren Türen gelangte man nach draußen, wo ein Mercedes stand. Nicht der von Alessandro. Dieser hier war kastanienbraun und eine Nummer größer.

Man ersuchte mich einzusteigen. Das amerikanische ExGummigesicht fuhr. Enzo saß zu meiner Rechten im Fond und Carlo zur Linken. Enzo hielt seine Waffe in der rechten Hand, balancierte den Schalldämpfer auf seinem gerundeten Knie, und seine Finger entspannten sich keinen Augenblick lang. Ich konnte die zornige Verkrampfung in all seinen Muskeln spüren, wann immer der fahrende Wagen sein Gewicht gegen mich schaukeln ließ.