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Bengt Danielsson, dachte ich.

»Bengt Danielsson«, sagte der Mann und hatte sich damit vorgestellt.

Er hat wohl von unserem Floß gehört, dachte ich und bat ihn Platz zu nehmen.

»Ich habe gerade von Ihren Reiseplänen gehört«, sagte der Schwede.

Und jetzt kommt er als Fachethnologe daher, um meine Theorie niederzusäbeln, dachte ich. Aber da sagte der Schwede ganz friedlich: »Und jetzt komme ich, Sie zu fragen, ob Sie mich mitnehmen wollen. Ich bin an der Wanderungstheorie interessiert.«

Ich wußte nicht mehr von dem Mann, als daß er Wissenschaftler war und daß er direkt aus dem finsteren Dschungel daherkam. Aber wenn ein einzelner Schwede mutig genug war, sich mit fünf Nordleuten auf ein Floß zu begeben, so konnte er nicht von Pappe sein. Und selbst der imponierende Bart konnte das friedliche Wesen und den guten Humor des Mannes nicht verbergen.

Bengt wurde der sechste im Bunde, denn der Platz stand ja noch offen. Und er war der einzige von uns, der Spanisch sprach.

Als der Postflieger ein paar Tage später die Küste nach Norden brummte, sah ich von neuem respektvoll hinunter auf das endlose blaue Meer. Es sah aus, als würde es geradewegs in den Himmelsraum fließen. Dort unten, wo es so viel Wasser gab, daß es aussah, als wollte es über den Horizont überlaufen, würden wir demnächst zu sechst wie Mikroben auf einem Punkt vereinigt sein. Eine ganze, öde Welt würde uns umgeben, ohne daß wir uns auch nur ein paar Schritte voneinander entfernen konnten. Vorläufig hatten wir jedoch noch Spielraum genug. Hermann saß in Ecuador und wartete auf die Bäume. Knut Haugland und Torstein Raaby waren soeben im Flugzeug in New York gelandet. Erich Hesselberg saß auf einem Schiff von Oslo mit Kurs auf Panama. Ich selbst war mit dem Flugzeug unterwegs nach Washington, und Bengt saß im Hotel in Lima bereit und wartete auf die anderen.

Keine zwei von den Burschen hatten einander früher gesehen, und alle waren in ihrem Typ restlos verschieden. Auf diese Art konnten nämlich einige Wochen auf dem Floß vergehen, bevor sie ihrer gegenseitigen Geschichten müde wurden. Keine Sturmwolke mit Tiefdruck und Unwetter lag drohender vor uns als die Gefahr eines psychischen Schiffbruchs, wenn sechs Mann monatelang auf ein treibendes Floß beschränkt waren. Hier war ein guter Witz oft ebenso wichtig wie eine Schwimmweste.

In Washington gab es weiterhin beißende Winterkälte und hohen Schnee. Es war Februar, als ich zurückkam. Björn war auf das Radioproblem losgegangen und hatte mit Erfolg die amerikanischen Amateure interessiert, Rapporte und Meldungen des Floßes abzuhören. Knut und Torstein waren gerade dabei, die Verständigung vorzubereiten, die teils mit speziellen Kurzwellensendern vor sich gehen sollte, teils auch mit den Geheimsendern, wie sie die Sabotagekommandos während des Krieges gebrauchten. Tausend kleine und größere Dinge mußten bedacht werden, wenn wir das ausrichten wollten, was wir planten.

Der Papierberg im Archiv wuchs. Militärische und zivile Schreiben auf weiß, gelb und blau, auf englisch, spanisch, französisch und norwegisch. In unserem praktischen Zeitalter kann selbst eine Floßreise die Papierindustrie eine halbe Fichte kosten. Gesetze und Verfügungen banden uns an allen Ecken und Enden, und Knoten um Knoten mußte der Reihe nach gelöst werden.

»Möchte schwören, daß die Korrespondenz zehn Kilo wiegt«, sagte Knut ergeben eines Tages, als er wieder an der Schreibmaschine hing.

»Zwölf«, sagte Torstein trocken, »ich hab' sie gewogen.«

Meine Mutter muß eine klare Vorstellung von den Verhältnissen in diesen dramatischen Vorbereitungstagen gehabt haben, als sie schrieb: ».

. . und ich wünsche jetzt nur, ich wüßte, daß ihr alle sechs sicher an Bord des Floßes beisammen seid!«

Da kam ein Eiltelegramm von Lima. Hermann war von der Brandung an Land geschleudert worden und lag häßlich zusammengerichtet mit ausgerenktem Hals im Krankenhaus Lima in Behandlung.

Torstein Raaby wurde mit Gerd Vold, unserer populären Sportsekretärin aus den Londoner Kriegstagen, die uns jetzt in Washington half, rasch im Flugzeug hinuntergeschickt. Sie fanden ihn bereits gebessert, nachdem er dreißig Minuten mit dem Kopf in einer Schlinge aufgehängt worden war, so daß die Ärzte den Atlaswirbel wieder hatten einrenken können. Das Röntgenbild zeigte, daß dieser oberste freie Halswirbel gesprungen war und völlig quergestanden hatte.

Hermanns Bärengesundheit hatte ihm das Leben gerettet, und blau und grün, steif und rheumatisch war er bald wieder zurück im Marinearsenal, wo er jetzt endlich die Balsastämme beisammen hatte und die Arbeit begann. Er brauchte weiterhin ärztliche Behandlung durch viele Wochen, und es war zweifelhaft, ob er die Fahrt mitmachen konnte. Selbst zweifelte er nicht einen Augenblick daran, trotz seines Denkzettels beim ersten Zusammenstoß mit dem Pazifik.

Dann kamen Erich im Flugzeug von Panama, Knut und ich von Washington, und damit waren wir alle in der Startgruppe in Lima vereinigt.

Drunten im Marinearsenal lagen die großen Balsastämme aus dem Quevedo-Urwald. Es war geradezu ein rührender Anblick. Roh zugeschlagene Rundstämme, gelber Bambus, Binsen und grüne Bananenblätter lagen zuhauf als Baumaterialien mitten zwischen den Reihen dräuender, grauer U-Boote und Zerstörer. Sechs hellhäutige Nordländer und zwanzig braune Marinesoldaten mit Inkablut in den Adern schwangen Beile und lange Machetenmesser und spannten und knoteten an langen Tauen. Geschniegelte Marineoffiziere in Gelb und Blau schlenderten vorbei und betrachteten verständnislos diese bleichen Fremden und ihre vegetabilischen Materialien, die plötzlich ausgerechnet mitten unter sie ins Arsenal hereingeschlüpft waren.

Zum ersten Mal seit Hunderten von Jahren war ein Balsafloß wieder in der Callao-Bucht im Bau. Dort, wo die Sage erzählt, daß die Küstenindianer zuerst solche Flöße von dem verschwundenen Geschlecht Kon-Tikis bauen lernten, dort weiß die Geschichte zu berichten, daß die Küstenindianer später von unserem Geschlecht davon abgebracht wurden, solche Flöße zu verwenden. Ein primitives und zerbrechliches Floß kann Menschen das Leben kosten. Die Verwandten der Inkas sind mit der Zeit gegangen, sie haben Bügelfalten in den Hosen und tragen steife Kragen. Bambus und Balsa sind Vergangenheit. Auch hier geht es vorwärts zu Panzer und Stahl!

Eine einzigartige Unterstützung bekamen wir durch das hypermoderne Arsenal. Mit Bengt als Dolmetscher und Hermann als Bauleiter verfügten wir über die Tischler- und Segelmacherwerkstätten sowie über das halbe Depot zur Lagerung unserer Ausrüstung und über einen kleinen Schwimmkran, der das Holz bei Baubeginn aufs Wasser hinaus hievte.

Neun der dicksten Stämme bildeten die Grundlage. Tiefe Kerben wurden in das Holz geschlagen, um den Tauen Widerlager zu geben, die sie und damit das ganze Floß zusammenhalten sollten. Nicht eine einzige Spieke, kein Nagel und keine Stahlseilzurrung wurde bei der ganzen Konstruktion benützt. Die neun großen Stämme wurden zuerst lose Seite an Seite ins Wasser gelegt, damit sie sich frei in ihre natürliche Schwimmstellung einspielen konnten, bevor sie endgültig zusammengezurrt wurden. Der größte Stamm, vierzehn Meter lang, wurde in der Mitte eingebaut und stand lang auf beiden Enden heraus. Daneben folgten symmetrisch immer kürzere Stämme, so daß die Seiten des Floßes zehn Meter lang wurden und der Bug wie ein stumpfer Pflug vorstand. Achtern war das Floß quer abgeschnitten, nur daß die drei mittelsten Stämme herausragten und die Unterlage für einen kurzen und dicken Balsaklotz bildeten, der quer lag und die Widerlager für das lange Steuerruder hielt. Als die neun Balsastämme solide mit verschiedenen Rollen von fünfviertelzolligen Hanftauen zusammengebunden waren, wurden die dünneren Balsastämme quer darüber festgebunden mit ungefähr einem Meter Zwischenraum. Damit war das Floß selbst fertig, mühsam zusammengezurrt mit fast dreihundert verschiedenen Taustücken, jedes mit einem soliden Knoten versehen. Ein Deck aus gespaltenem Bambus wurde darübergelegt, in Form von offenen Gittern festgebunden und mit losen Matten aus geflochtenem Bambusstroh belegt. Mitten auf dem Floß, aber naher dem Heck, bauten wir eine kleine offene Hütte aus Bambusrohr mit Wänden aus geflochtenem Bambusstroh und einem Dach aus Bambusstreben, gedeckt mit lederartigen Bananenblättern, die ziegelförmig übereinandergelegt wurden. Vor der Hütte pflanzten wir zwei Masten Seite an Seite. Sie waren aus eisenhartem Mangleholz und lehnten schräg gegeneinander. An der Spitze waren sie übers Kreuz zusammengebunden. Zwei Bambusstangen wurden sorgfältig zu einer Rah verbunden, die so das ganze vierkantige Segel mit doppelter Kraft tragen konnten.