Выбрать главу

Die Krabben saßen wie Kletten auf den wasserdurchtränkten Kokosnüssen, die durch die Gärung aufsprangen. Ansonsten fingen sie Plankton und Kleintiere, die die Wogen herauf spülten. Und diese allerkleinsten Planktontiere im Meere waren ja auch beste Nahrung, selbst für uns Goliaths auf dem Floß, wenn wir nur die Methode heraushatten, genug davon zu fangen, um auf einmal ein richtiges Maulvoll davon zu bekommen.

Es ist klar, daß in diesem fast unsichtbaren Plankton ein sehr hoher Nährwert stecken muß. Es treibt in unendlicher Zahl mit den Strömungen auf den Weltmeeren herum, und es gibt kein Tier dort, das nicht seine Existenz auf dem Plankton aufbauen würde. Fische und Seevögel, die selbst kein Plankton fressen, leben jedenfalls von anderen Fischen und Seetieren, die das tun, ganz unabhängig von ihrer eigenen Größe. Plankton ist ein Sammelname für tausendfältige Arten von sichtbaren und unsichtbaren Mikroorganismen, die unter der Oberfläche treiben. Manche sind Pflanzen (Phyto-Plankton), während andere lose Fischeier und lebende Kleintiere darstellen (Zoo-Plankton). Das Tier-Plankton lebt vom Pflanzen-Plankton, und das Pflanzen-Plankton lebt von Ammoniak, Nitriten und Nitraten, die aus dem toten Tier-Plankton gebildet werden. Und während sie so voneinander leben, bilden sie zusammen Nahrung für alles, was in und über dem Meere fleucht und kreucht. Das, was sie nicht durch ihre Dimensionen bewirken, das machen sie durch die Menge wett. In gutem Planktonfahrwasser findet man Tausende in einem Glas voll Wasser. Mehr als einmal sind Menschen auf dem Meer verhungert, weil sie glaubten, sie könnten nur von großen Fischen leben, die sie spießen, im Netz fangen oder harpunieren konnten. Dabei segelten sie buchstäblich in stark verdünnter roher Fischsuppe. Hätten sie zu Angelhaken und Netz ein Gerät gehabt, fein genug, die Suppe abzuseihen, in der sie saßen, hätten sie einen nahrhaften Satz gefunden: das Plankton. Vielleicht werden sich die Menschen einmal dazu verstehen, Plankton im Meer zu ernten, wie sie einst lernten, Korn einzusammeln. Ein vereinzeltes Korn taugt auch nichts, aber in großen Mengen ist es Nahrung.

Der Meeresbiologe Dr. A. D. Bajkov brachte uns auf die Idee und schickte uns auch ein Fischnetz, das in einem genauen Verhältnis zu den Dingen, die wir fangen wollten, stand. Das »Netz« war ein Seidengewebe mit fast dreitausend Maschen im Quadratzoll. Es war wie ein hufeisenförmiger Beutel genäht und hing an einem Eisenring mit anderthalb Fuß Öffnung hinter dem Floß im Schlepp. Genau wie bei anderen Fischen war der Fang je nach Zeit und Ort verschieden. Der Fang nahm ab, als das Meer weiter westlich wärmer wurde. Außerdem hatten wir unsere besten Resultate in der Nacht, anscheinend tauchten viele Arten bei Sonnenschein in die Tiefe.

Hätten wir auf dem Floß keinen anderen Zeitvertreib gehabt, wäre es jedenfalls unterhaltsam genug gewesen, die Nase ins Planktonnetz zu stecken, nicht wegen des Geruchs, denn der war übel, und nicht zum Appetitanregen, denn als gemischtes Kompott sah Plankton grauslich aus. Aber die phantasievollen Formen und Farben nahmen kein Ende, wenn wir es auf ein Brett ausschütteten und uns die einzelnen Kleintiere mit bloßen Augen betrachteten.

Die meisten waren winzigkleine Garneelen (Copepoden) oder frei schwimmende Fischeier, aber es gab auch Fischlarven und Schalentiere, wunderliche Miniaturkrabben in allen Farben, Quallen und eine endlose Variation von winzigen Geschöpfen, die aussahen, als waren sie Walt Disneys Phantasie entsprungen. Manche erinnerten an befranste und flackernde Spukwesen aus Zellophanpapier, während andere rotschnäbeligen Miniaturvögeln mit harten Schalen anstatt der Federn glichen. Es war kein Ende an zügellosen Erfindungen der Natur in der Planktonwelt, hier konnte sich sogar ein surrealistischer Künstler überboten fühlen.

Dort, wo der kalte Humboldtstrom unter dem Äquator nach Westen bog, konnten wir alle paar Stunden die Planktongrütze kiloweise aus dem Sacke leeren. Das Plankton lag hier zusammengebacken wie weicher Kuchen in farbenreichen Schichten, braun, rot, grau und grün, je nachdem wir verschiedene Planktonfelder passierten. Wenn nachts Meerleuchten war, war es, als zöge man einen Sack mit funkelnden Juwelen herein. Wenn wir ihn in die Hände bekamen, wurde der Seeräuberschatz zu Millionen von winzigen Garneelen und phosphorglitzernden Fischlarven, die wie ein glimmender Kohlenhaufen im Dunkeln glosten. Und wenn wir sie in den Eimer schütteten, dann lief der Teig heraus wie eine glitzernde Zaubergrütze von Glühwürmchen. So schön dieser Nachtfang von weitem war, so gottlos wirkte er aus der Nähe. Je übler der Geruch, desto besser war der Geschmack, wenn man nur mutig einen Löffel Meerleuchten in den Mund führte. Waren viele Zwerggarneelen darunter, so schmeckte es wie Garneelen-, Hummeroder Krabbenpastete. Waren es im wesentlichen Fischeier, so schmeckte es wie Kaviar und hin und wieder wie Austern. Das Pflanzenplankton war entweder so klein, daß es mit dem Wasser durch das Netz verschwand, oder aber es war so groß, daß wir es mit den Fingern herausfischen konnten. Wie Haare in der Suppe kamen vereinzelte große, geleeartige Zölenteraten vor, die an zentimeterlange Glasballons erinnerten, außerdem noch Quallen. Sie waren bitter und mußten herausgesucht werden. Sonst konnte man alles essen, entweder so, wie es war, oder gekocht in Frischwasser als Grütze oder Suppe. Über den Geschmack läßt sich streiten. Zwei Mann an Bord meinten, Plankton schmecke schlecht, zwei waren der Ansicht, daß es gut sei, und zwei hatten schon beim Anschauen gegessen. Ernährungsmäßig war es den großen Schalentieren durchaus gleichwertig, und gut gewürzt und geschickt zubereitet kann es bestimmt ein erstklassiges Gericht für alle werden, die Seekost lieben. Daß es Kalorien genug in diesen Kleinorganismen gibt, beweist der Blauwal, der als größtes Tier der Welt doch nur von Plankton lebt Unsere eigene Fangmethode mit dem kleinen Netz wirkte furchtbar armselig auf uns als ein vorbeischwimmender Bartenwal uns zum Bewußtsein brachte, auf welch einfache Weise dieser das mitsamt dem Meerwasser aufgenommene Plankton durch seine Zelluloidbarten abseihen kann.

»Schaut euch den einmal an«, sagten Torstein und Bengt verächtlich als wir unser Planktonnetz in den Wogen verloren hatten .»Haltet einmal ein Zündhölzchen in die Barten, dann werdet ihr bald merken, daß es nach verbranntem Zelluloid riecht «

Bisher hatte ich nur aus der Ferne vom Schiff aus Wale gesehen, und im Museum war ich einmal einem ausgestopften auf einen halben Meter Abstand nahe gekommen. Aber ich habe nie ein Gefühl der Sympathie für diesen Riesenhaufen gehabt, wie sonst für ehrliche, warmblütige Tiere zum Beispiel für ein Pferd oder für einen Elefanten. Biologisch hatte ich zwar den Wal schon als waschechten Vierbeiner anerkannt. Aber in seinem Wesen war er mir im großen ganzen wie ein dicker, kalter Fisch erschienen. Unser Eindruck, als sich die großen Wale auf uns zuwälzten, dicht an der Seite des Floßes, war indessen ein ganz anderer. Eines schönen Tages saßen wir wie gewöhnlich auf der Floßkante und speisten so nah am Wasser, daß wir uns bloß nach rückwärts zu beugen brauchten, um das Geschirr reinzuspülen da fuhren wir plötzlich erschreckt hoch, als hinter uns etwas schwer pustete wie ein schwimmendes Pferd, und ein mächtiger Wal in die Höhe kam und uns anglotzte, so nahe, daß wir tief in sein Blasloch hineinsahen, das wie ein Lackschuh glänzte. Es war so ungewöhnlich, ein richtiges Pusten hier heraußen auf dem Meer zu hören, wo alle lebenden Wesen lungenlos durchs Wasser glitten und höchstens klatschend herumschlugen, daß wir förmlich ein warmes Gefühl der Verwandtschaft zu unserem alten Kollegen von der gleichen Firma, dem Wal verspürten, der sich gleich uns so ewig weit aufs Meer verirrt hatte. An Stelle des kalten, krötengesichtigen Walhaies, der keinerlei Sinn dafür hatte, die Nase nach frischer Luft heraufzustrecken, hatten wir hier Besuch von jemand bekommen, der an ein gut gefüttertes und joviales Flußpferd aus einem Tiergarten erinnerte. Und er blies noch freundlich, bevor er wieder ins Meer sank und verschwand. Das alles machte einen mächtig sympathischen Eindruck auf mich.