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Dasselbe wiederholte sich auf den Südseeinseln. Es ist das Peru am nächsten gelegene Eiland, die Osterinsel, das die tiefsten Spuren dieser Kultur trägt, obwohl diese Insel wasserarm und nicht fruchtbar ist und von allen Inseln im Stillen Ozean am weitesten von Asien entfernt liegt.

Als wir die halbe Reise hinter uns hatten, waren wir so lange gesegelt, wie man von Peru zur Osterinsel braucht. Nun hatten wir das sagenumsponnene Eiland genau im Süden. Wir waren von einem ganz beiläufigen Punkt mitten an der Küste Perus in See gestochen, da wir den Weg eines Durchschnittsfloßes nehmen wollten, das von Land trieb. Hätten wir das Festland weiter südlich verlassen, näher an der Ruinenstadt Kon-Tikis, Tiahuonaco, dann hätte uns zwar derselbe Wind ergriffen, aber eine schwächere Strömung, die uns in Richtung auf die Osterinsel getrieben hätte.

Als wir den 110. Grad westlicher Länge passierten, waren wir in polynesischen Gewässern. Denn die Osterinsel lag jetzt näher an Peru als unsere eigene Position, und wir waren auf gleicher Höhe mit diesem ersten Vorposten der Südseeinseln, dem Zentrum der ältesten polynesischen Kultur. Wenn unser glühender Wegweiser, die Sonne, vom Himmel herabstieg und mit der ganzen Farbenpracht des Regenbogens hinter dem Meer im Westen verschwand, dann blies der milde Passat Leben in unsere Gespräche über das seltsame Mysterium der Osterinsel. Der Nachthimmel löschte jeden Zeitbegriff aus, und aufs neue geisterten die Riesenschatten unserer bärtigen Köpfe über das Segel. Aber weit unten im Süden auf der Osterinsel standen noch größere Riesenköpfe, in Stein gemeißelt, mit spitzbärtigem Kinn und mit den Zügen des weißen Mannes, und sannen über dem Geheimnis der Jahrhunderte. So standen sie bereits da, als die ersten Europäer im Jahre 1722 die Insel entdeckten. Und so hatten sie damals durch zweiundzwanzig polynesische Generationen gestanden, als die jetzige Bevölkerung mit ihren Kriegskanus dort landete und alle erwachsenen Männer dieses rätselhaften Kulturvolkes auf der Insel ausrottete. Seit damals thronten Götterbilder auf der Osterinsel als gewaltige und ungelöste Symbole einer vorzeitlichen Mystik. Auf den Abhängen rund um die baumlose Insel ragten sie in den Himmel, Steinkolosse, aus einem einzigen Block prächtig ausgemeißelt als menschliche Gestalten, und so hoch wie ein drei- bis vierstöckiges Haus. Wie konnten diese Menschen der Vorzeit solche gigantischen Steinbilder schaffen, transportieren und aufrichten? Aber nicht das allein. Wie hatten sie es vermocht, zwölf Meter über dem Boden noch einen besonderen riesigen Block aus rotem Stein als kolossale Perücke auf viele der Köpfe zu türmen? Was war der Sinn? Und welche Art technischer Möglichkeiten hatten die verschwundenen Bildhauer gehabt? Sie meisterten Probleme, die groß genug wären für die besten Ingenieure von heute.

Wenn wir einmal zusammentragen, was das alte Kulturvolk an Spuren und Beweisstücken hinterlassen hat, die die Zeit nicht völlig zu zerstören vermochte, so ist das Geheimnis der Osterinsel vielleicht doch nicht unlösbar, sobald man sich die Möglichkeit einer Verbindung mit Peru durch Flöße vor Augen hält.

Die Osterinsel ist der Gipfel eines uralten, längst erkalteten Vulkans. Gepflasterte Straßen, von diesem alten Kulturvolk angelegt, führen noch zu den guterhaltenen Landungsplätzen an der Küste und zeigen damit, daß der Wasserstand rund um die Insel genauso war, wie er heute noch ist. Wir haben es hier keinesfalls mit dem Rest eines versunkenen Kontinents zu tun, sondern mit einer kleinen öden Insel, die, als sie mitten im Stillen Ozean das Zentrum einer blühenden Kultur beherbergte, genauso öde und einsam war, wie sie es heute noch ist.

Mitten auf dieser kegelförmigen Insel liegt der erloschene Krater, und dieser enthält nun die erstaunlichen Steinbrüche und Werkstätten der Bildhauer. Alles liegt hier noch genauso, wie die Steinmetze und Architekten es vor vielen hundert Jahren verließen, als sie Hals über Kopf an die Ostspitze der Insel flohen, wo, wie die Sage berichtet, die Neuankömmlinge sie stellten und alle, Mann für Mann, niedermachten. Der plötzliche Abbruch ihres Werkes gibt einen deutlichen Querschnitt durch einen gewöhnlichen Arbeitstag im Krater der Osterinsel. Die flintharten Steinäxte der Künstler liegen ringsum auf dem Arbeitsplatz verstreut und zeigen, daß dieses Kulturvolk genauso wenig vom Eisen wußte wie die Bildhauer Kon-Tikis, als sie von Peru vertrieben wurden und ebensolche riesenhafte Steinstatuen auf dem Andenplateau hinterließen. Auf der Osterinsel wie in den Anden kann man die Steinbrüche finden, wo das weiße und bärtige Volk der Legende zwölf Meter lange Steinblöcke aus dem massiven Fels herausgeschlagen hat, nur mit Hilfe von Beilen aus noch härterem Stein. Und in beiden Gegenden wurden die Riesenblöcke, die viele Tonnen wogen, viele Kilometer weit über schwieriges Terrain transportiert, bevor sie als ungeheuerliche Menschenfiguren aufgerichtet oder zum Bau von gigantischen Terrassen und Mauern aufeinandergetürmt wurden.

Viele halbfertige Riesenstatuen liegen noch heute so, wie sie begonnen wurden, in ihren Höhlungen in der Kraterwand der Osterinsel und zeigen, wie die Arbeit in den verschiedenen Stadien vor sich ging. Die größte Menschenfigur, die fast fertig war, als die Künstler flüchten mußten, hatte eine Länge von zweiundzwanzig Metern, und wäre sie fertig aufgestellt worden, hätte dieser Koloß mit seinem Kopf in die Höhe eines achtstöckigen Hauses emporgereicht. Jede einzelne Figur wurde aus einem einzigen zusammenhängenden Block gehauen, und die Arbeitsplätze der Bildhauer rund um die liegende Figur verraten, daß es nur wenige waren, die gleichzeitig an ihr arbeiteten. Auf dem Rücken liegend, die Arme gebeugt und die Hände unter der Brust gefaltet, genau wie die Steinkolosse in Peru, wurden die Osterinselfiguren in jedem kleinsten Detail vollendet, bevor sie aus der Werkstatt geholt und zu ihrem Bestimmungsort irgendwo auf der Insel transportiert wurden. Im letzten Stadium hing der Riese nur mehr entlang eines schmalen Kieles unter dem Rücken am Berg fest, und auch dieser wurde weggeschlagen, während der Riese mit Rollsteinen aufgeblockt wurde.

Viele dieser Figuren wurden nur auf den Boden des Kraters geschafft und dort im Abhang aufgestellt, aber eine Anzahl der größten Kolosse wurde über die Wände hinaufgezogen und viele Kilometer weit durch schwieriges Gelände transportiert, bevor sie auf einer steinernen Plattform auf die Füße gestellt wurden und einen besonderen Block aus roter Lava auf ihren Scheitel gesetzt bekamen. Dieser Transport kann an und für sich als blankes Rätsel gelten, aber wir können nicht leugnen, daß er geschah, und noch weniger, daß die Architekten, die aus Peru verschwanden, ebenbürtige Steinkolosse in den Anden hinterlassen haben, die verraten, daß sie genau solche Fachleute auf diesem Gebiet waren. Auch wenn diese Steinbilder am größten und zahlreichsten auf der Osterinsel sind und die Bildhauer sich hier einen besonderen Stil zugelegt haben, so hat das gleiche verschwundene Kulturvolk ähnliche Riesenstatuen in Menschengestalt noch auf vielen anderen Inseln im Stillen Ozean, die Amerika zunächst liegen, errichtet, und überall wurden die Statuen von abgelegenen Steinbrüchen zum Tempelplatz gebracht. Auf den Marquesas bekam ich Legenden zu hören, wie diese Riesensteine bewegt wurden, und da sie genau den Erzählungen der Eingeborenen von dem Transport der Steinsäulen zum Riesentor auf Tongatabu entsprachen, kann man davon ausgehen, daß dasselbe Volk dieselbe Methode bei den Statuen auf der Osterinsel benützt hat.

Die Skulpturarbeit im Steinbruch nahm lange Zeit in Anspruch, konnte aber von wenigen Künstlern bewältigt werden. Die Transportarbeit war jedesmal, wenn eine Statue fertig war, rascher gemacht, erforderte aber große Menschenmassen. Die kleine Osterinsel war damals fischreich und mit großen Plantagen von peruanischen Süßkartoffeln gründlich bestellt, und Experten meinen, daß die Insel in der Zeit ihrer kulturellen Blüte leicht eine Bevölkerung von sieben- bis achttausend Menschen ernähren konnte. Etwa tausend Menschen hätten genügt, um die Riesenstatuen über die steile Kraterwand heraufzuziehen, während fünfhundert Mann ausreichten, sie weiter über die Insel zu schleppen.