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»Wenn etwas so schlecht anfängt, dann muß es ja gut gehen«, sagte Hermann, »wenn nur dieses Schleppen ein Ende hat, ehe es das Floß in Stücke zerreißt.«

Aber die Schlepperei dauerte in langsamer Fahrt die ganze Nacht und verlief bis auf ein paar kleine Zwischenfälle glatt. Längst hatten uns die Jachten Lebewohl gesagt, und das letzte Leuchtfeuer war achteraus verschwunden. Nur einige wenige Schiffslichter passierten uns im Dunkeln. Wir teilten die Nacht in Wachen, um ein Auge auf das Kabel zu halten, und alle taten einen guten Schlaf. Als es wieder tagte, lag dichter Nebel über der Küste von Peru, während wir einen strahlend blauen Himmel im Westen vor uns hatten. Die See rollte in langen, ruhigen Dünungen, von leichten Schaumkämmen gekrönt, und Kleider und Baumstämme und alles, was wir in die Hand nahmen, war dampfend naß vom Tau. Es war kühl, und das grüne Wasser um uns war erstaunlich kalt für zwölf Grad südlich des Äquators. Es war der Humboldtstrom, der seine kalten Wassermassen von der Antarktis heraufwälzte, sie nach Norden die ganze peruanische Küste entlangschob, um dann dicht unterhalb des Äquators nach Westen hinaus über das Meer zu biegen. Hier draußen waren Pizarro, Zarate und die anderen frühen Spanier das erste Mal auf die großen Segelflöße der Inka-Indianer gestoßen, die sich fünfzig bis sechzig Seemeilen auf Meer hinauswagten, um Thunfische und Dolfine mitten im Humboldtstrom zu fischen. Tagsüber kam der Wind vom Lande, während er am Abend wieder auf das Land zu stand und ihnen heimhalf, wenn sie es wünschten.

Der Schlepper lag in der Nähe, und da wir ängstlich besorgt waren, das Floß möglichst weit weg zu halten, setzten wir unser kleines aufgeblasenes Gummiboot zu Wasser. Das hüpfte wie ein Fußball über die Wellen und tanzte mit Erich, Bengt und mir los, bis wir die Strickleiter zum »Guardian Rio« zu fassen bekamen und an Bord klettern konnten. Bengt verdolmetschte uns unsere genaue Position auf der Karte. Wir waren jetzt fünfzig Seemeilen von Land, nordwestlich von Callao, und mußten in den ersten Nächten noch Laternen tragen, um nicht von Küstendampfern gerammt zu werden. Weiter draußen würden wir keinem Schiff mehr begegnen, denn es gab keine Route, die diesen Teil des Pazifiks durchschnitt.

Wir nahmen feierlich Abschied von allen an Bord, und viele freundliche Blicke folgten uns, als wir wieder ins Gummiboot hinunterstiegen und über die Wogen zurück zur »Kon-Tiki« davontanzten. Dann wurde das Schlepptau gekappt, und das Floß lag allein. Fünfunddreißig Mann an Bord der »Guardian Rio« standen an der Reling und winkten, solange wir die Konturen unterscheiden konnten, und sechs Mann saßen ihrerseits auf den Kisten an Bord des Floßes und folgten dem Schlepper mit den Augen, solange wir ihn sehen konnten. Erst als sich die dunkle Rauchsäule hinter der Kimmung auflöste und verschwand, schüttelten wir uns und nickten einander zu.

»Gute Fahrt!« sagte Torstein. »Jungens, jetzt können wir den Motor in Gang setzen.«

Alles lachte. Wir prüften die Windrichtung. Es ging ein ganz schwaches Lüftchen, das sich von Süden nach Südosten gedreht hatte. Wir hißten die Bambusrah mit dem großen vierkantigen Segel, aber das hing ganz schlaff und gab dem Kon-Tiki-Gesicht ein runzliges, unzufriedenes Aussehen.

»Der Alte schaut sich gar nicht gleich«, sagte Erich, »wie der jung war, hat es wahrscheinlich stärker geblasen.«

»Am liebsten möchte man antauchen!« meinte Hermann und warf einen Balsaspan am Bug hinaus:

»Eins - zwei - drei --- neununddreißig, vierzig, einundvierzig.«

Der Balsaspan lag immer noch ruhig und fest neben dem Floß. Noch hatte er den ganzen Weg an der Seite entlang nicht zurückgelegt.

»Wir werden wohl mit ihm zugleich hinüberkommen«, sagte Torstein optimistisch.

»Ja, hoffentlich treiben wir nicht mit der Abendbrise zurück«, meinte Bengt. »Es war ja sehr unterhaltsam beim Abschied in Callao, aber auf den nächsten Willkomm kann ich wohl verzichten!«

Der Span hatte endlich das Ende des Floßes erreicht. Wir riefen Hurra und begannen jetzt alles zu verstauen und festzubinden, was in letzter Minute an Bord geschleppt worden war. Bengt stellte einen Primus auf den Boden einer leeren Kiste, und bald tranken wir warmen Kakao und aßen Keks und öffneten eine frische Kokosnuß. Die Bananen waren noch nicht richtig reif.

»Jetzt haben wir es schon ganz gut«, brummte Erich zufrieden. Er stieg einher in einer dicken Schafpelzhose und einem mächtigen Indianerhut, mit dem Papagei auf der Schulter.

»Nur eins schätze ich dabei weniger«, lachte er dann, »und das sind alle diese ungenauen Gegenströme, die uns geradewegs auf die Klippen vor der Küste setzen können, wenn wir hier auf diese Art liegenbleiben.«

Wir erwogen die Möglichkeit zu paddeln, aber wurden uns einig, uns dem Wind zu überlassen.

Und der Wind kam. Sachte und stetig blies er von Südost daher. Bald füllte sich das Segel und blähte sich wie eine frohlockende Brust, mit dem Kon-Tiki-Kopf strotzend von Unternehmungslust. Die »Kon-Tiki« begann, sich in Bewegung zu setzen.

Wir drehten gegen Westen und zogen an Schoten und Seilen. Das Steurruder wurde achtern ins Wasser gelassen, und die Wachliste trat in Kraft. Wir warfen Papierkugeln und Späne neben den Bug und standen achtern mit der Uhr:

»Eins - zwei - drei- - -acht - neun - jetzt!« Das Papier und die Holzstückchen passierten das Steuerruder, und bald lagen sie wie Perlen einer Schnur und tauchten in den Wellentälern hinter uns auf und nieder. Es ging voran, Meter für Meter. Die »Kon-Tiki« pflügte die See, zwar nicht so wie ein schnittiges Rennboot - dick und breit, schwer und solid schob sie sich bedächtig vor über die Wogen. Sie übereilte sich nicht, aber wenn sie einmal in Gang gekommen war, dann arbeitete sie sich mit unwandelbarer Energie voran.

Die Steuerung bedeutete augenblicklich unser größtes Dilemma. Das Floß war wohl genauso gebaut, wie es die Spanier beschrieben, aber heutzutage konnte uns kein Mensch mehr einen praktischen Einführungskurs im Segeln auf Indianerflößen geben. Das Problem war zwar unter den Experten an Land gründlich diskutiert worden, aber mit mageren Resultaten. Sie verstanden genauso wenig davon wie wir selbst.