Ich hatte den Marineattache von Peru in Washington getroffen und von ihm einen Empfehlungsbrief erhalten. Diesen Brief in der Hand, ging ich am nächsten Morgen ins Marineministerium und suchte um Audienz bei dem Marineminister Manuel Nieto nach. Er empfing mich am nächsten Vormittag in dem eleganten Empiresaal des Ministeriums, der von Vergoldungen und Spiegeln prangte. Nach einem Augenblick des Wartens erschien der Marineminister in voller Uniform, ein kurzer, breitgebauter Offizier, stramm wie Napoleon, mit einer scharfen und präzisen Redeweise. Es gab ein Warum von ihm und eine Erklärung von mir. Ich bat ihn, ein Floß in der Marinewerft bauen zu dürfen.
»Junger Mann«, sagte der Minister und trommelte ungeduldig mit den Fingern, »Sie sind leider durchs Fenster statt durch die Türe gekommen. Ich würde Ihnen gerne helfen, aber dafür brauche ich eine Order vom Außenminister, ich kann keinesfalls ohne weiteres einen Ausländer in das Sperrgebiet der Marine hineinlassen und ihn über die Werft verfügen lassen. Aber ich wünsche Ihnen viel Glück zu einem schriftlichen Ansuchen beim Auswärtigen Amt.«
Ich dachte mit Schrecken an Gesuche, die so lange weitergereicht wurden, bis sie ins Blaue verschwanden. Glücklicher waren Kon-Tikis rauhe Zeiten, als Eingaben noch unbekannt waren.
Eine Audienz beim Außenminister zu erreichen, war wesentlich schwieriger. Norwegen hatte keine Delegation in Peru, und unser hilfsbereiter Generalkonsul Bahr konnte mich daher nur in die subalternen Referate mitnehmen.
Ich fürchtete bereits, es würde alles im Sande verlaufen. Vielleicht konnte mir Dr. Cohens Brief an den Präsidenten der Republik von Nutzen sein. So ersuchte ich durch die Adjutantur um eine Audienz bei Seiner Exzellenz Don Jose Bustamante Rivero, dem Präsidenten von Peru. Einige Tage später bekam ich Bescheid, mich mit Schlag zwölf im Palaste einzufinden.
Lima ist eine moderne Stadt mit einer halben Million Einwohner und liegt auf einer grünen Ebene am Fuße der Bergwüsten. Sie ist in ihrer Architektur und vor allem in ihren öffentlichen Gärten und Anlagen eine der schönsten Hauptstädte der Welt, ein Stück moderner Riviera oder Kalifornien, mit einem Schuß altspanischer Architektur versetzt. Der Palast des Präsidenten liegt mitten in der Stadt und wird von bewaffneten Paradeposten in farbenprächtigen Kostümen gründlich bewacht. Eine Audienz in Peru ist eine ernste Angelegenheit, und die meisten Bürger kennen den Präsidenten nur aus der Wochenschau. Soldaten mit leuchtenden Schärpen führten mich die Treppe hinauf bis an das Ende eines langen Korridors, wo ich von drei Zivilisten registriert wurde, ehe ich durch eine kolossale Eichentür in einen Saal hineinschlüpfen durfte. Hier wurde ich an einem großen Tisch mit langen Stuhlreihen von einem Weißgekleideten empfangen, der mich einlud, Platz zu nehmen, während er selbst verschwand. Einen Augenblick später ging eine große Tür vor mir auf, und ich wurde in einen erheblich eleganteren Saal geführt, wo eine stattliche Gestalt in tadelloser Uniform mir entgegenkam. Der Präsident, dachte ich und riß mich zusammen. Aber keineswegs! Der Mann in der goldbetreßten Uniform bot mir einen altertümlichen Stuhl mit vornehm-steifer Rückenlehne an und verschwand. Einen Augenblick saß ich verloren auf der Sesselkante, als wieder eine Tür aufging und ein Diener mich in ein großes, vergoldetes Zimmer mit prachtvollen Möbeln von höchster Eleganz hineinkomplimentierte. Der Führer verschwand wieder so rasch, wie er gekommen war, und so saß ich denn wieder mutterseelenallein auf einem antiken Sofa und sah durch eine Flucht leerer Säle, deren Türen weit offenstanden. Es war so still, daß ich jemand mehrere Säle weiter husten hören konnte. Dann kamen wieder taktfeste Schritte. Ich sprang auf und grüßte zögernd einen stattlichen Herrn in Uniform. Aber nein, das war er natürlich auch nicht. Aber soweit ich ihn verstehen konnte, teilte er mir mit, daß mir der Präsident seine Grüße sende und gleich nach einem Ministerrat zu meiner Verfügung stehen würde.
Nach zehn Minuten gegenseitigen Schweigens wurden wir durch neuerliche, taktfeste Schritte unterbrochen, und auftauchte ein Mann mit Gold, Schnüren und Epauletten. Ich sprang rasch vom Sofa und legte eine tiefe Verbeugung hin. Mein Gegenüber verbeugte sich aber noch tiefer und führte mich durch mehrere Säle und schließlich über eine Treppe, belegt mit schweren Teppichen. Dann verließ er mich in einem winzigen Raum, in dem nur einige moderne Ledersessel und ein Sofa standen. Eintrat ein kleiner Mann, einmal wieder im weißen Anzug. Aufgeregt lauerte ich, wohin der mich zu führen gedächte. Aber diesmal führte er mich nirgends hin, grüßte nur freundlich und blieb stehen. Es war der Präsident Bustamante Rivero.
Der Präsident konnte gerade noch einmal soviel Englisch, wie ich Spanisch konnte, und so war nach der Begrüßung und nachdem er mir bedeutet hatte, Platz zu nehmen, unser gemeinsamer Wortvorrat aufgebraucht. Man kann zwar Verschiedenes mit Zeichen und Gebärden klarmachen, aber man kann auf diese Art nicht um Zugang in den Marinehafen von Peru bitten. Das einzige, was ich begriff, war, daß der Präsident nicht verstand, was ich sagte. Und das begriff er sichtlich noch rascher als ich selbst, denn nach kurzem Verlauf verschwand er und kam mit dem Luftfahrtminister wieder. Der Luftfahrtminister, General Reveredo, war ein fescher und sportlicher Mann in Fliegeruniform, Schwingen auf der Brust. Er sprach ein glänzendes Englisch mit amerikanischem Akzent. Ich entschuldigte mich für das Mißverständnis, ich hätte mich nicht um einen Flughafen, sondern um einen Floßhafen bemüht. Der General erklärte lächelnd, er sei nur als Dolmetsch beigezogen worden. Stück um Stück wurde unsere Theorie dem Präsidenten übersetzt, der interessiert zuhörte und mich einem gründlichen Verhör unterzog. Schließlich sagte er:
»Sicher ist es möglich, daß die Südseeinseln zuerst von Peru entdeckt wurden, damit ist die Expedition auch von Interesse für Peru. Können wir etwas für Sie tun, so geben Sie uns Bescheid.«
Ich bat nun, einen Platz zum Bau des Floßes innerhalb der Mauern der Kriegsmarine angewiesen zu bekommen. Ich bat ferner um Lagerplätze und Zugang zu den Werkstätten der Marine, um Erleichterungen bei der Einfuhr der Ausrüstung, um Erlaubnis, das Trockendock verwenden zu dürfen, um die Hilfe des Marinepersonals bei der Arbeit, schließlich um ein Fahrzeug, das uns beim Start von der Küste wegschleppen könnte.
»Worum hat er gebeten?« fragte der Präsident so gespannt, daß selbst ich es verstehen konnte.
»Bagatellen!« antwortete Reveredo mit einem Wort. Der Präsident nickte zufrieden sein Ja.
Bevor die Audienz aufgehoben wurde, versprach Reveredo, der Außenminister werde noch am selben Tag den eigenhändigen Befehl des Präsidenten erhalten, und Nieto bekäme freie Hand, uns in allem zu helfen, um was wir gebeten hatten.
»Gott beschütze Sie alle!« lachte der General und nickte mit dem Kopf. Der Adjutant begleitete mich bis zu dem wartenden Posten.
Die Zeitungen von Lima brachten an demselben Tag die Neuigkeit von der norwegischen Floßexpedition, die von Peru starten sollte, an dem sie auch schrieben, daß eine schwedisch-finnische wissenschaftliche Expedition ihre Studien unter den Dschungelindianern in der Amazonasgegend abgeschlossen hatte. Zwei von den schwedischen Teilnehmern dieser Expedition waren im Kanu den Amazonas hinauf nach Peru gefahren und waren so schließlich nach Lima gekommen. Der eine davon war Bengt Danielsson von der Universität Upsala, der jetzt die Bergindianer in Peru studieren wollte. Ich hatte die Notiz ausgeschnitten und saß im Hotel über einem Brief an Hermann betreffs des Bauplatzes, da wurde ich durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Eintrat ein langer, sonnenverbrannter Mann im Tropenanzug, und als er den weißen Helm vom Kopf nahm, sah es so aus, als hätte der flammend rote Bart ihn im Gesicht verbrannt und ihm das Haar bis auf den blanken Kopf abgesengt. Der Kerl kam aus der Wildnis, aber zu Hause gehörte er in einen Lehrsaal.