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Wir sahen in diesem bescheidenen Ereignis einen Vorboten größerer Nachtgäste. Konnte das Baby an Bord krabbeln, so konnten wohl seine hungrigen Urheber dasselbe tun. Unsere Vorväter haben wohl ein ganz ähnliches Gefühl gehabt, wenn sie auf ihren Wikingerschiffen saßen und an Drachen dachten. Aber das nächste Ereignis brachte uns völlig in Aufruhr. Wir fanden eines Morgens ein noch kleineres Tintenfischjunges auf dem First unseres Palmendaches. Das schaffte uns viel Kopfzerbrechen. Es konnte nicht hinaufgeklettert sein, da sich die Tintenspuren auf seinen engsten Umkreis oben auf dem Dach beschränkten. Hätte es andererseits ein Seevogel fallen gelassen, wäre es nicht so vollständig heil und ohne Schnabelspuren gewesen. Wir kamen zu dem Schluß, daß es von einem Spritzer aufs Dach geschleudert worden war, aber keiner von den Nachtposten konnte sich an eine solche Sturzsee erinnern. Und in den nächsten Nächten fanden wir ständig mehr Tintenfischjunge an Bord - die kleinsten von ihnen waren nicht länger als ein Mittelfinger.

Es war bald ganz alltäglich, daß man ein oder zwei kleine Tintenfische unter den fliegenden Fischen am Morgen an Deck fand, sogar wenn die See ganz ruhig gewesen war. Und es waren Junge der richtigen, teuflischen Art, mit acht langen Armen voller Saugnäpfe und zwei noch längeren, die dornartige Haken an den Enden hatten. Aber große Tintenfische machten nie Anstalten, an Bord zu kommen. Wir sahen ihre Phosphoraugen leuchten, wenn sie in schwarzen Nächten an die Oberfläche trieben. Ein einziges Mal sahen wir bei Tageslicht die Meeresfläche kochen und brodeln und etwas wie ein großes Rad aus der Tiefe auftauchen und in der Luft rotieren. Ein Teil von unseren Dolfinen suchte sich mit einem verzweifelten Satz durch die Luft in Sicherheit zu bringen. Aber warum die Großen nie an Bord kamen, während die Kleinen unsere ständigen Nachtgäste waren, blieb ein Rätsel, dessen Lösung wir auch in den zwei erfahrungsreichen Monaten nicht erhielten, die wir hier in dieser berüchtigten Krakengegend verbrachten. Junge Tintenfische kamen weiterhin an Bord. Da geschah es im Sonnenschein eines Morgens, daß wir alle einen blinkenden Schwarm von irgend etwas Unbestimmbarem sahen, das aus dem Wasser heraufschoß und wie große Regentropfen durch die Luft sauste, während die See von den verfolgenden Dolfinen aufgewühlt wurde. Wir nahmen es zuerst für einen Schwarm fliegender Fische. Wir hatten bereits drei verschiedene Arten davon an Bord bekommen. Aber als sich die Unbekannten näherten und vereinzelte in anderthalb Meter Höhe über das Floß segelten, da stieß einer Bengt vor die Brust und fiel mit einem Platsch aufs Deck. Es war ein junger Tintenfisch. Unsere Überraschung war groß. Als wir ihn in einen Segeltuchbottich mit Seewasser setzten, nahm er einen kräftigen Anlauf und schoß herauf gegen die Oberfläche. Aber in dem kleinen Bottich bekam er nicht genügend Geschwindigkeit, um mehr als halb aus dem Wasser herauszukommen. Es ist längst bekannt, daß der Tintenfisch gewöhnlich nach dem Raketenprinzip schwimmt. Er pumpt Seewasser mit gewaltiger Kraft durch eine offene Röhre seitlich des Körpers aus und kann dadurch ruckweise mit sausender Fahrt nach rückwärts schießen, und wenn er alle Fangarme in einem dichten Bündel über dem Schädel zusammenschließt, wird er stromlinienförmig wie ein Fisch. An den Seiten hat er zwei runde und fleischreiche Hautfalten, die er gewöhnlich zur Steuerung und zum langsamen Schwimmen im Wasser verwendet. Aber es zeigte sich auch, daß verantwortungslose Tintenfischjünglinge, ein Leibgericht für viele große Fische, ihren Verfolgern entkommen konnten, indem sie auf dieselbe Weise in die Luft fuhren wie die fliegenden Fische. Sie hatten das Prinzip des Raketenfluges schon längst verwirklicht, bevor das menschliche Genie auf die Idee gekommen war. Sie pumpten das Seewasser durch sich, bis sie eine rasende Fahrt bekamen, dann steuerten sie schräg hinauf durch die Wasserfläche, indem sie die Hautfalten als Schwingen ausstreckten. Nach Art der fliegenden Fische segelten sie so im Gleitflug über die Wogen, soweit sie ihr Schwung trug. Seitdem wir darauf aufmerksam geworden waren, sahen wir sie oft vierzig bis fünfzig Meter weit dahinsegeln, vereinzelt oder in Rudeln von zwei bis drei Stück. Daß der Tintenfisch gleitfliegen konnte, war eine Neuheit für alle Zoologen, die wir treffen sollten.

Bei den Eingeborenen im Stillen Ozean habe ich oft Tintenfisch gegessen. Er schmeckt wie eine Mischung von Hummer und Kautschuk. Aber auf der »Kon-Tiki« stand der Tintenfisch zuunterst auf der Speisekarte. Bekamen wir ihn auf Deck präsentiert, tauschten wir ihn bloß gegen etwas anderes ein. Dieser Tausch ging so vor sich, daß wir die Angel mit einem Tintenfisch auswarfen, um sie wieder mit einem zappelnden Großfisch hereinzuziehen. Selbst der Thunfisch und der Bonito lieben junge Tintenfische. Und die lieferten ein Gericht, das an der Spitze des Menüs fungierte.

Es waren nicht nur alte Bekannte, auf die wir stießen, als wir so langsam über die Meeresfläche trieben. Das Tagebuch hat viele Notizen folgender Art:

11. 5. Heute kam ein gewaltiges Seetier zweimal neben uns an die Oberfläche als wir an der Floßkante beim Abendessen saßen Es platschte schrecklich und verschwand wieder Wir haben keine Ahnung, was es sein kann.

6. 6. Hermann sah einen dunklen und dicken Fisch mit einem weißen, breiten Körper mit dünnem Schwanz und Stacheln, der viele Male an der Steuerbordseite aus dem Wasser sprang.

16. 6. Ein bemerkenswerter Fisch backbord vom Bug aufgetaucht Zwei Meter lang, einen Fuß an der breitesten Stelle, eine braune, lange, dünne Schnauze, eine große Rückenflosse am Schädel und eine kleinere mitten auf dem Rücken und eine schwere, sichelförmige Schwanzflosse, hielt sich an der Oberfläche und schwamm teilweise durch Winden des Körpers wie ein Aal. Er tauchte, als Hermann und ich im Gummifloß mit der Handharpune auszogen, kam später herauf, tauchte aber wieder und verschwand. Tags darauf. Erich saß im Mastkorb, zwölf Uhr mittags, als er dreißig bis vierzig lange, dünne, braune Fische derselben Art wie gestern zu sehen bekam. Sie kamen mit gewaltiger Fahrt von der Backbordseite dahergejagt und verschwanden nach achtern wie ein großer brauner Schatten in der See.

18. 6. Knut beobachtete ein schlangenartiges Tier, zwei bis drei Fuß lang und sehr dünn, das gerade aufstand und wieder ins Wasser unter die Oberfläche ging, und das tauchte, indem es sich wie eine Schlange hinunterwand. Bei ein paar Gelegenheiten glitten wir an einer großen, dunklen Masse vorbei, die unbeweglich unter der Wasseroberfläche wie eine Unterwasserschäre lag, in der Größe eines Stubenbodens Es war vermutlich der berüchtigte Riesenrochen. Aber nie rührte er sich, und wir kamen nie nahe genug, um die Konturen deutlich zu sehen.

Mit solcher Gesellschaft im Wasser wurde uns die Zeit nie lang Schlimmer war, daß wir auch selbst hinab in die See tauchen sollten, um das Tauwerk an der Unterseite zu inspizieren Eines Tages löste sich einer von unseren Senkkielen und glitt unter das Floß, wo er sich im Tauwerk festhakte, ohne daß wir ihn zu fassen bekamen. Hermann und Knut waren die besten Taucher Zweimal schwamm Hermann unter das Floß unter Dolfine und Lotsenfische und zog und zerrte an dem Brettstück. Er war kaum zum zweitenmal heraufgekommen und saß auf der Kante um zu verschnaufen, als ein acht Fuß langer Hai aus der Tiefe nicht weiter als drei Meter vor seinen Füßen auftauchte, in genauer Fahrtrichtung auf seine Zehenspitzen. Vielleicht taten wir dem Hai unrecht, aber wir hatten ihn im Verdacht, schlechte Absichten zu hegen, und ramten ihm eine Harpune in den Schädel. Der Hai fühlte sich verkannt, und es gab ein erbittertes Tauziehen mit dem Erfolg, daß der Hai verschwand und eine Ölschicht auf der Wasserfläche hinterließ, wahrend der Senkkiel ungeborgen unter dem Floß verklemmt blieb.