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Ich seufzte und erhob mich langsam und vor Schmerzen zuckend wieder auf meine Füße. Niemand außer mir würde mich nach Hause bringen und zusammenflicken.

Ich ging zu Fuß. Es war weniger als eine Meile. Aber weit genug.

Der ältliche Doktor war glücklicherweise zu Hause, als ich ihn anrief.

«Wie meinen Sie das, Sie seien vom Pferd gefallen und hätten sich das Schlüsselbein gebrochen?«wollte er wissen.»Um diese Uhrzeit? Ich dachte, alle Pferde müßten die Heide bis vier verlassen haben.«

«Sehen Sie mal«, sagte ich müde.»Ich habe mir das Schlüsselbein gebrochen. Würden Sie bitte herkommen und sich darum kümmern?«

«Hm«, brummte er.»Na schön.«

Er kam eine halbe Stunde später, ausgerüstet mit etwas, das wie zwei Gummiringe aussah. Ein Rucksackverband, sagte er, während er sich daranmachte, ihn mir über die Schultern zu streifen und dann hinter meinem Rücken zusammenzubinden.

«Verdammt unbequem«, sagte ich.

«Na ja, wenn Sie auch vom Pferd fallen müssen.«

Seine trüben Augen taxierten sein Werk mit leidenschaftsloser Routine. Das Ruhigstellen gebrochener Schlüsselbeine war in Newmarket so normal wie das Austeilen von Hustentropfen.

«Nehmen Sie etwas Codein«, sagte er.»Haben Sie welches da?«

«Ich weiß nicht.«

Er schnalzte mit der Zunge und holte ein Päckchen aus seiner Tasche.»Zwei Stück alle vier Stunden.«

«Ich danke Ihnen. Wirklich.«

«Keine Ursache«, sagte er nickend. Dann schloß er seine Tasche und ließ die Schlösser zuschnappen.

«Wollen Sie einen Drink?«fragte ich, während er mir in mein Hemd half.

«Dachte schon, Sie würden überhaupt nicht mehr fragen«, erwiderte er lächelnd und widmete sich kurz darauf einem großen Whisky mit derselben Vertrautheit wie seinen Bandagen. Ich leistete ihm Gesellschaft, und der Alkohol half dem Codein beträchtlich auf die Sprünge.

«Nur so aus Interesse«, erkundigte ich mich, als er die zweite Hälfte seines Glases erreichte.»Welche Krankheiten verursachen Sterilität?«

«Hm?«Er sah mich überrascht an, antwortete aber, ohne zu zögern.»Eigentlich nur zwei. Mumps und Geschlechtskrankheiten. Aber Mumps verursacht nur selten vollkommene Sterilität. Betrifft gewöhnlich nur einen Hoden, wenn überhaupt. Syphilis ist die einzige Krankheit, die mit Sicherheit zu Sterilität führt. Aber mit unserer modernen Behandlung kommt es erst gar nicht soweit.«

«Könnten Sie mir mehr davon erzählen?«

«Hypothetisch?«fragte er.»Ich meine, Sie glauben nicht, Sie selbst hätten sich infiziert? Denn wenn das so wäre.«

«Ganz bestimmt nicht«, unterbrach ich ihn.»Rein hypothetisch.«

«Gut…«Er nahm einen tüchtigen Schluck.»Also. Manchmal holen sich die Leute Syphilis und Tripper gleichzeitig. Sagen wir, sie werden gegen Tripper behandelt und geheilt, aber die Syphilis bleibt unentdeckt… ja? Nun, Syphilis ist eine progressive Krankheit, kann aber für Jahre ruhen, bevor sie ausbricht, und ihren Schaden mehr oder weniger ohne Wissen ihres Trägers anrichten. Die Sterilität könnte einige Jahre nach der Infektion auftreten. Man kann nicht genau sagen, wie viele Jahre; da gibt es gewaltige Unterschiede. Aber bevor die Sterilität auftritt, könnten jede Menge infizierte Kinder empfangen oder gezeugt werden. In der Regel werden sie tot geboren. Einige überleben, aber fast immer stimmt etwas nicht mit ihnen.«

Alessandro hatte gesagt, sein Vater sei nach seiner Geburt erkrankt, womit er aus dem Schneider war. Und eine Geschlechtskrankheit würde die extreme Verbitterung von Enzos Frau erklären und die von wilden Streitereien begleitete Auflösung der Ehe.

«Heinrich der Achte«, sagte der Arzt, als sei es eine natürliche Konsequenz seiner Worte.

«Was?«fragte ich.

«Heinrich der Achte«, wiederholte er geduldig.»Er hatte Syphilis; Katharina von Aragon hatte ungefähr ein Dutzend Totgeburten, und ihr einziges lebendes Kind war unfruchtbar. Sein kränklicher Sohn Edward starb schon früh. Was mit Elizabeth war, weiß man nicht; nicht genug Daten. «Er machte auch noch dem letzten Tropfen in seinem Glas den Garaus.

Ich zeigte auf die Flasche.»Macht es Ihnen was aus, sich selbst zu bedienen?«

Er stand auf und füllte auch mein Glas nach.»Er hat immer seinen armen Frauen die Schuld daran gegeben, daß sie keine Söhne hervorbrachten, obwohl es die ganze Zeit an ihm lag, und dieser extreme Fanatismus bezüglich eines Sohnes… und links und rechts Köpfe rollen zu lassen, um einen zu bekommen. Das ist das typische zwanghafte syphilitische Benehmen.«

«Wie meinen Sie das?«

«Der Pfefferkönig«, sagte er, als sei damit alles erklärt.

«Was hatte er denn um Himmels willen mit Pfeffer zu tun?«

«Doch nicht Heinrich der Achte«, sagte er ungeduldig.»Der Pfefferkönig war jemand anders… sehen Sie, in den medizinischen Lehrbüchern, im Kapitel über die Komplikationen, die sich bei einer fortgeschrittenen Syphilis ergeben können, steht dieser Artikel über den Pfefferkönig. Das war ein Bursche, der unter Größenwahn litt, in einem Zwischenstadium der progressiven Paralyse, und er hatte diese Zwangsvorstellung, was Pfeffer betraf. Er machte sich daran, den ganzen Pfeffer auf der Welt aufzukaufen, um sich zu einem Industriemagnaten zu machen, und wegen seines zwanghaften Fanatismus ist es ihm auch gelungen.«

Ich versuchte, mich durch das Labyrinth hindurchzufinden.

«Wollen Sie damit sagen, daß unser hypothetischer syphilitischer Herr sich in einem Stadium nach eingetretener Sterilität einreden kann, er könne Berge versetzen?«

«Nicht nur einreden«, pflichtete er mir nickend bei.»Sondern es auch tatsächlich tun kann. Was das Berge versetzen betrifft, gibt es buchstäblich keinen geeigneteren Kandidaten als unseren größenwahnsinnigen Syphilitiker. Nicht, daß das für immer so bleibt, natürlich. Zwanzig Jahre vielleicht, nachdem es erst einmal soweit gekommen ist.«

«Und was dann?«

«Progressive Paralyse. «Er nahm einen kräftigen Schluck.»Demenz. Mit anderen Worten: totale geistige Umnachtung. Gehirnerweichung, bis nur noch Gemüse da ist.«

«Unausweichlich?«

«Nach diesem Stadium des Größenwahnsinns ja. Aber nicht jeder, der Syphilis bekommt, bekommt auch progressive Paralyse, und nicht jeder, der progressive Paralyse kriegt, wird zuerst größenwahnsinnig. Es sind nur Seitenlinien… ziemlich seltene Komplikationen.«

«Das will ich auch hoffen«, sagte ich aus echter Überzeugung.

«Ja, wirklich. Wenn Sie einen syphilitischen Größenwahnsinnigen treffen, ducken Sie sich. Ducken Sie sich ganz schnell, denn er kann gefährlich sein. Es gibt eine Theorie, die besagt, daß Hitler einer war…«Er sah mich nachdenklich über den Rand seines Glases hinweg an, und seine alten, feuchten Augen weiteten sich plötzlich. Sein Blick konzentrierte sich auf die Schlinge, die er um meinen Arm gelegt hatte, und er sagte, als könne er nicht glauben, was er da dachte:»Sie haben sich nicht schnell genug geduckt.«

«Ein Pferd hat mich abgeworfen«, sagte ich.

Er schüttelte den Kopf.»Es war ein direkter Schlag. Das konnte ich sehen… Aber ich konnte es nicht glauben. Fand es äußerst verwirrend, um ehrlich zu sein.«

«Ein Pferd hat mich abgeworfen«, wiederholte ich.

Er sah mich mit erwachender Belustigung an.»Wenn Sie es sagen«, meinte er.»Ein Pferd hat Sie abgeworfen. Das werde ich in meine Notizen nehmen. «Er beendete seinen Drink und stand auf.»Versuchen Sie also, ihm nicht länger im Weg zu stehen. Und ich meine es ernst, junger Mann. Denken Sie nur daran, daß Heinrich der Achte eine Menge Köpfe rollen ließ.«

«Ich werde daran denken«, sagte ich.

Als hätte ich das vergessen können.