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Ich ging zurück, in den Hof hinein, unterhielt mich ein paar Minuten mit Archangels Sicherheitsposten, der die Gelegenheit nutzte, um in der Kantine zu frühstücken, ging dann ins Haus, machte mir etwas Kaffee und nahm meine Tasse mit ins Büro. Margaret kam samstags nicht. Ich trank etwas von dem Kaffee und öffnete die Morgenpost, indem ich die Umschläge zwischen den Knien hielt und sie mit einem Papiermesser aufschlitzte.

Ich hörte einen Wagen auf dem Kies und das Zuschlagen einer Tür und konnte um einen Augenblick den Neuankömmling nicht vom Fenster aus erkennen, weil ich die Geschwindigkeit, mit der ich meinen Kopf drehen konnte, falsch eingeschätzt hatte. Alle möglichen Leute konnten am Guineas-Morgen dem Stall einen Besuch abstatten. Jeder der Besitzer, die sich für die Zeit des Rennens in Newmarket aufhielten. Jeder.

Es war Enzo. Enzo mit seinem schalldämpferbestückten Gleichmacher. Er fuchtelte wie gewöhnlich damit herum. So früh am Morgen, dachte ich bloß. Waffen vorm Frühstück. Wie dumm.

Es ist aus, dachte ich. Es ist verdammt noch mal aus und vorbei.

Wenn Enzo früher wütend ausgesehen hatte, so wirkte er jetzt geradezu explosiv. Der kurze, dicke Körper bewegte sich wie ein Panzer um den Schreibtisch herum auf meinen Stuhl zu, und ich wußte, was Alessandro gemeint hatte, als er sagte, ich wisse nicht, wie er sein könne. Enzo oben bei der Eisenbahn war ein Appetithäppchen gewesen — dieser hier der volle Hauptgang.

Er ging direkt auf mich los, mit einem wilden rechten Aufwärtshaken auf die schönen Bandagen des guten alten Arztes, und raubte mir auf einen Streich den Atem, meine Fassung und den größten Teil meines Widerstands. Ich machte einen ernsthaften Versuch, ihn mit dem Papiermesser zu erwischen, woraufhin er mein Handgelenk gegen die Kante des Aktenschranks krachen ließ. Er war stark und energiegeladen und furchteinflößend, und ich war von Enzo weniger besiegt als überwältigt. Er schlug mir mit der Pistole ins Gesicht, schwenkte sie dann am Schalldämpfer herum und ließ den Griff bösartig auf meine Schulter niedersausen — ich war zu diesem Zeitpunkt schon halb besinnungslos und beinahe jenseits von Angst.

«Wo ist Alessandro?«schrie er, zwei Zentimeter von meinem rechten Ohr entfernt.

Ich sackte ziemlich rückgratlos über dem Schreibtisch zusammen. Die Augen hatte ich geschlossen. Ich tat mein dürftiges Bestes, um mit einem Ausmaß an Gefühl fertig zu werden, das praktisch außerhalb meiner Kontrolle stand.

Er schüttelte mich. Nicht nett.»Wo ist Alessandro?«brüllte er.

«Auf einem Pferd«, erwiderte ich schwach. Wo sonst?» Auf einem Pferd.«

«Sie haben ihn entführt«, schrie er.»Sie werden mir sagen, wo er ist. Sagen Sie’s mir… oder ich breche Ihnen die Knochen. Alle.«

«Er reitet auf einem Pferd«, sagte ich.

«Das tut er nicht«, rief Enzo.»Ich habe es ihm verboten.«

«Na ja… er tut es doch.«

«Auf welchem Pferd?«

«Was spielt das für eine Rolle?«

«Welches Pferd?« Er schrie mir praktisch direkt ins Ohr.

«Lucky Lindsay«, sagte ich. Als wäre das von Bedeutung. Ich schob mich aufrecht auf den Stuhl und schaffte es, die Augen zu öffnen. Enzos Gesicht war nur Zentimeter entfernt, und seine Augen sprachen ein Todesurteil.

Die Pistole fuhr hoch. Ich wartete wie betäubt.

«Halten Sie ihn auf«, sagte er.»Holen Sie ihn zurück.«

«Ich kann nicht.«

«Sie müssen. Holen Sie ihn zurück, oder ich bringe Sie um.«

«Er ist seit zwanzig Minuten weg.«

«Holen Sie ihn zurück!« Seine Stimme war heiser, schrill und ängstlich. Endlich begriff ich, daß seine Wut sich in entsetzliche Angst verwandelt hatte. Aus Zorn war Furcht geworden. In den schwarzen Augen brannte eine unvorstellbare Marter.

«Was haben Sie getan?«fragte ich starr.

«Holen Sie ihn zurück«, wiederholte er, als könnte er mit Gebrüll allein alles erreichen.»Holen Sie ihn zurück!«Er hob die Pistole, aber ich glaube, daß nicht einmal er selbst wußte, ob er mich damit erschießen oder schlagen wollte.

«Das kann ich nicht«, erwiderte ich ausdruckslos.»Sie können tun, was Sie wollen, ich kann es nicht.«

«Man wird ihn töten«, schrie er wild.»Mein Sohn… mein Sohn wird getötet werden. «Er fuchtelte unkontrolliert mit den Armen, und sein ganzer Körper zitterte.»Tommy Hoylake. In den Zeitungen steht, daß Tommy Hoylake heute morgen Lucky Lindsay reiten würde.«

Ich rutschte auf die Vorderkante des Stuhls, zog meine Beine an und machte mich schwerfällig an die Aufgabe, mich zu erheben. Enzo versuchte nicht, mich zurückzustoßen. Er war zu beschäftigt mit der entsetzlichen Vorstellung, die vor seinem inneren Auge Gestalt annahm.

«Tommy Hoylake… Hoylake reitet Lucky Lindsay.«

«Nein«, sagte ich rauh.»Alessandro reitet ihn.«

«Tommy Hoylake. Hoylake. Er muß es sein, er muß es sein…«Seine Augen weiteten sich noch mehr, und seine Stimme wurde schriller und schriller.

Ich hob die Hand und schlug ihm hart ins Gesicht.

Sein Mund blieb offen, aber die Geräusche, die zuvor daraus gekommen waren, hörten so plötzlich auf, als hätte man einen Schalter gedrückt.

Die Muskeln in seinen Wangen zuckten. Sein Kehlkopf bewegte sich unablässig. Ich gab ihm Zeit, wieder in Gang zu kommen.

«Sie hatten die Absicht, Tommy Hoylake zu töten.«

Keine Antwort.

«Wie?«fragte ich.

Keine Antwort. Ich schlug ihm noch einmal ins Gesicht, mit soviel Kraft, wie ich aufbringen konnte. Es war nicht besonders viel.

«Wie?«

«Carlo. und Cal. «Die Worte waren kaum voneinander zu unterscheiden.

Pferde auf der Heide, dachte ich. Tommy Hoylake, der Lucky Lindsay reitet, Carlo, der jedes Pferd auf dem Hof kannte, der alle Pferde jeden Tag beobachtet hatte und Lucky Lindsay mit derselben Unfehlbarkeit erkannte wie jeder Turfspion. Und Cal… Ich spürte, wie meine eigenen Gedärme sich genauso zusammenzogen, wie Enzos es getan haben mußten. Cal hatte die Lee Enfield 303.

«Wo sind sie?«sagte ich.

«Ich… weiß… nicht.«

«Sie sollten sie besser finden.«

«Sie… verstecken… sich.«

«Gehen Sie, und finden Sie sie«, sagte ich.»Gehen Sie los, und finden Sie sie. Es ist Ihre einzige Chance. Es ist Alessandros einzige Chance. Finden Sie ihn, bevor sie ihn erschießen… Sie schwachsinniger, dreckiger Mörder.«

Er stolperte wie blind um den Schreibtisch herum und ging auf die Tür zu. Die Pistole noch in der Hand, krachte er gegen den Rahmen und taumelte hin und her. Dann richtete er sich auf, stürmte durch den kurzen Flur und hinaus auf den Hof, wo er auf unsicheren Beinen und halb im Laufschritt auf seinen dunkelroten Mercedes zustolperte. Er brauchte drei Versuche, um den Motor anzulassen, bevor dieser zündete. Dann holte er zu einem verzweifelten Wendemanöver aus, dröhnte die

Einfahrt hinunter und bog mit quietschenden Reifen nach rechts auf die Bury Road ein.

Verfluchter, dreckiger Mörder. Ich folgte ihm aus dem Büro, ging aber den Hof hinunter.

Laufen unmöglich. Die neuerlichen Hiebe, die er meiner Schulter verpaßt hatte, machten selbst das Gehen zu einer schrecklichen Strapaze. Törichter, wahnsinniger Mörder — Bastard. Zwanzig Minuten, seit Alessandro auf Lucky Lindsay davongeritten war… Zwanzig Minuten, wenn nicht mehr. Sie mußten schon ein gutes Stück auf der Waterhall-Bahn zurückgelegt haben. Kreisten jetzt wahrscheinlich am Ende der Line-Galoppbahn und formierten sich zu Gruppen. Ritten los…

Verdammt, dachte ich. Warum setze ich mich nicht einfach hin und warte ab, was passiert. Wenn Enzo seinen kostbaren Sohn tötet, geschieht es ihm ganz recht.