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Wir hatten einige Male große Eierschalen von Tintenfischen entdeckt, die wie Straußeneier oder weiße Totenschädel auf den blauen Wellen trieben. Nur ein einziges Mal jedoch sahen wir auch den Tintenfisch sich darunter winden. Wir sichteten die schneeweißen Kugeln, als sie mit uns gerade auf gleicher Höhe schwammen. Zuerst glaubten wir, daß es eine leichte Sache sei, im Schlauchboot hinauszurudern und sie zu holen. Dasselbe glaubten wir auch, als einmal der Strick zum Planktonnetz riß. Wir sicherten das Gummiboot mit einem Tau und versuchten zurückzurudern. Zu unserer Enttäuschung aber merkten wir, daß Wind und Wogen so gegen das Boot drückten und das Tau von der »Kon-Tiki« im Wasser derart kräftig bremste, daß es uns nie glückte, zu einem Punkt zurückzurudern, den unser Floß bereits verlassen hatte. Es gelang uns ja, an das, was wir einsammeln wollten, auf ein paar Meter Abstand heranzukommen. Aber dann war auch die ganze Leine draußen, und die »Kon-Tiki« zog uns mit nach Westen. Einmal über Bord - ewig über Bord! Das war eine Erfahrung, die sich nach all dem unabänderlich in unser Bewußtsein eingeprägt hatte. Mitgegangen - mitgehangen, hieß es für uns, bis die »Kon-Tiki« auf der anderen Seite des Meeres mit ihrem Bug an Land stoßen würde.

Ohne den Papagei war der Radiowinkel leer und verwaist. Aber da die Tropensonne am nächsten Tag gleich hell über dem Stillen Ozean strahlte, währte auch unsere Trauer nicht lange. Acht Tage danach zogen wir viele Haie an Bord. Immer wieder fanden wir zwischen den Thunfischköpfen und anderen schwer verdaulichen Dingen dunkle, krumme Papageienschnäbel im Haimagen. Bei näherer Betrachtung zeigte sich jedoch immer, daß diese schwarzen Schnäbel verdauten Tintenfischen angehörten.

Die beiden Funker hatten schweren Dienst in ihrem Winkel drinnen. Seit ihren ersten Tagen an Bord tropfte das Seewasser aus den Batteriekisten, so daß sie den empfindlichen Radiowinkel mit Segeltuch abdecken mußten, um zu retten, was bei dem hohen Seegang noch zu retten war. Dann rauften sie mit dem Problem, auf dem kleinen Floß eine genügend lange Antenne aufzubauen. Sie versuchten, den Draht mit einem Drachen in die Luft steigen zu lassen, der aber trudelte herunter und verschwand im Wogengischt. Nun probierten sie, die Antenne mit einem Ballon in die Höhe zu lassen. Doch die Tropensonne brannte Löcher in seine Haut, so daß er bald ausgeatmet hatte und in der See versank. Dazu hatten sie noch ihren Kummer mit dem Papagei. Und obendrein vergingen noch vierzehn Tage, bevor wir mit dem Humboldtstrom aus einer toten Zone vor den Anden heraustrieben, in der die Kurzwellen stumm und leblos waren wie die Luft in einer Konservenbüchse.

Doch eines Tages drangen sie wieder durch. Torsteins Ruf wurde zufällig von einem Radioamateur in Los Angeles gehört, der an seinem Sender spielte, um Verbindung mit einem anderen Amateur in Schweden zu bekommen. Der Mann interessierte sich vor allem dafür, welchen Apparat wir hatten. Und als er das zufriedenstellend beantwortet bekam, fragte er, wo sich Torstein aufhielte und wo er wohne. Als er dann zu hören bekam, daß Torstein auf einem Floß in einer Bambushütte mitten im Stillen Ozean hause, kamen einige merkwürdige Tastzeichen zurück, bis ihm Torstein nähere Details servierte. Nachdem der Mann hinter dem Äther sich wieder erholt hatte, erzählte er, daß er Hai heiße und eine Frau namens Anna habe. Sie sei eine geborene Schwedin und würde unsere Familien verständigen, daß wir am Leben seien und es uns gut ginge.

Es war ein merkwürdiger Gedanke an diesem Abend, daß ein völlig fremder Mann, der sich Hai nannte und als Kinooperateur droben im Menschengewimmel von Los Angeles lebte, außer uns selbst der einzige Mensch auf der weiten Welt war, der genau wußte, wo wir waren und daß wir es gut hatten. Von nun an hockten Hai, alias Harold Kempel, und sein Freund Frank Cuevas abwechselnd Nacht für Nacht hinter dem Radiokasten und lauschten auf die Signale von unserem Floß. Hermann empfing denn auch bald anerkennende Telegramme vom Chef des amerikanischen Wetterdienstes für seine täglichen Codemeldungen aus einem statistisch völlig unerfaßten Gebiet. Später bekamen Knut und Torstein fast jede Nacht auch Kontakt mit anderen Radioamateuren. Diese vermittelten über den Amateur Egil Berg in Notodden Grüße nach Norwegen.

Einige Tage später nahm unser Radiowinkel doch etwas zuviel Salzwasser über, und die Station ging vollständig ein. Die Funker standen Tag und Nacht kopf und hantierten wie besessen mit Schraubenziehern und Lötkolben. Die Amateure in der Ferne glaubten schon, die Tage unseres Floßes seien gezählt. Aber eines Nachts drangen die Signale LI2B wieder hinaus durch den Äther, und im Radiowinkel summte es bald wie in einem Wespennest, da viele hundert amerikanische Radioamateure sich über die Taste warfen und gleichzeitig antworteten.

Auch wir selber waren nicht gegen das Gefühl gefeit, uns in ein Wespennest zu setzen, wenn einer von uns sich in das Allerheiligste der Funker verirrte. Alles war rauh vom Seewasser, das sich am Holzwerk überall emporzog. Lag auch, wo die Funker saßen, ein Rohgummiteppich über den Balsastämmen, so bekam man doch einen elektrischen Schlag ins Kreuz und kribbelnde Fingerspitzen, wenn man eine Morsetaste nur anrührte. Wollte einer von uns Uneingeweihten einen Bleistift aus dem so wohlausgerüsteten Radiowinkel klauen, so standen ihm bestimmt die Haare zu Berge oder er zog lange Funken aus seinem Beutestück. Nur Torstein, Knut und der Papagei bewegten sich ungefährdet in der verhexten Ecke, und wir befestigten eine Papptafel, um die Gefahrenzone für uns andere zu markieren.

Während wir schliefen, saß Knut eines Nachts und bastelte beim Lampenschein in seinem Radiowinkel. Da zwickte er mich plötzlich ins Bein und berichtete, daß er sich auf seiner Taste mit einem Kerl unterhalte, der dicht vor Oslo wohne und Christian Amundsen heiße. Das war tatsächlich ein kleiner Amateurrekord. Denn der winzige Kurzwellensender auf dem Floß mit seinen 13 990 Kc./sek. sandte nicht mehr als 6 Watt aus, ungefähr dasselbe wie eine Taschenlampe. Es war am 2. August, und wir waren über 60 Grad um die Erde gesegelt, so daß wir uns also gerade am entgegengesetzten Ende der Welt befanden. König Haakon wurde am Tage darauf fünfundsiebzig Jahre alt, und so schickten wir ihm eine Gratulation vom Floß aus direkt nach Norwegen. In der nächsten Nacht war Christian wieder hörbar und sandte uns ein Antworttelegramm des Königs mit den besten Wünschen für unsere weitere Fahrt.

Noch eine andere nette Episode zeigte uns so richtig den Gegensatz zwischen urtümlichem Flößerleben und moderner Technik. Wir hatten zwei Fotoapparate an Bord, und Erich hatte für ein Paket Chemikalien gesorgt, um die Fotografien unterwegs zu entwickeln, so daß wir neue Bilder aufnehmen konnten, wenn einzelne nicht gelungen waren. Nach dem Besuch des Walhaies konnte er sich nicht länger gedulden.

Eines Abends mixte er Pulver und Wasser genau nach Vorschrift zusammen und entwickelte zwei Filme. Die Negative sahen aus wie Fernsehfotos. Sie bestanden nur aus unklaren Runzeln und Punkten. Die Filme waren ruiniert. Wir telegrafierten an unsere Partner und baten um Rat. Der Funkspruch wurde von einem Radioamateur in Hollywood aufgeschnappt, der sofort das nächste Laboratorium anrief.

Kurz darauf schaltete er sich wieder ein und erzählte uns, daß unsere Entwicklerflüssigkeit zu warm sei. Die Wassertemperatur dürfe nicht mehr als 16 Grad betragen, sonst würden die Negative schrumpfen.

Wir dankten für den guten Rat und stellten fest, daß die absolut niedrigste Temperatur in unserer Umgebung die der Meeresströmung war, und die betrug 27 Grad. Nun war Hermann Ingenieur und eigentlich Fachmann in Kältetechnik. Ich gab ihm daher im Spaß den Auftrag, uns Wasser von 16 Grad zu beschaffen. Er bat, über die kleine Kohlensäureflasche zu dem bereits aufgeblasenen Gummiboot verfügen zu dürfen. Dann überdeckte er eine Schüssel mit einer Unterjacke und einem Schlafsack. Nach einem zünftigen Hokuspokus starrten Hermanns Bartstoppeln plötzlich von Rauhreif, und er servierte uns einen großen Klumpen weißen Eises.