Выбрать главу

An den Beinen aufgehängt, soll Haug-land das Tauwerk unter dem Floß kontrollieren und nachsehen, ob die Zurrungen halten. Lotsenfische und Dolfine schwimmen ihm um die Nase.

Hesselberg macht eine Taucherglocke aus einem alten Korb. Wenn uns bei unseren Tauch-fahrten unter das Floß unwillkommener Besuch überrascht, so können wir uns in den Korb hocken und rasch an Bord ziehen lassen.

Raaby in der Radioecke, die durch eine von Danielsson dekorierte Pappwand abgetrennt ist. Von hier werden tägliche Berichte an das Meteorologische Institut in Washington gesendet.

Wir stehen auch mit vielen Radioamateuren in Verbindung.

Unten:

Kartenstudium. Hesselberg nimmt die Sonnenhöhe auf und gibt uns die tägliche Position. So können wir die Fahrt genau auf der Karte einzeichnen.

Bengt lag schon wieder schnarchend in seinem Schlafsack. Erich und Torstein hatten sich auch wieder niedergelegt und meditierten, und Knut lief aus und ein. Abwechselnd steckte er die Nase in den Blätterduft und schrieb dramatische Eintragungen in sein Tagebuch.

Gegen halb neun versank Puka-Puka wieder hinter uns im Meer. Aber noch über zwei Stunden konnten wir von der Mastspitze einen schwachen blauen Strich über dem östlichen Horizont sehen. Dann verschwand auch der, und nur eine hohe Kumulonimbuswolke, die ruhig in den Himmel stieg, verriet, wo Puka-Puka lag. Die Vögel verschwanden. Sie hielten sich wohl mehr an die Windseite der Inseln, wo sie den Wind mit sich hatten, wenn sie am Abend vollgefressen nach Hause wollten. Die Dolfine waren auch auffallend selten geworden, sogar mit den Lotsenfischen unter dem Floß war nicht mehr viel los.

In dieser Nacht sagte Bengt, daß er sich nach Tisch und Stuhl sehne, es sei so aufreibend, sich immer beim Lesen vom Rücken auf den Magen zu drehen. Ansonsten war er zufrieden, daß wir das Land verpaßt hatten, er hatte noch drei Bücher übrig. Torstein bekam plötzlich Lust auf einen Apfel, und ich selbst wachte in der Nacht auf, weil ich deutlich das Aroma eines prächtigen Beefsteaks mit Zwiebeln verspürte. Aber es war leider nur ein dreckiges Hemd.

Schon am nächsten Vormittag entdeckten wir zwei neue Wolken, die wie Dampf aus zwei Lokomotiven hinter dem Horizont aufstiegen. Nach der Karte mußten das die Koralleninseln Fangahina und Angatau sein. Die Wolke über Angatau lag uns am günstigsten, so wie der Wind jetzt stand. Daher setzten wir Kurs auf sie, zurrten das Ruder fest und genossen noch einmal die Ruhe und Freiheit des Stillen Ozeans. Herrlich war das Dasein an einem schönen Tag auf dem Bambusdeck der »Kon-Tiki«. Im Bewußtsein, daß jetzt die Reise jedenfalls bald zu Ende war, erlebten wir das voller und tiefer als sonst.

Drei Tage lang steuerten wir auf die Wolke über Angatau. Das Wetter war strahlend, das Ruder hielt den Kurs auch ohne uns, und die Strömung spielte uns keine Possen. Als am vierten Morgen um sechs Uhr Hermann die Wache an Torstein übergab, glaubte Hermann, er hätte Konturen einer niedrigen Insel im Mondschein gesehen. Als die Sonne kurz darauf emporkam, steckte Torstein den Schädel in die Hüttentür und schrie:

»Land in Sicht! «

Wir stürzten alle Mann an Deck, und was wir sahen, ließ uns alle Flaggen hissen. Zuerst die norwegische achtern, dann die französische im Topp , weil wir gegen eine französische Kolonie steuerten. Bald wehte die ganze Sammlung auf dem Floß im frischen Passat, die amerikanische, peruanische, schwedische und britische, außerdem die Flagge des »Explorers Club«. So konnte kein Zweifel an Bord aufkommen, daß die »Kon-Tiki« zum Fest geschmückt war. Die Insel lag nämlich diesmal ideal für uns, direkt in unserem eigenen Kurs und kaum weiter von uns entfernt als Puka-Puka vor vier Tagen bei Sonnenaufgang. Als die Sonne in unserem Rücken emporstieg, bekamen wir deutlich einen grünen Lichtschein gegen den diesigen Himmel über der Insel zu sehen. Es war dies der Widerschein von der stillen grünen Lagune auf der Innenseite des Riffs. Manche der niedrigen Atolle werfen solche Spiegelbilder viele tausend Meter in die Luft, so daß sie ihre Position den eingeborenen Seefahrern verraten, viele Tage, ehe noch die Insel selbst über dem Horizont erscheint.

Gegen zehn Uhr nahmen wir das Steuerruder wieder zur Hand. Nun mußten wir bestimmen, auf welchen Teil der Insel wir zusteuern wollten. Wir konnten bereits einzelne Baumkronen unterscheiden und sichteten undeutlich Reihen von sonnenhellen Baumstämmen gegen das dichte, schattige Laubwerk des Hintergrunds.

Wir wußten, irgendwo zwischen uns und der Insel lag ein lebensgefährliches Riff und lauerte auf alles, was gegen die unschuldsreine Insel getrieben kam. Die enormen Wassermassen, die in freien, tiefen Dünungen aus dem Osten gerollt kamen, verloren über der Untiefe das Gleichgewicht, als hätte man ihnen ein Bein gestellt. Sie schäumten in die Luft und wälzten sich mit Donnerbrausen über die scharfen Korallenblöcke. Viele Fahrzeuge sind in den furchtbaren Sog gegen die Unterwasserriffe der Tuamotu-Gruppe geraten und wurden vollständig zerschmettert.

Vom Meer aus sahen wir nichts von dieser tückischen Fallgrube, wir trieben hinein mit den Wogen und sahen bloß See um See mit krummem, blankem Rücken auf die Insel zulaufen. Das Ringriff mit seinem schäumenden Hexentanz blieb uns hinter steigenden Reihen von breiten Wogenrücken verborgen. Aber von beiden Enden der Insel, dort, wo wir den Strand im Profil sahen, im Norden wie im Süden, bemerkten wir, daß das Meer ein paar hundert Meter vor dem Land weißschäumend kochte und hoch in die Luft sprühte.

Wir nahmen einen Kurs, der die Außenseite des Hexenkessels im Süden der Insel berührte, und hofften, wir könnten so am Riff entlangsteuern, bis wir entweder um die Landspitze auf die Leeseite kamen, oder bis wir auf jeden Fall einen Punkt berührten, wo es so flach war, daß wir unsere Bewegung mit einem improvisierten Anker stoppen konnten und abwarten, bis sich der Wind einmal drehte und wir selbst in Lee liegenblieben.

Um zwölf Uhr konnten wir im Fernstecher sehen, daß die Vegetation an Land aus jungen, grünen Kokospalmen bestand. Ihre Kronen schlossen sich dicht über einer wogenden Vordergrundshecke von üppigem, kleinem Buschwerk zusammen. Drinnen am Strand lag eine Reihe großer Korallenblöcke verstreut über den hellen Sand. Weiße Vögel, die über die Palmengruppen segelten, waren die einzigen Lebewesen an Land.

Um zwei Uhr waren wir so nahe gekommen, daß wir die Insel entlangzusegeln begannen, dicht vor dem lauernden Ringriff. Je näher wir kamen, desto stärker hörten wir das Dröhnen der Brandung wie in einem gleichmäßigen Wasserfall gegen das Riff vor uns, und bald hörte es sich an wie ein endloser Expreßzug, der wenige hundert Meter von Steuerbord entlangjagte. Gelegentlich sahen wir auch jetzt dicht vor uns, wo der Brandungsexpreß vorbeisauste, den sprühenden Schaum hoch in der Luft.

Zwei Mann drehten das Ruder. Sie standen hinter der Bambushütte und hatten deshalb nicht den geringsten Ausblick nach vorne. Erich hatte die Navigation übernommen. Die Küchenkiste war seine Kommandobrücke, von wo er die zwei am schweren Steuerruder dirigierte. Wir planten nämlich, uns so dicht am gefährlichen Riff zu halten, als überhaupt zu verantworten war. Von der Mastspitze hielten wir ständig Ausguck. Wir hofften auf eine Spalte oder Öffnung im Riff, durch die man das Floß hineinschmuggeln konnte. Die Strömung trieb uns, ohne uns einen Streich zu spielen, das ganze Riff entlang. Auch der Wind strich in der gleichen Richtung. Die wackeligen Schwerter gestatteten uns so viel Bewegungsfreiheit, daß wir immerhin bis zu 20 Grad nach beiden Seiten vom Wind abweichen konnten.

Während Erich im Zickzack so nahe an das Riff kreuzte, als angesichts des Sogs noch ratsam war, trieben Hermann und ich an einem Schlepptau im Gummiboot hinterher. Wenn das Floß die innere Bahn nahm, schwangen wir am Tau nach und kamen dem donnernden Riff so nahe, daß wir deutlich die glasgrüne Wasserwand sahen, die sich von uns wegwälzte. Wenn die Seen zurückfluteten, entblößte sich das kahle Riff und glich einer wüsten Barrikade von rostigem Eisenerz. Soweit wir die Küste hinuntersehen konnten, gab es weder Spalt noch Passage. Da drehte Erich das Segel herüber, und die Ruderleute folgten mit dem Steuer nach, so daß die »Kon-Tiki« die Nase wendete und im letzten Augenblick aus der Gefahrenzone herausschlingerte. Jedesmal, wenn die »Kon-Tiki« gegen das Riff hereinsteuerte und wieder hinausschwenkte, schlug uns beiden, die im Schlauchboot nachschlitterten, das Herz bis in den Hals. Und jedesmal kamen wir so weit herein, daß wir den höheren und hitzigeren Takt der See spürten. Jedesmal waren wir überzeugt, jetzt wäre Erich zu weit gegangen, diesmal sei keine Hoffnung mehr, die »Kon-Tiki« aus den Brandungen, die sie gegen das teuflische rote Riff hineinziehen wollten, frei zu bekommen. Aber jedesmal meisterte Erich die Brassen mit einem eleganten Manöver, und die »Kon-Tiki« scherte wohlgeborgen aus den Klauen des Sogs hinaus aufs freie Meer. Dabei glitten wir die Insel entlang, so nahe, daß wir alle Details an Land sahen, und trotzdem war die paradiesische Schönheit da drinnen für uns unzugänglich wegen des geifernden Massengrabs, das dazwischen lag.