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Unser Freund vom Lastenflugzeug, Jörge, mit dem Zunamen »der spinnende Pilot«, gehörte zu einem der alten spanischen Geschlechter Quitos. Er brachte uns in einem altertümlichen und gemütlichen Hotel unter, von wo er teils mit, teils ohne uns loszog, um uns eine sichere Reisemöglichkeit über die Berge in den Quevedo-Dschungel zu verschaffen. Am Abend trafen wir uns in einem alten spanischen Cafe. Jörge steckte voll schlechter Neuigkeiten. Wir sollten uns den Gedanken an Quevedo ja aus dem Kopf schlagen. Es wären weder Fahrer noch Fahrzeuge aufzutreiben, die uns über die Berge hinunter mitnehmen wollten, noch weniger aber in den Dschungel hinein, wo der Regen bereits begonnen hatte und wo sofort ein Überfall drohte, wenn man sich im Schlamm festfuhr. Erst im letzten Jahr war eine Patrouille von zehn amerikanischen Ölingenieuren, von vergifteten Pfeilen getroffen, im östlichen Teil des Landes gefunden worden. Besonders dort gab es noch genug Waldindianer, die splitternackt den Urwald durchzogen und mit vergifteten Pfeilen auf Jagd gingen.

»Es gibt noch Kopfjäger darunter!« sagte Jörge mit hohler Stimme, als er sah, daß sich Hermann unangefochten mit noch mehr Beefsteak und Rotwein versah.

»Sie glauben wohl, ich übertreibe«, setzte er geheimnisvoll hinzu, »aber trotz aller strengen Verbote gibt es noch genug Leute, die davon leben, eingeschrumpfte Menschenköpfe zu verkaufen. Es ist leider nicht möglich, das zu kontrollieren. So kommt es fast täglich vor, daß die Waldindianer ihren Feinden unter den anderen umherziehenden Stämmen den Kopf abschneiden. Sie zertrümmern und entfernen die Schädelknochen und füllen die leere Haut mit glühheißem Sand, so daß der Zeitgenosse einschrumpft, ohne dabei seine Form und seine Gesichtszüge zu verlieren, bis er nur mehr die Größe eines Katzenkopfes hat. Solche eingeschrumpfte Feindesköpfe waren einmal kostbare Trophäen, jetzt sind sie eine seltene Schmugglerware. Zwischenmänner unter den Halbblutindianern sorgen dafür, daß sie bei den Aufkäufern unten an der Küste landen, die sie den Touristen zu schwindelnden Preisen verkaufen.«

Jörge sah uns triumphierend an. Wenn er jetzt noch gewußt hätte, daß Hermann und ich am selben Tag in ein Vorhaus gezogen worden waren, wo man uns zwei solcher Köpfe um 1000 Sucres das Stück angeboten hatte! Heutzutage sind solche Schädel oft Fälschungen, die aus Affenköpfen hergestellt werden. Aber die beiden angebotenen waren sicher echte Köpfe von Vollblutindianern und so naturgetreu, daß jeder einzelne kleine Zug bewahrt schien. Es waren die Schädel eines Mannes und einer Frau, beide so groß wie Apfelsinen. Den ihren konnte man sogar schön nennen, wenn auch nur die Augenwimpern und das lange schwarze Haar ihre natürlichen Maße bewahrt hatten. Mir graute jetzt noch, wenn ich daran dachte, aber laut äußerte ich meinen Zweifel, daß es Kopfjäger im Westen der Berge gäbe.

»Kann man nie wissen«, sagte Jörge düster. »Was würden Sie sagen, wenn ein guter Freund von Ihnen verschwunden wäre, und sein Kopf käme in Miniatur auf den Markt? Das geschah mir einmal mit einem meiner Freunde«, fügte er hinzu und blickte mich starr an.

»Erzählen Sie doch«, sagte Hermann und kaute langsam und ohne besonderen Appetit an seinem Beefsteak.

Ich legte die Gabel vorsichtig zur Seite, als Jörge begann: Er lebte einmal mit seiner Frau auf einem entlegenen Posten im Dschungel, wo er Gold wusch und den Gewinn der anderen Goldwäscher aufkaufte. Die Familie hatte damals einen eingeborenen Freund, der regelmäßig mit seinem Gold kam, um es gegen Handelsware einzutauschen. Eines schönen Tages wurde der Freund im Dschungel umgebracht. Jörge spürte den Mörder auf und wollte ihn zur Strafe erschießen. Nun war aber der Mörder einer von denen, die im Verdacht standen, eingeschrumpfte Menschenköpfe zu verkaufen. So versprach Jörge ihm das Leben, wenn er ihm augenblicklich den Schädel auslieferte. Sofort kam der Indianer mit dem Kopf von Jörges Freund, der allerdings nur noch faustgroß war. Jörge war sehr gerührt, seinen Freund so wiederzusehen, denn er war ganz unverändert, natürlich davon abgesehen, daß er etwas kleiner geworden war. Bewegt nahm er das winzige Haupt entgegen und brachte es seiner Frau nach Hause. Die fiel in Ohnmacht als sie es sah, so daß Jörge seinen Freund in einen Koffer verschwinden lassen mußte. Nun war es jedoch im Dschungel so feucht, daß ganze Bärte von grünem Schimmel auf dem Schädel wuchsen, und so mußte Jörge ihn ab und zu hervorholen und an der Sonne trocknen. Hier hing er dann für eine Weile und pendelte an seinen langen Haaren. Seiner Gattin wurde es jedesmal übel, wenn sie ihn zu sehen bekam. Eines schönen Tages allerdings fraß sich eine Maus in den Koffer und richtete den armen Freund übel her. Das war nun ein großer Schmerz für Jörge, der ihn alsdann mit allem erforderlichen Zeremoniell in einem winzig kleinen Loch am Flugplatz feierlich begrub. »Denn er war ja schließlich doch einmal ein menschliches Wesen«, schloß Jörge.

»Gesegnete Mahlzeit!« sagte ich.

Als wir im Nachtdunkel nach Hause gingen, plagte mich die unbehagliche Vorstellung, daß Hermanns Hut ihm furchtbar weit über die Ohren hinge. Aber vielleicht hatte er ihn nur wegen des kühlen Nachtwindes, der von den Anden herabwehte, so weit herabgezogen.

Am nächsten Tag saßen wir bei unserem Generalkonsul Bryhn und seiner Frau unter den Eukalyptusbäumen draußen auf deren großer Hazienda vor der Stadt. Bryhn glaubte zwar kaum, daß wir auf unserer geplanten Dschungeltour nach Quevedo zu einer so drastischen Veränderung unserer Hutnummer genötigt würden, aber man konnte schließlich nie wissen! Es gab genug Räuber in den Gegenden, wohin wir zu fahren gedachten. Der Generalkonsul hatte aus den Lokalblättern Mitteilungen ausgeschnitten, die verkündeten, daß in der Trockenzeit Soldaten ausgeschickt werden sollten, um die Bandidos auszurotten, die sich in der Gegend um Quevedo aufhielten. Dorthin zu reisen, wäre der reinste Wahnsinn, meinte er, und wir würden auch niemals Führer und Unterstützung für die Tour bekommen. Im Verlauf des Gesprächs sahen wir aber einen Jeep von der amerikanischen Militärdelegation draußen auf der Straße vorbeijagen, und im selben Augenblick hatten wir auch schon einen Plan gefaßt. Lebhaft vom Generalkonsul bedauert, begaben wir uns auf die amerikanische Gesandtschaft, wo es uns gelang, zum Militärattache persönlich vorzudringen. Der war ein schlanker, geschmeidiger junger Mann in Khaki und Reitstiefeln, der uns lachend fragte, wie wir uns in die Gipfel der Anden verirrt hätten, während die Lokalblätter von uns behaupteten, wir wollten mit einem Floß in See stechen.

Wir erklärten ihm nun, unser Floß stecke vorläufig noch mit seinen Wurzeln im Quevedo-Dschungel, und wir säßen nun hier auf dem Dach des Kontinents und könnten es nicht erreichen. Wir forderten daher den Militärattache auf, uns unverzüglich entweder ein Flugzeug und zwei Fallschirme oder einen Jeep und einen Chauffeur mit Ortskenntnissen zu borgen. Der Militärattache war zuerst ganz verdutzt über unsere Frechheit, dann ließ er sich die Geschichte durch den Kopf gehen und sagte mit einem Lächeln: »All right!« Nachdem wir ihm keine dritte Alternative geben wollten, zöge er es vor, die zweite zu wählen.