Выбрать главу

Die neun großen Riesenstämme, die uns übers Meer tragen sollten, wurden vorher sorgfältig geglättet, damit sie das Wasser leicht durchschnitten. Niedrige Wellenbrecher befestigten wir über der Wasserfläche am Bug. An verschiedenen Stellen, wo große Zwischenräume zwischen den Stämmen waren, steckten wir insgesamt fünf solide Kiefernbretter durch, die senkrecht ins Wasser tauchten. Sie standen rundherum ohne System verteilt und reichten anderthalb Meter unter das Floß hinunter Sie waren einen Zoll dick und maßen ein paar Fuß in der Länge. Tauwerk und Keile hielten sie an ihrem Platz fest. Sie dienten als kleine parallele Kiele oder Schwerter. Solche Senkkiele wurden auf allen Balsaflößen der Inkazeit langst vor der Entdeckung benutzt und sollten verhindern, daß die flachen Flöße mit Wind und Wetter quertrieben. Wir machten weder Reling noch Gurten rund um das Floß, nur ein langer Balsastamm lag als Halt für die Füße an jeder Längsseite. Die ganze Konstruktion war eine getreue Kopie der alten Fahrzeuge in Peru und Ecuador mit Ausnahme der Wellenbrecher am Bug, die sich in der Folge auch als völlig überflüssig erwiesen. Abgesehen davon, stand es uns selbstverständlich frei, die Details an Bord nach unserem Geschmack zu arrangieren, solange das keinen Einfluß auf das Fahrzeug hatte. Wir wußten, daß dieses Floß in der Zeit, die vor uns lag, unsere ganze kleine Welt werden wurde und daß infolgedessen jede kleinste Kleinigkeit an Bord im Verlauf der Wochen an Dimension und Wichtigkeit wachsen wurde.

Deshalb gaben wir dem kleinen Verdeck so viel Abwechslung wie nur möglich. Der Bambus durfte nicht das ganze Floß bedecken, sondern bildete nur einen Fußboden vor und an Steuerbord der Hütte, da, wo die Wand frei blieb. Die Backbordseite der Hütte wurde als Hinterhof für Kisten und Ausrüstungsgegenstände verwendet, die hier festgebunden wurden. Darüber bauten wir einen schmalen Gehweg. Am Bug und achtern der Hütte lagen die neun Riesenstämme völlig unbedeckt. Wenn wir uns also rund um die Bambushütte bewegten, so stiegen wir vom gelben Bambus und Flechtwerk herunter auf die grauen Stämme am Achterdeck und wieder hinauf auf den Lastenstapel auf der anderen Seite. Das waren nicht viele Schritte, aber der psychologische Effekt der Unregelmäßigkeit gab uns Abwechslung und glich die so begrenzte Bewegungsfreiheit aus. Selbst oben in der Mastspitze brachten wir ein Holzbrett an, nicht so sehr, um einen Ausguckposten zu haben, wenn wir auf der anderen Seite des Meeres wieder an Land kamen, sondern um unterwegs emporklettern zu können und das Meer unter einem anderen Winkel zu sehen.

 

Oben: Kurs auf Polynesien. Selbst an den ruhigsten Tagen haben wir den Passat im Rücken und die Strömung mit uns. Sie treiben uns mit einem Tagesdurchschnitt von 79 km unaufhaltsam nach Westen.

Unten: Zwischen den Querbalken unter dem Bambusdeck liegt unser Proviant verstaut. Erwartungsvoll sitzt der Papagei auf dem Korb mit den Kokosnüssen.

 

Als das Floß Form anzunehmen begann und golden und frisch von reifem Bambus und grünen Blättern zwischen den Kriegsschiffen dalag, kam der Marineminister selbst zur Inspektion. Wir waren furchtbar stolz auf unser Fahrzeug, das wie ein frisches kleines Apropos aus der Inkazeit zwischen den großen, unheimlichen Marinefahrzeugen wirkte. Aber der Marineminister war über das, was er zu sehen bekam, entrüstet bis auf den Grund seiner Seele. Ich wurde ins Marineamt beordert, um einen Schrieb zu unterzeichnen, der die Marine von jeder Verantwortung für das, was wir in ihrem Hafen gebaut hatten, befreite. Anschließend wurde ich ins Marinegericht zitiert. Hier mußte ich unterschreiben, daß, wenn ich schon mit Menschen und Lasten an Bord in See stach, das vollständig auf eigene Verantwortung und eigenes Risiko geschah.

Später bekam eine ganze Reihe von ausländischen Marinefachleuten und Diplomaten Zugang zum Arsenal, um das Floß zu besichtigen. Das verlief auch nicht ermutigender, und ein paar Tage später wurde ich zu dem Gesandten einer Großmacht berufen.

»Leben Ihre Eltern?« fragte er, und da er eine bejahende Antwort erhielt, sah er mir tief in die Augen und sprach mit hohler und unheilverkündender Stimme:

»Ihre Mutter und Ihr Vater werden es sehr schwer nehmen, wenn sie die Nachricht von Ihrem Tod bekommen.«

Als Privatmann stellte er mir dann nochmals anheim, die Fahrt aufzugeben, solange es noch Zeit war. Ein Admiral, der das Floß besichtigt hatte, hatte ihm erzählt, daß wir niemals lebend hinüberkommen würden. Zum ersten hatte das Floß blödsinnige Dimensionen, es war klein genug, um in einem hohen Brecher zu kentern, aber andererseits war es genau lang genug, um gleichzeitig von zwei Wogenkämmen emporgehoben zu werden, und beladen mit Lasten und Menschen würden die spröden Balsastämme unter dem Druck brechen. Und was noch schlimmer war, des Landes größter Balsaexporteur hatte ihn aufgeklärt, daß die porösen Balsastämme nur den vierten Teil der Entfernung über das Meer schwimmen könnten. Völlig mit Wasser durchtränkt, müßten sie uns unter den Beinen wegsinken.

Das hörte sich schlimm an, aber da wir bei unserem Standpunkt blieben, bekamen wir eine Bibel verehrt, die wir mit auf die Fahrt nehmen sollten. Es war tatsächlich wenig Ermutigendes von den Fachleuten zu hören, die das Floß gesehen hatten. Sturm und vielleicht sogar Orkan würden uns über Bord waschen und dem niedrigen und offenen Fahrzeug ein Ende bereiten. Hilflos würde es von Wind und Wetter auf dem offenen Ozean herumgetrieben werden. Selbst ganz gewöhnlich daherplätschernde Wellen würden schon bewirken, daß wir dauernd von Salzwasser durchnäßt würden, was Haut und Knochen aufzehren und alles an Bord zerstören sollten. Wenn wir alles zusammentrugen, was die verschiedenen Fachleute jeder für sich als wesentlichen Fehler der Grundkonstruktion bezeichneten, so blieb nicht ein Tauende, ein Knoten, ein Maß oder ein Holzstück auf dem ganzen Floß, das nicht entscheidend zu unserem Untergang auf See führen sollte.

Das Wettfieber ging hoch, wie viele Tage unser Floß wohl halten würde, und ein leichtsinniger Marineattache verwettete allen Whisky, den die Mitglieder der Expedition für den Rest ihres Lebens trinken konnten, wenn sie lebend eine Südseeinsel erreichten.

Am schlimmsten wurde es, als ein norwegisches Schiff im Hafen einlief und wir den Kapitän und ein paar von seinen erfahrensten Seebären mit ins Arsenal nehmen konnten. Wir waren auf ihre praktische Reaktion sehr gespannt, und die Enttäuschung war groß, als sich alle einig waren, daß das dicke und plumpe Fahrzeug niemals das Segel ausnützen könnte. Der Kapitän behauptete gar, daß das Floß, wenn wir fahren würden, ein oder zwei Jahre brauchte, um mit dem Humboldtstrom überzusetzen. Der Bootsmann sah auf die Zurrungen und schüttelte den Kopf. Wir brauchten uns keine Sorgen zu machen, das Floß würde nicht vierzehn Tage halten, bis jedes einzelne Tau zerrissen war, weil die schweren Baumstämme sich ständig auf und nieder bewegten und im Wogengang gegeneinander rieben. Wenn wir nicht Stahlseil und Kette brauchen wollten, dann könnten wir glatt zusammenpacken.