«Blutgerinnsel«, erwiderte er prompt.»Unglücklicherweise nicht ungewöhnlich bei älteren Leuten, die längere Zeit bettlägerig gewesen sind. Und die Fraktur Ihres Vaters. Nun ja, es ist tragisch, tragisch, aber nicht ungewöhnlich. Tut mir leid. Der Tod lauert am Krankenbett, sagen einige Leute. Ging sehr schnell, Mr. Griffon. Sehr schnell. Es gab nichts, was wir hätten tun können, glauben Sie mir.«
«Ich glaube Ihnen.«
Aber es war unmöglich, dachte ich. Er konnte nicht tot sein. Ich hatte doch gerade an diesem Nachmittag erst mit ihm gesprochen.
Das Krankenhaus hätte gerne Anweisungen, hieß es zartfühlend.
Ich würde jemanden von Newmarket schicken, sagte ich vage. Einen Leichenbestatter aus Newmarket, um ihn nach Hause zu holen.
Den Montag verbrachte ich mit endlosem Gerede. Redete mit der Polizei, redete mit dem Jockey Club, redete mit etwa einem Dutzend Besitzern, die angerufen hatten, um zu fragen, was jetzt aus ihren Pferden werden würde.
Redete und redete.
Margaret wurde mit dem unablässigen Hochdruck so gelassen fertig wie mit Susie und ihrer Freundin. Und Susies Freundin, sagte sie, habe, nebenbei bemerkt, berichtet, daß Alessandro sein Zimmer nicht mehr verlassen habe, seit die Polizei ihn am Samstag morgen dorthin gebracht hatte. Er habe nichts gegessen und wolle mit niemandem reden, außer um zu sagen, daß man ihn in Ruhe lassen sollte. Die Mutter von Susies Freundin habe gesagt, es sei ja alles gut und schön, aber Alessandro habe niemals Geld bei sich gehabt, und seine Rechnung sei nur bis zum vergangenen Samstag bezahlt, und sie dächten darüber nach, ihn zum Gehen aufzufordern.
«Sagen Sie der Mutter von Susies Freundin, daß ich Alessandro noch Geld schulde und daß er in der Schweiz sehr reich sein wird.«
«Gemacht«, sagte sie und rief sofort im Forbury Inn an.
Etty kümmerte sich beim Training um beide Lots, und irgendwie wurden die richtigen Starter nach Bath gebracht. Vic Young fuhr mit ihnen und sagte später, daß der Lehrling, der an Alessandros Stelle Pullitzer geritten habe, keinen Pfifferling tauge.
Der Polizei hatte ich alles erzählt, was am Samstagmorgen vorgefallen war, aber nichts von den Ereignissen davor. Enzo sei kürzlich in England angekommen, sagte ich, und habe diese ungewöhnliche fixe Idee entwickelt. Sie hatten keinen Grund, diese gekürzte Version nicht zu glauben, und ich hätte nichts gewonnen, wenn ich ihnen mehr erzählt hätte.
Unten im Jockey Club hatte ich eine lange Sitzung mit einem Komitee aus Mitgliedern der Rennleitung und des Renngerichts, die eigens zu diesem Zweck nach dem Guineas-Rennen dortgeblieben waren, und der Ausgang dieser Besprechung war gleichermaßen zufriedenstellend.
Danach wies ich Margaret an, alle anfragenden Besitzer wissen zu lassen, daß ich für den Rest der Saison auf Rowley Lodge bleiben würde und daß sie, wenn sie wollten, ihre Pferde wegholen könnten.
«Tun Sie das wirklich?«fragte sie.»Bleiben Sie da?«
«Bleibt mir kaum etwas anderes übrig, oder?«sagte ich. Aber wir lächelten beide.
«Seitdem Sie diese Lüge verbreitet haben, daß Sie angeblich niemanden fänden, der übernimmt, und das, obwohl Sie die ganze Zeit über John Bredon hätten bekommen können — seitdem habe ich gewußt, daß es Ihnen hier gefällt.«
Ich ließ ihr ihre Illusionen.
«Ich bin froh, daß Sie bleiben«, sagte sie.»Ich nehme an, es ist sehr unloyal Ihrem Vater gegenüber, da er erst gestern gestorben ist, aber ich habe viel lieber für Sie gearbeitet.«
Ich war nicht so despotisch, das war alles. Sie hätte für jeden gute Arbeit geleistet.
Bevor sie um drei Uhr ging, sagte sie, daß bisher keiner der Besitzer, die angerufen hatten, seine Pferde wegholen wolle, und das galt auch für Archangels Bankier.
Als sie weg war, schrieb ich meinen Anwälten in London und bat sie, mir das Päckchen, das sie im Falle meines plötzlichen Todes hätten öffnen sollen, nach Newmarket zurückzuschicken.
Danach schluckte ich ein paar Codeinpillen und überlegte, wie lange es dauern würde, bis mir nichts mehr weh tat, und von fünf bis halb sieben machte ich mit Etty zusammen die Abendstallzeit.
Wir kamen an Lancats leerer Box vorbei.
«Dieser verdammte Alex«, sagte Etty mit rückblickendem Zorn. Die Vergangenheit war Vergangenheit. Die Rennen von morgen waren alles, was zählte. Morgen in Chester. Sie sprach von Zukunftsplänen. Sie war zufrieden, ausgefüllt und tatkräftig. Der Übergang von meinem Vater zu mir war so allmählich vonstatten gegangen, daß jetzt keine plötzlichen Änderungen notwendig waren.
Ich überließ ihr wie gewöhnlich die Überwachung der Abendfütterung und ging zurück zum Haus. Irgend etwas ließ mich die Einfahrt hinaufblicken, und dort stand reglos und nur halb sichtbar vor den Baumstämmen Alessandro.
Es sah aus, als wäre er den halben Weg die Einfahrt hinuntergekommen, bevor ihn der Mut verlassen hatte. Ohne Hast trat ich aus dem Hof und ging ihm entgegen.
Die Anspannung hatte ihn so sehr altern lassen, daß er jetzt eher vierzig als achtzehn Jahre alt schien. Die Knochen ragten scharf durch seine Haut, und in den schwarzen Augen lag nichts als absolute Hoffnungslosigkeit.
«Ich bin gekommen«, begann er.»Ich brauche… ich meine, Sie sagten am Anfang, daß ich die Hälfte des Geldes haben könne, das ich beim Rennen gewinne… Kann ich es… immer noch haben?«
«Das können Sie«, sagte ich.»Selbstverständlich.«
Er schluckte.»Es tut mir leid, daß ich gekommen bin. Ich mußte kommen. Um Sie wegen des Geldes zu fragen.«
«Sie können es sofort haben«, sagte ich.»Kommen Sie mit ins Büro.«
Ich wandte mich halb von ihm ab, aber er rührte sich nicht von der Stelle.
«Nein. Ich… kann nicht.«
«Dann schick’ ich es Ihnen ins Forbury Inn«, sagte ich.
Er nickte.»Vielen Dank.«
«Haben Sie irgendwelche Pläne?«fragte ich ihn.
Die Schatten auf seinem Gesicht schienen sich sogar noch zu vertiefen.
«Nein.«
Er nahm sichtbar jeden Funken an Entschlossenheit zusammen, biß sich auf die Lippen und stellte mir die Frage, die ihn in Stücke riß.
«Wann werde ich gesperrt?«
Neil Griffon war ein Spinner, wie Gillie sagte.
«Sie werden nicht gesperrt«, erklärte ich ihm.»Ich habe heute morgen mit dem Jockey Club geredet. Ich habe ihnen gesagt, daß Sie Ihre Lizenz nicht verlieren sollten, weil Ihr Vater verrückt geworden ist, und das hat sie überzeugt. Es wird Ihnen vielleicht nicht gefallen, daß ich die Geisteskrankheit Ihres Vaters erwähnt habe, aber das war das Beste, was ich tun konnte.«
«Aber…«, sagte er voller Verwirrung und dann plötzlich begreifend:»Haben Sie ihnen denn nichts von Moonrock und Indigo gesagt. und von Ihrer Schulter?«
«Nein.«
«Ich verstehe nicht… warum Sie es nicht getan haben.«
«Ich sehe keinen Sinn darin, mich an Ihnen für das zu rächen, was Ihr Vater getan hat.«
«Aber… er hat es… am Anfang… nur getan, weil ich ihn darum gebeten hatte.«
«Alessandro«, sagte ich.»Wie viele Väter würden wohl tun, was er getan hat? Wie viele Väter würden, wenn ihre Söhne sagen, sie wollten Archangel im Derby reiten, sogar Mord in Kauf nehmen, um ihnen diesen Wunsch zu erfüllen?«
Nach einer langen Pause sagte er:»Er war also wahnsinnig. Er war es wirklich.«
Das war eindeutig kein Trost für ihn.
«Er war krank«, sagte ich.»Diese Krankheit, die er hatte, nachdem Sie geboren wurden. Sie hat sein Gehirn in Mitleidenschaft gezogen.«
«Dann werde ich… nicht…?«:
«Nein«, sagte ich.»Sie können es nicht erben. Sie sind so gesund wie jeder andere. So gesund, wie Sie sein wollen.«
«Wie ich sein will«, wiederholte er ausdruckslos. Seine Gedanken waren nach innen gerichtet. Ich ließ ihm Zeit. Ich wartete mit größter Geduld, denn was er sein wollte, das war der letzte Zug im Spiel.