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Da kam Erich auf die Idee, einen Taucherkorb herzustellen Zwar hatten wir nicht viel Rohmaterial, aber wir hatten Bambus und Tauwerk und einen alten, geflochtenen Korb, in dem Kokosnüsse gewesen waren. Wir verlängerten den Korb oben mit Bambus und Flechtwerk von Tau, und so ließen wir uns in diesem Korb an der Seite des Floßes hinab. Unsere verlockenden Beine waren so im Korb geschützt, und selbst wenn das Flechtwerk offenkundig nur moralischen Effekt sowohl für uns als auch auf die Fische hatte, konnten wir uns doch jedenfalls blitzschnell in den Korb hineinhocken, wenn etwas feindlich Gesinntes auf uns zugejagt kam, und dann konnten uns die anderen an Deck rasch aus dem Wasser ziehen.

Dieser Taucherkorb wurde nicht nur nützlich, er wurde im Laufe der Zeit auch das reinste Vergnügungsunternehmen für alle an Bord. Es gab uns nämlich eine erstklassige Gelegenheit, jenes schwimmende Aquarium kennenzulernen, das wir unter unserem Fußboden hatten.

Wenn sich das Meer begnügte, in ruhigen Wogen dahinzuziehen, krochen wir der Reihe nach hinein und ließen uns in das Wasser hinunterhängen, solange unser Atem reichte. Es war ein eigentümlich klarer und schattenloser Lichtstrom hier unten im Meer. Sobald wir unsere Augen unter der Wasserfläche öffneten, war es, als ob das Licht nicht langer aus einer bestimmten Richtung käme wie in unserer oberseeischen Welt droben.

 Watzinger und seine Beute. Von allen Fischen, die uns im Stillen Ozean begegnen, schmecken die Bonitos am besten. Manchmal kommen sie sogar freiwillig.

 

„Haugland, halt dich fest!" Achteraus an der Ruderpinne hat unser Steuermann oft eine feuchte Wache, wenn die Wellentäler zu eng sind, um Platz für das ganze Floß zu bieten.

Der Lichtschein kam im Wasser genauso von unten wie oben Die Sonne schien nicht länger, sie war allerorten anwesend. Sahen wir hinaus zum Boden des Floßes, so lag er in seiner ganzen Ausdehnung strahlend beleuchtet. Die neun großen Stämme und das ganze Netzwerk von Tauen waren in ein zauberisches Licht getaucht. Ein flatternder Kranz von frühlingsgrünem Seegras umgab alle Seiten und säumte das ganze Steuerruder. Die Lotsenfische schwammen ruhig ihr Geleite wie Zebras in Fischhaut, wahrend große Dolfine uns raublustig in rastlosen, wachsamen Rucken umkreisten. Hie und da leuchtete es im saftigen roten Holz eines Senkkiels, der aus einer Spalte herniederstak, und darauf saßen friedliche Kolonien von weißen Entenmuscheln und winkten rhythmisch mit ihren gefransten gelben Kiemenbuscheln nach Sauerstoff und Nahrung. Wenn ihnen jemand zu nahe kam, schlossen sie eilig die rot und gelbgesäumten Schalen zu und hielten die Türen verschlossen, bis sie fühlten, daß die Gefahr vorüber war. Das Licht hier unten war wunderbar klar und behaglich für uns, die wir an die Tropensonne auf Deck gewöhnt waren. Selbst wenn wir in die bodenlose Meerestiefe hinabsahen, wo ewig schwarze Nacht war, so tönte sich die Nacht für uns durch die zurückgeworfenen Sonnenstrahlen wunderschön hellblau. Zutiefst drunten im klaren, reinen Blau sahen wir zu unserer Verwunderung auch Fische, wenn wir nur selbst unter das Wasser gekommen waren. Es konnten Bonitos sein und andere Arten, die so tief gingen, daß wir sie nicht wiedererkennen konnten. Manchmal kamen sie in gewaltigen Schwärmen, und wir forschten oft danach, ob die ganze Meeresströmung voll von Fischen war oder ob auch hier unten in der Tiefe sich ein Gefolge »Kon-Tikis« versammelt hatte.

Besonders populär war es, einen Ausflug unter die Wasserfläche zu unternehmen, wenn wir Besuch von den großen, gelbflossigen Thunfischen hatten. Oft umringten sie das Floß in ganzen Schwärmen, aber meistens marschierten sie nur zu zweit oder zu dritt und schwammen dann viele Tage hintereinander in ruhigen Kreisen um uns, soweit es uns nicht glückte, sie an die Angel zu bekommen. Vom Floß aus erschienen sie schlecht und recht als große, braune, schwere Fische ohne besondere Eleganz. Aber krochen wir hinunter in ihr eigenes Element, so änderten sie spontan sowohl Farbe wie Form. Die Veränderung war so verwirrend, daß wir viele Male hinauf mußten und eine neue Peilung beginnen, um zu sehen, ob es dieselben Fische waren, die wir über dem Wasser gesehen hatten. Die großen Brocken scherten sich den Teufel um uns. Sie setzten unbeirrt ihre majestätischen Manöver fort und hatten plötzlich eine bewunderungswürdige Eleganz in der Form erlangt. Nie hatten wir dergleichen bei einem anderen Fisch gesehen. Die Farbe war metallisch geworden und spielte in ein schwaches Violett. Wie ein kompakter Torpedo aus glänzendem Silber und Stahl in vollkommenem Gleichgewicht und in Stromlinienform bewegten sie nur ein wenig die verschiedenen Flossen und schössen sofort ihre siebzig bis achtzig Kilogramm mit vollkommenster Beherrschung durchs Wasser.

Je enger wir in Kontakt mit dem Meer und all seinen Geschöpfen kamen, desto weniger fremd wurde es uns, und desto mehr fühlten wir uns selbst zu Hause. So lernten wir die alten Naturvölker respektieren, die Hand in Hand mit dem Stillen Ozean lebten und ihn deshalb aus einem ganz anderen Gesichtswinkel kannten als wir selbst. Uns ist es vielleicht gelungen, seinen Salzgehalt zu errechnen und lateinische Bezeichnungen für Thunfisch und Dolfin auszudenken, sie hatten das natürlich nicht. Aber ich fürchte, daß das Bild, das diese Naturmenschen vom Meer hatten, doch viel richtiger war als unser eigenes.

Es waren nicht viele feste Punkte, auf denen das Auge hier draußen im Meer ruhen konnte. Wogen und Fische, Sonne und Sterne kamen und gingen. Wir konnten kein Land in der Seestrecke von achttausend Kilometern, die die Südseeinseln von Peru trennt, finden. Deshalb waren wir höchst überrascht, als wir uns 100 Grad West näherten und bemerkten, daß genau vor uns in unserer Fahrtrichtung ein Riff in der Karte des Stillen Ozeans angemerkt war. Es war als kleiner Kreis hingetüpfelt, und da die Karte in dem gleichen Jahr herausgegeben war, schlugen wir in den »Sailing Directions for South America« nach und lasen hier:

»Es wurde zuerst 1906 und später auch 1926 berichtet, daß es etwa 600 Meilen südwestlich der Galapagos Brandungswellen auf 6 Grad 42 Minuten südlicher Breite und 99 Grad 43 Minuten westlicher Länge gibt. 1927 passierte ein Schiff eine Seemeile westlich dieser Position, ohne solche Brandung zu sehen, und 1934 kam ein anderes Schiff eine Seemeile südlich daran vorbei, gleichfalls ohne etwas zu beobachten. Das Motorfahrzeug >Cowrie< fand 1935 bei 160 Faden keinen Boden an dieser Stelle.«

Den Karten zufolge war die Stelle ersichtlich weiterhin als ein unsicheres Gefahrenmoment für Fahrzeuge angesehen, und da ein tiefgehendes Schiff ein weit größeres Risiko läuft, wenn es sich einer Untiefe nähert, als wir auf unserem Floß, beschlossen wir, genau auf den Punkt der Karte zuzusteuern und nachzusehen, was es hier zu finden gab. Das Riff war etwas weiter nach Norden angezeichnet als dort, wohin wir voraussichtlich treiben würden. So legten wir das Ruder hinüber gegen Steuerbord und drehten das Rahsegel so, daß der Bug nach Norden zeigte und wir See und Wind von Steuerbord hereinbekamen. Jetzt geschah es wohl, daß etwas mehr vom Stillen Ozean in unsere Schlafsäcke schäumte, als wir es gewohnt waren, besonders als der Wind gleichzeitig beträchtlich aufzufrischen begann. Aber wir sahen, daß die »Kon-Tiki« scharf und sicher in einem verblüffend großen Winkel zur Windrichtung steuerbar war, wenn nur der Wind weiterhin schräg von achtern kam. Sonst schlug das Segel herum, und wir hatten den alten wahnwitzigen Zirkus, um das Floß wieder in unsere Kontrolle zu bekommen. Zwei Tage lang    zwangen wir das Floß so nach    Nordnordwest. Sturzseen wühlten sich auf und wurden unberechenbar, als der Passat begann, zwischen Südost und Ost zu schwanken, aber was immer gegen uns anbrauste, wir schaukelten darüber hinweg. Wir hatten ständig einen Posten auf der Mastspitze, und wenn wir über die Kämme ritten, weitete sich der Horizont beträchtlich aus. Die Kämme der Seen reichten zwei Meter über die Höhe des Hüttendaches, und wenn zwei energische Seen zusammenwuchsen, dann türmten sie sich im Zweikampf noch höher und hoben eine zischende Schaumkrone in die Luft, die sich in ungeahnter Richtung herunterwälzen konnte.