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»Balsa?« fragten Hermann und ich wie aus einem Munde.

Die „Kon-Tiki" klar zum Start im Hafen von Callao. Als getreue Kopie der historischen Indianerfahrzeuge, die den Stillen Ozean vor der Küste von Peru und Ecuador befahren haben, ist das Floß mit einer offenen Bambushütte am Achterdeck und einem Raasegel zwischen zwei zusammengebundenen Masten ausgestattet. Wir tauften es zu Ehren des Sonnengottes auf den Namen „Kon-Tiki".

 

Mit vollen Segeln auf schwerer See. Wir haben eine bittere Lehrzeit draußen im Humboldtstrom. Die letzten Meister im Floßsegeln, die es uns hätten lehren können, sind ja schon seit vielen hundert Jahren tot.

»Balsa«, nickte einer von den Kerlen und gab den Stämmen respektlos einen Fußtritt.

Die Strömung ergriff uns und wirbelte uns den Fluß hinunter, während die Leute an den richtigen Stellen stakten und so das Floß in Kurs hielten, schräg über den Strom hinüber und in das stillere Wasser auf der anderen Seite hinein. Das war unsere erste Begegnung mit dem Balsaholz und unsere erste Fahrt auf einem Balsafloß.

Am anderen Ufer zogen wir das Floß an Land und fuhren triumphierend in Quevedo ein. Zwei Reihen von geteerten Holzhäusern mit bewegungslosen Geiern auf den Palmendächern bildeten eine Art Straße, die die ganze Ortschaft ausmachte. Die Bevölkerung ließ alles, was sie in Händen hatte, liegen und stehen, und Schwarze und Braune, Junge und Alte quollen förmlich aus Türen und Fenstern. Wie ein reißender Strom von tausend plappernden Zungen wälzten sie sich dem Jeep entgegen und hängten sich wie die Kletten auf allen Seiten an ihn. Während wir verzweifelt unser irdisches Eigentum zusammenhielten und Aguarto heroisch um das Steuer kämpfte, ging unserem Jeep die Luft aus, und er sank pfeifend in die Knie. Wir waren in Quevedo angekommen und mußten die Empfangsumarmung aushalten.

Don Federicos Plantage lag noch ein Stück weiter den Fluß hinunter. Als der Jeep mit Agurto, Hermann und mir entlang einem Wege zwischen Mangobäumen in den Hof hineingehumpelt kam, lief uns der kleine, zaundürre Dschungelbewohner mit seinem Neffen Angel schon in raschen Sprüngen entgegen. Angel war noch ein Bub und hauste mit dem Alten zusammen hier in der Einsamkeit. Wir überbrachten Grüße von Don Gustavo, und bald stand der Jeep allein auf dem Hofplatz, während ein neuer Tropenregenschauer über den Dschungel niederprasselte. Für uns aber gab es ein Fest im Bungalow Don Federicos, bei dem Spanferkel und junge Hühner über dem offenen Feuer brieten, während wir um überquellende Schalen mit Südfrüchten saßen und unser Anliegen vorbrachten. Der Dschungelregen, der draußen niederging, sandte eine warme, süße Mischung von Blumenduft und Moder durch die Fensteröffnung herein.

Don Federico war lebhaft wie ein kleiner Bub. Ja, Balsaflöße habe er schon seit seinen ersten Hosen gekannt, sagte er. Vor fünfzig Jahren, als er unten am Meere wohnte, kamen die Indianer von Peru noch immer auf großen Balsaflößen die Küste heraufgesegelt, um in Guayaquil Fische zu verkaufen. Sie konnten ein paar Tonnen getrockneten Fisch in einer Bambushütte mitten auf dem Floß mitbringen, oder sie hatten Frauen und Kinder, Hunde und Hühner an Bord. So große Balsabäume, wie sie damals zu den Flößen verwendet hatten, würden jetzt allerdings im Regen nur schwer zu finden sein. Schlamm und Überschwemmung hatten bereits die Balsaplantage oben in den Bergen selbst zu Pferde unzugänglich gemacht. Aber Don Federico würde sein Bestes tun. Vielleicht wuchsen noch einzelne Bäume wild im Wald, näher am Bungalow. Wir brauchten ja nicht viele.

Abends hörte der Regen einen Augenblick auf, und wir machten einen kleinen Ausflug unter die nächsten Mangobäume. Hier hatte Don Federico die verschiedensten wilden Orchideen von den Ästen niederhängen, in halbe Kokosschalen wie in Blumentöpfen gepflanzt. Im Gegensatz zu den kultivierten Orchideen kam ein wunderbarer Duft von diesen seltenen Pflanzen, und Hermann beugte sich herunter, um sein Nase in eine hineinzustecken, als etwas Langes, Dünnes und Glitzerndes sich aus dem Laubwerk über ihm herauswand. Wie ein Blitz fuhr ein Peitschenschlag Angels dazwischen, und eine Schlange fiel zuckend zu Boden. Im nächsten Augenblick war sie mit einer Astgabel über den Nacken an die Erde geheftet und ihr der Kopf zerschlagen.

»Tödlich«, sagte Angel und entblößte die krummen Giftzähne, um zu zeigen, was er meinte.

Nun sahen wir allerorten Giftschlangen im Laubwerk lauern. Angels Trophäe leblos über einen Stecken gehängt, traten wir den Rückzug ins Haus an. Hermann begann das grüne Scheusal abzuhäuten, und Don Federico erzählte reine Gespenstergeschichten von Giftschlangen und Riesenschlangen, so dick wie Suppentöpfe. Plötzlich erblickten wir an der Wand die Schatten zweier enormer Skorpione, die sich dort wie richtiggehende Hummer ausnahmen. Sie stürzten sich aufeinander und trugen mit ihren Scheren einen tödlichen Kampf aus, während sie den krummen Giftstachel am Ende des Unterleibes zum Todesstoß erhoben. Es war ein unsympathischer Anblick, und erst als wir die Paraffinlampe hoben, sahen wir, daß zwei gewöhnliche Skorpione diese übernatürlichen Riesenschatten hervorgerufen hatten, die auf der Kante der Kommode im Kampf lagen.

»Laßt sie nur in Ruhe«, lachte Don Federico, »der eine bringt schon den anderen um, und den überlebenden dulden wir im Haus. Er muß uns die Kakerlaken vom Hals halten. Aber schließt ja das Moskitonetz dicht um das Bett und schüttelt die Kleider aus, bevor ihr sie anzieht, dann seid ihr sicher. Ich wurde schon viele Male von Skorpionen gestochen und bin noch immer nicht tot.«

So schlief ich dann auch gut und erwachte nur dann und wann mit dem Gedanken an giftige Stiche, wenn Vierbeiner oder Fledermäuse allzu beunruhigend an meinem Kopfende zirpten und kratzten.

Am nächsten Morgen standen wir zeitig auf, um auf die Jagd nach Balsabäumen zu gehen.

»Es ist von Vorteil, die Kleider auszuschütteln«, sagte Agurto, gleichzeitig fiel ein Skorpion aus seinem Hemdärmel und verschwand in einer Bodenritze.

Kurz nach Sonnenaufgang sandte Don Federico seine Männer hoch zu Roß in alle Richtungen, um nach zugänglichen Balsabäumen entlang der Wege zu suchen. Unsere eigene Patrouille bestand aus Don Federico, Hermann und mir. Wir fanden auch bald auf einer offenen Stelle einen alten Riesenbaum, der Don Federico bekannt war. Der reichte weit über alle Bäume im Umkreis hinaus und maß seine drei Fuß im Querschnitt. Nach gut polynesischer Sitte tauften wir den Baum, bevor wir Hand an ihn legten. Wir gaben ihm den Namen »Ku« nach einer polynesischen Gottheit amerikanischer Herkunft. Dann schwangen wir das Beil und trieben es in den Stamm, daß es durch den Urwald hallte. Aber einen saftstrotzenden Balsabaum zu fällen, war eine Hundearbeit. Das Holz federte, als würde man mit einem stumpfen Beil auf Kork schlagen. Die Axt prellte förmlich zurück, und ich hatte noch nicht allzuviel Hiebe getan, als Hermann mich schon ablösen mußte. So wanderte das Beil zwischen uns hin und her, während die Splitter flogen und der Schweiß in der Dschungelhitze nur so floß. »Ku« stand hinaus in die Luft wie ein Hahn auf einem Bein und zitterte unter den Schlägen. Bald schwankte er und brach schwer über den Wald herein, während in weitem Umkreis große Äste und kleine Bäume in den Fall des Riesen mit hineingezogen wurden. Wir entästeten den Stamm und begannen die Rinde Zickzack auf Indianermanier zu entfernen, als Hermann plötzlich das Beil fahren ließ und in die Luft sprang wie in einem polynesischen Kriegstanz, die Hand auf seinen Schenkel gedrückt. Aus dem Hosenbein fiel ein glänzendes Insekt, groß wie ein Skorpion mit einem langen Giftstachel am Ende. Das Biest mußte eine Schale wie ein Hummer haben, denn es war fast unmöglich, es am Boden zu zertreten.