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Wir wurden schließlich so vertraut mit den Haien, daß wir begannen, sie am Schwanz zu ziehen. Viele werden einwenden, daß es ein primitiver Sport ist, Tiere am Schwanz zu ziehen, aber die haben es eben noch nie bei einem Hai versucht! In Wirklichkeit ist das aber eine spannende Angelegenheit.

Um den Schwanz in die Hand zu bekommen, mußten wir den Hai erst einmal mit einem richtigen Leckerbissen ködern. Für einen solchen war er gerne bereit, den Schädel hoch aus dem Wasser herauszustrecken. Gewöhnlich bekam er den Happen an einer Schnur pendelnd serviert. Wer nämlich den Hai einmal direkt aus der Hand gefüttert hat, findet das nicht weiter unterhaltsam. Wenn man Hunde oder zahme Bären aus der Hand füttert, so verbeißen sie sich in das Stück Fleisch und zerren und reißen, bis sie es auseinanderbekommen oder das ganze Stück weggezogen haben. Wenn man jedoch einem Hai einen großen Dolfin in entsprechendem Abstand vorhält, so taucht er auf und klappt das Maul zu, und ohne die geringste Erschütterung ist der halbe Dolfin mit einmal fort, und man selbst sitzt dann da mit dem Schwanz in der Hand. Für uns war es eine arge Plackerei, einen Dolfin mit dem Messer auseinanderzuschneiden. Der Hai aber hatte im Bruchteil einer Sekunde das Rückgrat und alles andere glatt und lautlos auseinandergetrennt wie eine Wurstmaschine, indem er seine dreikantigen Sägeblattzähne rasch nach der Seite bewegte. Wenn dann der Hai sich abwendete, um wieder zu tauchen, wedelte er den Schwanz heraus aus dem Wasser, so daß er leicht zu packen war Haihaut greift sich wie richtiges Sandpapier an, und in der obersten Schwanzspitze befindet sich ein Absatz, der für einen guten Handgriff wie geschaffen ist. Bekamen wir hier erst einmal einen festen Griff, so konnte die Faust nicht mehr abgleiten.

Nun aber hieß es ziehen, bevor der Hai sich besann, um so möglichst viel vom Schwanz herein über die Stämme zu spannen. Ein oder zwei Sekunden begriff der Hai gar nichts, dann aber begann er zu stoßen und zu schlagen Allerdings vergeblich, denn ohne Hilfe des Schwanzes kann kein Hai davonfahren, die übrigen Flossen sind nur Gleichgewichts- und Steuerungsapparate. Nach einem verzweifelten Ruck, wobei es galt, den Schwanz fest in der Klemme zu behalten, wurde der Überrumpelte zuletzt vollständig mutlos und apathisch. Und da ihm der lose Magensack gegen den Schädel zu sinken begann, war er schließlich wie gelähmt. Wenn der Hai nun erstarrte und wie abwartend hängenblieb, war es an der Zeit, ihn mit allen Kräften einzuholen. Selten bekamen wir dabei mehr als die Hälfte des schweren Fisches aus dem Wasser heraus. Aber da erwachte auch der Hai und vollbrachte den Rest meistens selbst. Mit einem gewaltigen Ruck warf er den Schädel herum und schleuderte sich herauf auf die Stämme. Nun galt es noch, aus Leibeskräften mit einem festen Ruck nachzuhelfen und dann mit einem Satz weit wegzuspringen. Eile war geboten, wollte man seine Beine retten, denn jetzt wurde der Hai absolut ungnädig. Mit gewaltigem Schwung hieb er um sich, und sein Schwanz schlug wie ein Schmiedehammer gegen die Bambuswand. Nun sparte er nicht länger seine Riesenkräfte. Das schwere Maul fuhr an der Wand hoch, und die Zahnreihen hieben und schnappten in der Luft nach allem und jedem. Manchmal endete der wilde Kriegstanz damit, daß der Hai mehr oder minder unabsichtlich in die See ausbüchste und nach solch schändlicher Demütigung auf Nimmerwiedersehen verschwand. Meistens aber warf er sich immer auf den gleichen Stämmen am Heck planlos herum, bis wir ihm eine Fangschlinge um die Schwanzwurzel legen konnten oder er von selber aufhörte, seine teuflischen Zähne zu fletschen.

Der Papagei war ganz überwältigt, wenn wir einen Hai an Deck hatten. Er kam aus der Bambushütte herausgelaufen und kletterte in rasender Fahrt die Hüttenwand hinauf, bis er oben auf dem Palmblätterdach einen guten und sicheren Ausguckposten gefunden hatte. Hier saß er dann, schüttelte aufgeregt den Kopf, hüpfte auf dem First vor und zurück und schrie vor Begeisterung. Er war schon bald ein hervorragender Seemann geworden und sprühte vor Humor, Gelächter und guter Laune. Wir rechneten uns sieben an Bord, sechs Mann und ein grüner Papagei. Die Krabbe Johannes dagegen mußte sich begnügen, als kaltblütiger Außenseiter betrachtet zu werden. In der Nacht kroch der Papagei in seinen Käfig unterm Dach der Bambushütte. Untertags aber spazierte er an Deck umher oder hing zwischen Pardunen und Stagen und führte uns die berückendsten akrobatischen Übungen vor. Anfänglich hatten wir Streckfische in den Maststagen. Aber sie rieben am Tauwerk, so daß wir zu gewöhnlichen Schlingen übergingen. Wenn die Taue sich dehnten und schlapp wurden von Sonne und Wind, mußten alle Mann anpacken und den Mast wieder hochstagen, damit das Eisenholz nicht im lockeren Tauwerk herumschlug und schließlich niederbrach. Das waren die unangenehmsten Augenblicke. Während wir mit aller Kraft zogen und spannten, begann der Papagei mit seiner Clownstimme zu rufen: »hol ein, hol ein, ho-ho-ho-ho, ha-ha-ha-ha!« Hatte er uns dann glücklich zum Lachen gebracht, so lachte er selber über seine eigene Ergötzlichkeit, daß es ihn schüttelte, und schwirrte unentwegt in den Stagen herum.

Zu Beginn unserer Reise war der Papagei voller Bosheit gegen die Funker. Sie konnten glücklich vertieft im Radiowinkel sitzen mit ihrem magischen Kopfschmuck und vielleicht gerade Verbindung mit irgendeinem Radioamateur in Oklahoma haben, da wurde es plötzlich totenstill in den Hörern, und sie bekamen keinerlei Laut mehr heraus, soviel sie auch mit den Drähten orgelten und an ihren Knöpfen drehten. Der Papagei war wieder einmal auf dem Kriegspfad gewesen und hatte ihnen den Antennendraht abgebissen. Das war ja besonders populär in der ersten Zeit, da die Antenne hinter einem Ballon in der Luft hing. Doch eines Tages wurde der Papagei ernstlich krank. Niedergeschlagen hockte er in seinem Bauer, glotzte vor sich hin und rührte zwei Tage kein Futter an, während seine Visitkarten von goldschimmernden Drahtenden glänzten. Da bereuten die Telegraphisten ihr wütendes Geschimpfe und der Papagei seine Missetaten. Ja, von dem Tag an wurden Torstein und Knut seine auserwählten Freunde, und der Papagei wollte nur mehr im Radiowinkel schlafen. Als unser grüner Freund an Bord kam, war seine Muttersprache Spanisch. Lange bevor er Torsteins original-norwegische Lieblingsflüche nachsprechen konnte, behauptete Bengt, daß er sein Spanisch mit norwegischem Akzent zu reden beginne.

Sechzig Tage lang freuten wir uns am Humor und an der Farbenpracht des Papageis. Dann fegte einmal eine große Woge von achtern her übers Deck, während er gerade von der Mastspitze an den Wanten herunterkletterte. Als wir entdeckten, daß er über Bord gegangen war, war es bereits zu spät. Wir sahen ihn nicht mehr, und die »Kon-Tiki« ließ sich weder wenden noch anhalten. Was einmal vom Floß über Bord ging, hatte keine Chance mehr zurückzukommen. Das hatten zahlreiche Erfahrungen bewiesen.

Am ersten Abend wirkte der Verlust des Papageis sehr drückend auf unsere Stimmung. Wir alle wußten, daß uns genau dasselbe widerfahren würde, wenn wir auf einsamer Nachtwache über Bord gingen.

So schärften wir uns erneut alle Sicherheitsregeln ein, legten ein neues Rettungstau für die Nachtwache bereit und sagten einander immer wieder, wir dürften uns noch lange nicht in Sicherheit wiegen, weil es zwei Monate lang gut gegangen war. Auch am hellen Tag konnte ein unvorsichtiger Schritt, eine gedankenlose Bewegung uns dahin führen, wohin der grüne Papagei gegangen war.