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»Ist es schön auf den Galapagos?« fragte Knut vorsichtig eines Tages und zeigte auf unsere Karte, wo eine Perlenschnur von Positionen vermerkt war. Die entstandene Figur glich einem Finger, der hämisch auf die verhexten Inseln deutete.

»Kaum«, sagte ich, »der Inka Tupac Yupanqui soll knapp vor der Zeit des Kolumbus von Ecuador nach den Galapagos gefahren sein, aber weder er noch irgendein anderer Eingeborener ließen sich wegen des Wassermangels dort nieder.«

»O. k.«, sagte Knut, »so kommen wir, zum Teufel, hoffentlich auch daran vorbei.«

Wir hatten uns jetzt so daran gewöhnt, daß uns das Meer umschäumte, daß es uns nichts mehr ausmachte. Was hieß es schon, wenn wir ein wenig herumtanzten, tausend Faden Wasser unter uns, solange wir und das Floß ständig obenauf waren. Nur daß hier die nächste Frage auftauchte: Wie lange konnten wir damit rechnen, uns zuoberst zu halten? Es war leicht zu sehen, daß die Balsastämme Wasser zogen. Der letzte Querbalken war schlimmer als die anderen, wir konnten hier die ganze Fingerspitze in das schwammige Holz drücken, so daß das Wasser herausfloß. Insgeheim brach ich ein Stück des durchtränkten Holzes los und warf es über Bord. Es sank ruhig unter die Oberfläche und verschwand langsam hinunter in die Tiefe. Später beobachtete ich, wie verschiedene von den anderen genau dasselbe taten, wenn sie meinten, daß keiner zusah. Dann standen sie und sahen andächtig dem wasserschweren Splitter nach, der ruhig in dem grünen Wasser verschwand.

Als wir starteten, hatten wir die Wasserlinie des Floßes markiert, aber in der unruhigen See war es unmöglich, festzustellen, wie tief wir lagen, denn bald waren die Stämme ganz aus dem Wasser gehoben, bald tauchten sie tief hinein. Aber wenn wir ein Messer in das Holz stießen, so sahen wir zu unserer Freude, daß es etwa einen Zoll unter der Oberfläche trocken zu werden begann. Wir rechneten aus: Wenn das Wasser in derselben Geschwindigkeit weiter eindrang, so würde das Floß erst in der Zeit eben unter der Wasserfläche verschwinden, in der wir auch rechnen konnten, uns dem Lande zu nähern. Aber wir hofften, daß der Saft weiter drinnen als Imprägnierung wirken und damit die Wasseraufnahme bremsen würde. Aber noch eine andere Gefahr spukte während der ersten Wochen ein wenig in unseren Hirnen: das Tauwerk. Bei Tag waren wir so beschäftigt, daß wir wenig darüber nachdachten, aber wenn die Dunkelheit einbrach und wir in unsere Kojen auf den Hüttenboden krochen, bekamen wir mehr Zeit, nachzudenken, zu fühlen und zu horchen. Da lagen wir dann, jeder auf seinem Strohsack, und konnten spüren, wie die Binsenmatte im Takt mit den großen Stämmen unter uns auf und nieder ging. Außer den Bewegungen des ganzen Floßes verschoben sich alle Bohlen auch untereinander, wenn die eine emporstieg, sank die andere in ruhig wogender Bewegung hinab. Sie bewegten sich nicht viel, aber es genügte, daß man sich wie auf dem Rücken eines großen, atmenden Tieres liegen fühlte, und wir zogen es vor, in der Längsrichtung eines Stammes zu liegen. Die ersten zwei Nächte waren die schlimmsten, aber damals waren wir zu müde, um uns darum zu scheren. Später quollen die Taue im Wasser auf und hielten die neun Stämme mehr in Ruhe. Aber es war trotzdem nie ein Stückchen an Bord, das sich in Bezug auf seine Umgebung ganz ruhig verhielt. Wie sich die Unterlage in ihren Gelenken bewegte und verschob, so folgte alles andere mit, das Bambusdeck, der Doppelmast, die vier geflochtenen Wände der Hütte und das Sprossendach mit den Blättern darauf, alles war nur zusammengebunden und drehte und hob sich in entgegengesetzten Richtungen. Es war fast unmerklich, aber deutlich genug: Ging das eine Eck empor, dann ging das andere hinunter, und drehte die eine Hälfte des Daches alle Sprossen nach vorn, so drehte die andere Hälfte die ihren nach hinten. Sahen wir durch die offene Seite hinaus, so gab es noch mehr Leben und Bewegung, denn da drehte sich der Himmel ruhig im Kreise, während das Wasser hoch in die Luft sprang. Das Tauwerk hatte den ganzen Druck auszuhalten. Während der Nacht konnten wir es knirschen und kreischen, knacken und schreien hören. Es war wie ein einziger Klagechor im Dunkel, wobei jedes Tau mit seiner Stimme verkündete, wie belastet es war und wie stramm es saß. Jeden Morgen nahmen wir eine gründliche Untersuchung der Taue vor. Wir ließen uns kopfüber über die Floßkante ins Wasser hinab, wobei zwei Mann uns krampfhaft an den Knöcheln festhielten, um zu sehen, ob die Taue auf der Unterseite des Floßes in Ordnung waren. Aber das Tauwerk hielt. Vierzehn Tage, hatten die Seeleute gesagt, dann sollten alle geborsten sein. Gleichwohl fanden wir vorläufig nicht das geringste Zeichen einer Auflösung trotz des ganzen Konzerts. Erst weiter draußen auf dem Meer fanden wir die Erklärung dafür: Das Balsaholz war so weich, daß das Tauwerk sich langsam ins Holz schnitt und so geschützt wurde, statt daß die Taue zwischen den Stämmen zerrieben wurden.

Nach acht Tagen bekamen wir ruhigere See und merkten, daß die Farbe des Meeres blau statt grün geworden war. Wir begannen Westnordwest zu treiben statt genau nach Nordwesten. Das galt uns als erstes schwaches Zeichen, daß wir aus der Küstenströmung herausgekommen waren. Damit hatten wir Hoffnung, direkt auf den Ozean getrieben zu werden.

Schon am ersten Tag, an dem wir allein dem Meer überlassen wurden, hatten wir Fische um das Floß beobachtet, aber wir waren zu sehr mit der Steuerung beschäftigt, um ans Fischen zu denken. Am nächsten Tag kamen wir mitten in einen dichten Sardinenschwarm, und kurz danach kam ein acht Fuß langer Blauhai und wälzte sich im Wasser, den weißen Bauch in der Luft, während er gegen den Achtersteven strich, wo Hermann und Bengt barfüßig in den Wellen standen und steuerten. Er trieb sich eine Zeitlang um uns herum, verschwand aber, als wir die Handharpune klar bekamen. Am nächsten Tag bekamen wir Besuch von Thunfischen, Bonitos und Dolfinen, und ein fetter fliegender Fisch landete an Bord. Wir verwendeten ihn sofort als Köder und zogen darauf zwei große Dolfine (Eldoradofische) herauf, von den der eine zehn, der andere fünfzehn Kilogramm wog. Das gab Essen für mehrere Tage. Auf den Steuerwachen konnten wir viele Fische sehen, die wir nicht einmal mit Namen kannten, und eines Tages kamen wir in einen Schwarm von Springwalen, der anscheinend gar kein Ende nehmen wollte. Die schwarzen Rücken drängten sich dicht an die Seite des Floßes, von überall kamen sie über das Meer herauf, soweit wir von der Mastspitze sehen konnten. Je weiter wir gegen den Äquator und fort von der Küste kamen, desto alltäglicher wurden die fliegenden Fische. Als wir endlich in das blaue Wasser hinaus kamen, wo sich das Meer majestätisch einher wälzte, sonnenbeleuchtet und friedlich, leicht vom Winde gekräuselt, da konnten wir sie wie einen Regen von Projektilen leuchten sehen, die aus dem Wasser herausschössen und in gerader Linie dahinflogen, bis ihr Schwung aufgebraucht war und sie wieder unter der Oberfläche verschwanden.

Stellten wir in der Nacht die winzige Paraffinlampe hinaus, so wurden die fliegenden Fische vom Licht angelockt, und große und kleine Exemplare sausten quer über das Floß. Oft trafen sie die Hütte oder das Segel und trudelten hilflos auf Deck herunter. Denn ohne den Schwung, mit dem sie durch das Wasser schwammen, lagen sie nur zappelnd wie großäugige Heringe mit langen Brustflossen da. Es konnte geschehen, daß wir plötzlich die saftigen Flüche eines Mannes an Deck hörten, wenn er unerwartet einen fliegenden Fisch mit guter Fahrt ins Gesicht geklatscht bekam. Die kamen immer mit guter Fahrt und das Maul voran, und es verging einem Hören und Sehen, wenn man sie mitten ins Gesicht bekam. Aber der unverschuldete Angriff wurde von dem Geschädigten rasch vergeben, denn trotz allem war hier das Schlaraffenland des Meeres, wo prächtige Fischgerichte statt gebratener Tauben durch die Luft sausten. Wir brieten sie zum Frühstück, und sei es, daß es der Fisch, der Koch oder der Appetit war, sie erinnerten uns jedenfalls an gebratene kleine Forellen, wenn wir nur die Schuppen abschrappten.