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Wir fanden, daß der »Boß« ein kleiner, grabesernster Offizier war, der hinter seinem Schreibtisch saß und uns mit scharfen blauen Augen durchbohrte, als wir in sein Büro traten. Er bot uns Sitze an.

»Well, und was wünschen die Herren? « fragte er kurz Oberst Lewis, ohne den Blick aus dem meinen zu lösen.

»Ach, nur eine Kleinigkeit«, beeilte sich Lewis zu versichern und berichtete von unserem Anliegen in kurzen Zügen, während der Chef geduldig und ohne uns aus dem Auge zu lassen zuhörte.

»Und was können Sie dabei für uns leisten?« fragte der Chef gänzlich unbeeindruckt.

»Well«, sagte Lewis zuvorkommend, »wir hoffen, daß uns die Expedition über den neuen Proviant berichten kann und daß wir erfahren, wie sich die Ausrüstung unter den schwierigen Verhältnissen bewährt, in die sie vermutlich kommt.«

Der grabesernste Offizier lehnte sich in seinem Sessel, noch immer völlig unberührt zurück, ohne seinen Blick von mir zu lassen, und ich fühlte mich meinerseits in den tiefen Ledersessel zurücksinken, als ich seine kühle Antwort hörte:

»Ich sehe in keiner Weise, daß Sie etwas Entsprechendes für uns tun können . . .«

Im Raum wurde es totenstill. Oberst Lewis biß sich auf die Lippe, und keiner von uns sagte ein Wort.

». . . aber«, sagte der Eiskalte plötzlich mit scharfer Betonung, und es kam ein Blitzen in seine Augen, »Mut und Forscherdrang zählen auch. Oberst Lewis, folgen Sie aus!«

Noch saß ich halb benommen im Taxi auf der Rückfahrt zum Hotel, als Hermann neben mir plötzlich zu murmeln und in sich hineinzukichern begann.

»Fehlt dir was?« fragte ich besorgt.

»Nein«, lachte er übermütig heraus, »aber siehst du, ich habe inzwischen ausgerechnet, daß in dem Proviant, den wir bekommen haben, sechshundertvierundachtzig Büchsen mit Ananas sind, und dafür lebe und sterbe ich!«

Tausend Dinge müssen getan werden und alle auf einmal, wenn man sechs Mann mit einem Floß und seiner ganzen Ausrüstung an der peruanischen Küste versammeln will. Wir hatten nur drei Monate Zeit, und leider stand Aladins Wunderlampe nicht zu unserer Verfügung. Mit einer Empfehlung der »Auswärtigen Abteilung« flogen wir nach New York und suchten Professor Behre von der Columbia-Universität auf, der dem Komitee des Kriegsdepartments für Geographische Forschung vorstand. Er drückte auf alle Knöpfe, und im Handumdrehen hatte Hermann all die kostbaren Instrumente und Apparate, die er für seine wissenschaftlichen Messungen brauchte.

Wir flogen nach Washington, um Admiral Glover vom Hydrographischen Institut der Marine aufzusuchen. Der gutgelaunte alte Seelöwe versammelte seine Offiziere, zeigte auf seine große Wandkarte des Pazifiks und stellte Hermann und mich mit den Worten vor:

»Diese jungen Herren beabsichtigen, unsere Seekarten zu korrigieren. Helfen Sie ihnen!«

Im weiteren Verlauf berief Oberst Lumsden auch bei den Engländern eine Zusammenkunft in der britischen Militärkommission in Washington ein, um die Probleme, die uns erwarteten, und die Chancen für einen günstigen Erfolg zu diskutieren. Hier bekamen wir vor allem gute Ratschläge, aber auch eine Auswahl von britischem Gerät, das man von England brachte, damit es auf der Floßfahrt ausprobiert würde. Der britische Sanitätschef war ein eifriger Fürsprecher für ein mysteriöses Haipulver. Wir sollten davon einige Krümel ins Wasser streuen, wenn die Haie zudringlich würden, dann würden sie alle in weitem Umkreis verduften.

»Sir«, fragte ich höflich und besorgt, »können wir uns auch auf dieses Pulver verlassen?«

»Well«, erwiderte der Engländer mit entgegenkommendem Lächeln, »genau das wollen wir ja dabei sehen!«

Wenn die Zeit knapp ist und das Flugzeug den Zug ersetzen muß, das Auto die Füße, dann schrumpft die Brieftasche ein wie ein vertrocknetes Herbarium. Mein Retourbillet nach Norwegen war längst zu Bargeld geworden. Deshalb klopften wir bei unseren Freunden, den Geldgebern in spe, in New York an, um unsere Finanzen zu sanieren. Hier trafen wir auf ungeahnte und finstere Probleme. Der Finanzchef war krank und lag mit Fieber im Bett. Seine zwei Kollegen waren machtlos, bis er wieder in Aktion treten konnte. Sie hielten wohl an unserer finanziellen Abmachung fest, aber vorläufig konnten sie nichts unternehmen. Sie baten uns, die Sache aufzuschieben, eine Bitte, die für uns völlig sinnlos war. Wir konnten gar nicht mehr die zahlreichen Räder anhalten, die wir gerade in Bewegung gesetzt hatten. Wir wurden auf jeden Fall mitgerissen, es war zu spät, stehenzubleiben oder zu bremsen. Unsere Freunde, die Geldgeber, verstanden sich schließlich dazu, die ganze Koalition aufzulösen, damit wir freie Hand bekamen, um rasch und selbständig ohne sie handeln zu können.

So standen wir wieder auf der Straße, die Fäuste in den Hosentaschen.

»Dezember, Januar, Februar«, sagte Hermann.

»Und zur Not auch März«, ergänzte ich, »aber dann müssen wir starten.«

Wenn auch alles schlimm aussah, eines war weiterhin für uns klar: Unsere Fahrt hatte ihren guten Sinn, und wir wünschten uns nicht mit Akrobaten auf eine Stufe zu stellen, die sich in einem hohlen Faß den Niagara hinunterrollen lassen oder auf einer Flaggenstange siebzehn Tage als Säulenheilige hocken bleiben.

»Also keine Hilfe von Kaugummi- und Coca-Cola-Konzernen«, sagte Hermann, und darin waren wir uns zutiefst einig. Norwegische Kronen konnten wir beschaffen, aber damit waren die Probleme auf unserer Seite des Atlantiks nicht zu lösen. Wir konnten uns um einen Mäzen umschauen, aber es mochte wohl keiner seinen Namen unter eine so umstrittene Theorie setzen. Deshalb wollten wir ja schließlich unsere Floßfahrt unternehmen. Wir fanden bald, daß weder die Presse noch private Spender es wagten, Bargeld in eine Sache zu stecken, die sie selbst im Verein mit allen Versicherungsgesellschaften für eine Selbstmörderpartie ansahen. Aber kamen wir mit heilen Knochen zurück, so war das natürlich eine andere Sache . . .

Es sah wirklich ziemlich finster aus, und viele Tage sichteten wir kein Land. Da tauchte Oberst Munthe-Kaas wieder auf der Bildfläche auf.

»Ja, ja, die jungen Leute haben es nicht leicht! Hier ist ein Scheck, damit ihr einmal anfangen könnt. Ihr könnt mir das Geld ja wiedergeben, wenn ihr von den Südseeinseln heimkommt.«

Der Oberst zog andere mit, und bald hatten wir von privater Seite genug erhalten, um uns weiterzuhelfen, ohne Agenten und ähnliches Volk zu brauchen. Es war Zeit, nach Südamerika zu fliegen und mit dem Floßbau zu beginnen.

Die alten Flöße in Peru sind aus Balsastämmen zusammengesetzt, die in trockenem Zustand leichter als Kork sind. Der Balsabaum wächst auch in Peru, aber nur hinter den Andenketten, so daß die Seefahrer der Inkazeit entlang der Küste nach Ecuador zogen, wo sie ihre enormen Balsastämme ganz unten an der Küste des Stillen Ozeans schlugen. Wir hatten die fromme Absicht, dasselbe zu tun.

Die Reiseprobleme der Gegenwart sind etwas anders als die der Inkazeit. Es ist der Menschheit geglückt, Auto, Flugzeug und Reisebüro zu schaffen, aber um die Sache nicht allzuleicht zu gestalten, haben wir uns auch Dinge angeschafft, die man Landesgrenzen nennt, mit messingbeknöpften Zerberussen, die das Alibi des harmlos Reisenden bezweifeln, sein Gepäck mißhandeln und auch den noch mit gestempelten Formularen ins Knie zwingen, der sonst glücklich hineingeschlüpft wäre. Die Furcht vor diesen Messingbeknöpften bewirkte, daß wir es gar nicht wagten, in Südamerika mit Kisten und Koffern voll merkwürdiger Gegenstände aufzutauchen, den Hut zu lüpfen und höflich in gebrochenem Spanisch um Einlaß zu bitten, um mit einem Floß wieder abzuhauen. Wir wären sicher hinter Schloß und Riegel gelandet.

»Nein«, sagte Hermann, »wir brauchen eine offizielle Einführung.«

Einer unserer Freunde aus dem aufgelösten Finanztriumvirat war Korrespondent bei den UN und nahm uns im Auto dorthin mit. Wir waren mächtig beeindruckt, als wir in den großen Versammlungssaal kamen, wo Männer aller Nationen nebeneinandergeschichtet saßen und in andächtigem Schweigen dem Redestrom eines schwarzhaarigen Russen lauschten, der vor der gigantischen Weltkarte, die die Rückwand schmückte, gestikulierte.