Выбрать главу

Es war der 24. Mai, und wir lagen und trieben in den behaglichen Dünungen ungefähr 95 Grad West und 7 Grad Süd. Es war um die Mittagszeit, und wir hatten die Innereien von zwei großen Dolfinen über Bord geworfen, die wir im Morgengrauen gefangen hatten. Ich gab deshalb scharf acht, während ich am Bug zu einem erfrischenden Bad untertauchte, und hielt mich an einem Tauende fest. So bekam ich einen zwei Meter langen, dicken, braunen Fisch zu Gesicht, der neugierig durch das kristallklare Seewasser gerade auf mich zukam. Ich war rasch auf der Floßkante, saß im Sonnenschein und sah dem Fisch nach, der uns ruhig passierte, als ich ein wildes Kriegsgeheul hörte, das Knut achtern hinter der Bambushütte ausstieß. Er brüllte: »Hai!«, daß sich seine Stimme in Fisteltönen brach, und da wir fast täglich Haie längs der Floßseite erlebten ohne solches Theater, schien uns allen, daß es etwas Besonderes sein mußte, und wir eilten nach achtern. Hier hatte Knut in Hocke gesessen und seine Unaussprechlichen in den Wellen gewaschen, und als er einen Augenblick aufsah, blickte er gerade in das größte und häßlichste Antlitz, das einer von uns jemals in seinem Leben gesehen hatte. Es war dies der Schädel eines richtiggehenden Seeungeheuers, so groß und scheußlich, daß selbst ein Gespenst aus der Tiefe keinen entsprechenden Eindruck auf uns gemacht hätte. Der Schädel war breit und flach wie der eines Frosches, mit kleinen Augen auf den Seiten und einem krötenartigen Maul, das eineinhalb Meter breit war und lange Fransen hatte, die herabhingen und in die Mundöffnung hineinflatterten. Nach rückwärts setze sich der Schädel in einen ungeheuerlichen Körper fort, um schließlich in einem langen, dünnen Schwanz zu enden. Die spitze Schwanzflosse, die senkrecht in die Höhe stand, verriet, daß dieses Seeungeheuer kein Wal irgendeiner Gattung war. Der Körper wirkte bräunlich unter dem Wasser, aber Schädel und Körper waren dicht mit kleinen, weißen Flecken besetzt. Das Monstrum kam uns ruhig und schläfrig von rückwärts nachgeschwommen. Es blinzelte wie eine Bulldogge und schlug ruhig mit dem Schwanz. Die große, runde Rückenflosse stand frei aus dem Wasser und manchmal auch die Schwanzflosse. Wenn ein Wellental kam, umspülte das Wasser den breiten Rücken wie eine Schäre. Vor dem breiten Maul schwamm ein ganzer Schwärm von zebraartig gestreiften Lotsenfischen in Fächerformation, und große Remorafische und andere Parasiten saßen festgesaugt auf dem gewaltigen Körper und ritten auf ihm durch das Wasser. Das Ganze bildete eine wunderliche Tiergemeinschaft, die sich um etwas scharte, das einer schwimmenden Unterwassserklippe glich.

Ein zehn Kilogramm schwerer Dolfin hing an sechs unserer größten Fischhaken hinter dem Floß als Köder für den Hai. Ein Schwarm von Lotsenfischen peilte direkt drauf los und roch an dem Dolfinkadaver, ohne daran zu rühren, worauf sie zurückschwänzelten zu ihrem Herrn und Meister, dem Seekönig. Wie bei einem mechanischen Ungetüm setzte sich die ungeheure Maschinerie in Gang und kam bedächtig auf das Dolfinfleisch zugeglitten, das wie ein kleiner, erbärmlicher Kosthappen vor seinem Maul hing. Wir versuchten, den Dolfin hereinzuziehen, und das Seeungeheuer folgte langsam nach bis an die Seite des Floßes. Ohne das Maul zu öffnen, ließ es den Dolfin vorsichtig hineingleiten, als würde es für einen so unbedeutenden Bissen nicht das ganze Scheunentor auftun. Als der Riese damit ganz ans Floß herankam, rieb er den Rücken an dem schweren Steuerruder, hob es aus dem Wasser, und wir bekamen Gelegenheit, das Monstrum aus nächster Nähe zu studieren, auf so kurze Distanz, daß ich glaubte, wir hätten alle den Verstand verloren, denn wir lachten laut auf und schrien erregt über den vollständig unglaublichen Anblick, den wir bekamen. Selbst Walt Disney mit all seiner Phantasie konnte kein groteskeres Untier schaffen als das, das plötzlich mit seinem Maul an der Floßkante lag und uns anblinzelte.

Das Ungeheuer war ein Walhai, der größte Hai und der größte Fisch überhaupt, der heutzutage in der Welt bekannt ist. Er ist außerordentlich selten, aber vereinzelte Exemplare wurden hier und da in den tropischen Weltmeeren beobachtet. Der Walhai wird durchschnittlich fünfzehn Meter lang und wiegt nach Meinung der Zoologen fünfzehn Tonnen. Man glaubt, daß große Exemplare sogar zwanzig Meter erreichen können, und ein harpuniertes Walhaibaby hatte eine Leber von dreihundert Kilogramm und eine Sammlung von dreitausend Zähnen in dem breiten Maul.

So gewaltig war das Monstrum, daß der Schädel auf der einen Seite sichtbar war, wahrend die ganze Schwanzpartie auf der anderen aus dem Wasser ragte, als es uns zu umkreisen begann. Und so unwahrscheinlich grotesk, träge und dumm sah das Gesicht aus, daß wir uns nicht enthalten konnten, in Gelächter auszubrechen, obwohl wir sahen, daß die Bestie Muskelstränge genug hatte, um Balsastämme und Tauwerk in Stücke zu schlagen, wenn sie uns angriff. Wieder und wieder zog sie in engem Kreis gleichmäßig um das Floß, während wir warteten, was geschehen würde. So glitt sie gemütlich unter das Steuerruder, hob es in die Luft, während das Ruder den Rücken entlangglitt.

 

Oben: Ein seltsamer Schlafgenoß. Das erste Mal erblickt ein menschliches Auge die Schlangenmakrele Gempylus, als diese eines Nachts in Torstein Raabys Schlafsack Unterschlupf sucht.

Unten: Der gelbflossige Thunfisch lädt zum Angelsport ein.

Wir standen mit Handharpunen bereit rund um das Floß, aber sie wirkten wie Zahnstocher im Verhältnis zu dem enormen Biest, mit dem wir es zu tun hatten. Nichts deutete darauf, daß der Walhai uns je wieder zu verlassen gedachte. Er zirkelte uns ein und folgte uns wie ein treuer Hund dicht neben dem Floß. Etwas Entsprechendes hatte keiner von uns weder erlebt, noch auch gedacht, je zu erleben, und das ganze Abenteuer mit dem Seeungeheuer, das um das Floß schwamm, wirkte so unnatürlich auf uns, daß wir gar nicht richtig erfaßten, wie ernst die Lage war. In Wirklichkeit zog der Walhai seine Kreise nur eine kurze Zeit um uns, aber auf uns wirkte der Besuch, als dauerte er schon einen ganzen Tag. Zum Schluß wurde es Erich, der auf der Ecke des Floßes stand, zuviel, und von unbedachten Zurufen aufgemuntert, hob er die zweieinhalb Meter lange Handharpune hoch. Während der Walhai in langsamer Fahrt auf ihn zugeglitten kam und seinen breiten Kopf gerade unter der Ecke des Floßes hatte, rammte Erich die Harpune mit allen seinen Riesenkräften gerade hinunter zwischen seine Fuße und tief hinein in den Schädelknorpel des Riesenhais. Es dauerte eine oder zwei Sekunden, bevor der Riese richtig begriffen hatte, was vor sich ging. Aber dann war der langsame Idiot plötzlich in einen Berg von Stahlmuskeln verwandelt. Wir hörten ein Sausen, als die Fangleine über die Floß kante fuhr, und sahen eine Wasserkaskade, als der Riese sich auf den Kopf stellte und in die Tiefe hinunterraste. Die drei, die zunächst standen, wurden kopfüber umgerissen, und zwei davon wurden von der Leine, die durch die Luft zischte, aufgewetzt und verbrannt. Die dicke Fangleine, die stark genug war, ein Rettungsboot festzuhalten, verklemmte sich an der Floßseite, barst aber augenblicklich wie ein Bindfaden, und wenige Sekunden später schwamm ein abgebrochener Harpunenschaft zweihundert Meter weiter an der Oberfläche. Ein Schwarm von schreckgeschlagenen Lotsenfischen jagte durch das Wasser in dem verzweifelten Versuch, ihrem alten Herrn und Meister zu folgen, und wir warteten lange, daß das Ungeheuer zurückgefahren käme wie ein rasendes U-Boot, aber wir sahen nie mehr etwas von dem Walhai.