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Es war des Kochs erste Pflicht, nach dem Wecken auf Deck zu gehen und all die fliegenden Fische zu sammeln, die dort im Verlaufe der Nacht gelandet waren. Es waren oft ein halbes Dutzend oder mehr, eines Morgens fanden wir sechsundzwanzig fette fliegende Fische auf dem Floß. Es war Knuts ewiger Ärger, daß ihn, als er eines Morgens die Bratpfanne schwang, ein fliegender Fisch nur an der Hand traf, statt ins Bratenfett zu springen.

Unsere intime Nachbarschaft mit dem Meer ging Torstein das erstemal richtig auf, als er eines Morgens erwachte und eine Sardine auf dem Kopfpolster fand. Es war so eng in der Hütte, daß Torstein mit seinem Kopf in der Türöffnung lag und alle ins Bein biß, die ihm unversehens ins Gesicht trampelten, wenn sie nachts hinaus mußten. Er ergriff die Sardine am Schwanz und vertraute ihr verständnisvoll an, daß alle Sardinen seine volle Sympathie besäßen. Wir zogen pflichtschuldigst unsere Füße an den Leib, daß Torstein in der nächsten Nacht besser Platz bekam, aber da geschah etwas, was ihn veranlaßte, sich einen Schlafplatz mitten auf unserer gesamten Küchenausrüstung hinten im Radiowinkel zu suchen.

Es war einige Nächte später. Der Himmel hatte sich bezogen, und es war stockfinster. Torstein hatte die Paraffinlampe gleich neben seinen Kopf gestellt, damit die Nachtwachen sehen konnten, wohin sie stiegen, wenn sie beim Wachwechsel über seinen Kopf aus- und einkrochen. Gegen vier Uhr erwachte Torstein, weil das Licht umfiel und etwas Kaltes und Nasses ihm um die Ohren klatschte.

Na, ein fliegender Fisch, dachte er und tappte im Dunkeln danach, um ihn fortzuschleudern. Er bekam etwas Langes, Feuchtes zu fassen, das sich wie eine Schlange ringelte. Er fuhr zurück, als ob er sich verbrannt hätte. Der unsichtbare Nachtbesucher entglitt in Richtung auf Hermann, während Torstein versuchte, die Lampe anzuzünden. Hermann fuhr ebenfalls in die Höhe, und damit erwachte auch ich und dachte gleich an die Riesenkraken, die in der Nacht in diesen Gewässern emporsteigen.

Als wir Licht in die Lampe bekamen, saß Hermann triumphierend, die Faust um den Nacken eines langen, dünnen Fisches geklammert, der sich wie ein Aal in seinen Händen wand. Der Fisch war einen Meter lang, dünn wie eine Schlange, mit großen schwarzen Augen und einer spitzen Schnauze mit einem Räubermaul voll langer, scharfer Zähne. Die Zähne waren messerscharf und konnten in den Gaumen umgelegt werden, wenn er schlucken wollte. Unter Hermanns Griff würgte er plötzlich einen großäugigen weißen Fisch, etwa zwanzig Zentimeter lang, aus Magen und Maul heraus, und kurz darauf kam noch einer von derselben Art hervor. Es waren ersichtlich zwei Tiefseefische, die von den Zähnen des Schlangenfisches stark mitgenommen waren. Die dünne Haut des Schlangenfisches war blauviolett am Rücken und stahlblau an der Unterseite und löste sich unter dem Griff in Fetzen los.

Endlich erwachte Bengt von dem Aufruhr, und wir hielten die Lampe und den langen Fisch unter seine Nase. Er setzte sich blinzelnd in seinem Schlafsack auf und sagte sanft:

»Nein. So ein Tier gibt es gar nicht.« Worauf er sich ruhig wieder niederlegte und weiterschlummerte.

Es fehlte nicht viel, daß Bengt recht gehabt hätte. Es zeigte sich nämlich später, daß wir sechs, die wir rund um das Licht in der Bambushütte saßen, die ersten waren, die diesen Fisch lebenden Leibes gesehen hatten. Nur das Skelett eines solchen war an der Küste von Südamerika und auf den Galapagosinseln ein paar Mal gefunden worden, und die Ichthyologen nannten ihn Gempylus oder Schlangenmakrele und glaubten, daß er in großen Meerestiefen lebte, weil noch keiner ihn bisher lebend gesehen hatte. Aber wenn er in großer Tiefe lebte, so mußte das jedenfalls am Tag sein, wenn die Sonne die mächtigen Augen blendete, denn in den dunklen Nächten war Gempylus hoch über der Oberfläche des Meeres auf Jagd. Das bekamen wir auf dem Floß zu erfahren.

Acht Tage später, nachdem der seltene Fisch in Torsteins Schlafsack gelandet war, bekamen wir einen neuen Besuch. Wieder war es Schlag vier am Morgen, der neue Mond war verschwunden, und es war dunkel, aber sternenklar. Das Floß war einfach zu steuern, und als meine Wache vorüber war, unternahm ich einen kleinen Ausflug entlang der Kante, um zu sehen, ob zur Wachablösung alles in Ordnung war. Ich hatte ein Tau um den Leib, wie es die Wache immer hatte, und mit der Paraffinlampe in der Hand balancierte ich vorsichtig auf dem äußersten Seitenstamm, um am Mast vorbeizukommen. Der Stamm war naß und glatt, daher war ich höchst erbittert, als jemand ganz unerwartet das Seil hinter mir ergriff und daran zog, so daß ich um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte. Erzürnt wendete ich mich mit dem Licht um, aber es war keine Seele zu sehen. Da zog und zerrte es wieder am Tau, und ich sah etwas Schimmerndes an Deck liegen und sich winden. Es war ein neuer Gempylus, und dieses Mal hatte er seine Zahnreihen so tief in das Rettungstau geschlagen, daß viele von den Zähnen brachen, bevor ich ihn losbekam. Vermutlich hatte das Licht der Lampe auf dem weißen, sich windenden Tau geglänzt, und unser Gast aus der Meerestiefe hatte einen Satz gemacht in der Hoffnung, einen extralangen und leckeren Bissen zu schnappen. Aber das Unternehmen endete in einer Kanne Formalin.

Das Meer bietet viele Überraschungen für den, der seinen Fußboden in Höhe des Wasserspiegels hat und langsam und lautlos dahintreibt. Ein Jäger, der sich seinen Weg durch den Wald bahnt, kann nach Hause kommen und erzählen, daß es nichts Lebendiges zu sehen gab, und ein anderer kann sich lautlos auf einen Baumstumpf setzen und warten; da beginnt es oft zu rascheln und zu knacken, und neugierige Augen sehen hervor. So ist es auch auf dem Meer. Wir durchpflügen es meist mit Motorlärm und Kolbenstampfen, daß das Wasser nur so um den Bug sprüht. Dann kommen wir zurück und sagen, daß es mitten auf dem Meer nichts zu sehen gibt. Es verging kein Tag, ohne daß wir auf der Meeresfläche Besuch von neugierigen Gästen bekamen, die uns umkreisten, und einzelne davon, wie Dolfine und Lotsenfische, wurden so zutraulich, daß sie dem Floß Gefolgschaft leisteten über das Meer und sich Tag und Nacht um uns hielten.

Wenn die Nacht einfiel und die Sternenwelt an dem dunklen Tropenhimmel funkelte, da blinkte das Meerleuchten rund um uns um die Wette mit den Sternen, und vereinzeltes, leuchtendes Plankton sah aus wie runde, glühende Kohlen, so daß wir unwillkürlich unsere bloßen Füße anzogen, wenn die leuchtenden Kugeln aufs Achterdeck heraufgespült wurden. Fingen wir sie, so waren es kleine, leuchtende Garnelenarten. In solchen Nächten erschraken wir oft, wenn zwei runde leuchtende Augen plötzlich dicht neben dem Floß aus der See tauchten und uns wie hypnotisiert anstarrten, als gehörten sie dem Nöck persönlich. Oft stiegen Tintenfische empor und schwammen mit ihren teuflischen grünen Augen, die im Dunkeln wie Phosphor leuchteten, auf der Oberfläche. Aber es kam auch vor, daß die leuchtenden Augen Tiefseefischen gehörten, die nur in der Nacht emporstiegen und fasziniert auf den Schein vor ihnen starrten. Bei einigen Gelegenheiten, wenn die See ruhig war, füllte das nachtschwarze Wasser um das Floß sich plötzlich mit runden Köpfen, zwei bis drei Fuß im Durchmesser, die bewegungslos dalagen und uns mit ihren dicken, leuchtenden Augen anglotzten. In anderen Nächten konnten Leuchtkugeln, einen Meter oder mehr im Durchmesser, unten im Wasser sichtbar werden, während es in kurzen Zwischenräumen aufblitzte wie elektrische Lampen, die für ein kurzes Blinken angezündet wurden.

Nach und nach gewöhnten wir uns daran, solche unterirdische oder besser unterseeische Wesen unter dem Fußboden zu haben, aber wir waren trotzdem immer ein wenig überrascht, wenn sie in einer neuen Ausgabe auftauchten. In einer bewölkten Nacht gegen zwei Uhr, als die Ruderwache es schwer hatte, das schwarze Wasser vom schwarzen Himmel zu unterscheiden, bekam sie ein schwaches Leuchten drunten im Wasser zu Gesicht, das langsam die Form eines großen Tieres annahm. Es war unmöglich zu sagen, ob es das Plankton war, das auf seinem Körper leuchtete, oder ob das Tier selbst eine phosphoreszierende Oberfläche hatte, aber der Schein drunten im schwarzen Wasser gab dem spukhaften Wesen unsichere und fließende Konturen, bald war es rund, bald schien es oval oder dreikantig, und plötzlich spaltete es sich in zwei Teile, die unabhängig voneinander unter dem Floß hin und her schwammen. Zum Schluß waren es drei von diesen dicken, leuchtenden Spukwesen, die in langsamen Runden unter uns wegzogen. Es waren richtige Ungeheuer, denn die Körper allein maßen ihre sechs bis acht Meter, und wir versammelten uns rasch auf Deck, um alle Mann diesen Gespenstertanz zu beobachten. Er dauerte Stunde um Stunde und folgte dem Floß in seiner Bewegung. Geheimnisvoll und lautlos hielten sich unsere leuchtenden Gefolgsleute ein gutes Stück unter der Wasseroberfläche, meist auf Steuerbord, wo die Lampe war, aber oft standen sie auch direkt unter dem Floß oder kamen auch auf der Backbordseite hervor. Der Lichtschein auf dem Rücken verriet, daß diese Bestien größer als Elefanten waren, aber Walfische waren es nicht, da sie nie an die Oberfläche kamen, um zu verschnaufen. Waren es ungeheure Kraken, die ihre Form veränderten, wenn sie sich auf die Seite wälzten? Sie ließen sich nicht verleiten, wenn wir das Licht dicht an die Wasserfläche hielten, um sie heraufzulocken. So blieb es uns unklar, was für eine Art Geschöpfe sie waren. Und wie alle zünftigen Zauberer und Spukwesen waren sie im Meer versunken, als der Tag zu grauen begann. Wir bekamen nie eine ausreichende Erklärung dieses nächtlichen Besuches der drei leuchtenden Ungeheuer, wenn die Lösung nicht in einem anderen Besuch lag, den wir bei strahlender Sonne eineinhalb Tage später bekamen.