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Da fielen sie aus allen Wolken. Sie löschten ihre Zigaretten und leisteten uns Gesellschaft. Da saßen wir nun, vier Mann auf jedem Seitenstamm, und tauchten die Paddelruder ins Wasser. Gleichzeitig versank die Sonne hinter der Landzunge, und die Windstöße von der Insel wurden frischer. Es sah nicht aus, als kämen wir vom Fleck. Die Eingeborenen sprangen zurück ins Kanu und verschwanden. Es dämmerte, und wir saßen wieder allein und paddelten wie verrückt, um nicht von neuem auf See zu treiben.

Gerade als das Dunkel sich über die Insel legte, kamen vier Kanus hinter dem Riff hervorgetanzt, und bald wimmelte es von Polynesiern an Bord; alle wollten uns die Hand schütteln und Zigaretten haben. Mit diesen ortskundigen Kerlen an Bord war keine Gefahr mehr, die ließen uns nicht wieder ins Meer und aus den Augen. Heute abend würden wir also an Land sein.

Rasch zogen wir Taue von den Hecks aller Kanus zum Bug der »Kon-Tiki«, und die vier stattlichen Auslegerkanus spannten sich fächerförmig wie Zughunde vor das Floß. Knut sprang ins Schlauchboot und suchte sich einen Platz mitten zwischen den Kanus. Wir anderen verteilten uns mit Paddelrudern auf die Seitenstämme der »Kon-Tiki«. Und damit begann das Tauziehen gegen den Ostwind.

Es war nun pechschwarz, bis der Mond heraufkam und frischen Wind mitbrachte. Drinnen auf Land hatte die Bevölkerung des Dorfes allerhand Brennbares zuammengetragen und einen großen Scheiterhaufen angezündet, um uns die Richtung zum Durchgang im Riff anzuzeigen. Das Donnerdröhnen umgab uns im Dunkel wie ein ewig lärmender Wasserfall und wurde stärker und stärker.

Wir sahen nicht die Mannschaft, die uns draußen in den Kanus zog, aber wir hörten, daß sie aus vollem Hals aufmunternde Krieglieder auf polynesisch sang. Knut war auch dabei. Das hörten wir. Jedesmal, wenn den Polynesiern die Luft ausging, hörten wir Knuts einzelne Stimme, der sein ». . . wandern wir mit frischem, frohem Mut« zwischen die Chöre der Eingeborenen hinausschmetterte. Um das Chaos komplett zu bekommen, stimmten wir am Floß mit ein, und zwar mit dem Lied: »Tom Brown's baby had a pimple on his nose.« Mit Lachen und Gesang legten sich Weiße und Braune in die Paddelruder.

Die Stimmung war auf dem Höhepunkt. Siebenundneunzig Tage und endlich in Polynesien! Am Abend würde es ein Fest im Dorfe geben. Die Eingeborenen jubelten, riefen und schrien. Auf Angatau lief nur einmal im Jahr ein Schiff an, wenn nämlich der Kopraschoner von Tahiti kam, um Kokoskerne zu holen. So würde es heute abend hoch hergehen um den Holzstoß da drinnen auf Land.

Aber das Biest, der Wind, war zäh. Wir hieben ein, daß wir es in allen Knochen spürten. Wir hielten die Stellung, aber das Feuer näherte sich nicht, und der Donner vom Riff blieb jetzt in seiner Stärke gleich. Kurz darauf hörte der Gesang auf. Es wurde still. Alle hatten vom Rudern mehr als genug. Das Feuer bewegte sich nicht, es tanzte nur mit den Wellen auf und nieder. Es vergingen drei Stunden, und es war neun Uhr geworden. Dann begann es langsam, verkehrt zu gehen. Wir waren fertig.

Wir machten den Eingeborenen begreiflich, daß wir mehr Hilfe von Land brauchten. Sie erklärten uns, daß zwar noch Männer genug an Land wären, aber es gab nicht mehr als diese vier seegängigen Kanus auf der ganzen Insel.

Knut tauchte mit dem Schlauchboot aus dem Dunkel auf. Er hatte eine Idee. Er wollte mit den Schlauchboot hineinrudern und weitere Eingeborene holen. Zusammengedrängt konnte man fünf bis sechs Mann darauf unterbringen.

Das war aber allzu riskant. Knut hatte keine Ortskenntnis. Es würde ihm nie gelingen, sich bei dieser ägyptischen Finsternis zur Öffnung im Korallenriff durchzutasten. Er schlug vor, den Anführer der Eingeborenen mitzunehmen, der konnte ihm den Weg zeigen. Ich fand auch nicht, daß diese Idee überzeugend war. Der Eingeborene hatte keine Erfahrung in der Behandlung eines schwerfälligen Gummibootes bei einer engen und gefährlichen Durchfahrt. Aber ich bat ihn, den Anführer zu holen, der vorn im Dunkel mitpaddelte. Da würden wir zu hören bekommen, was er von der Situation hielt. Es war deutlich genug, daß es nicht länger möglich war, die Abtrift hintanzuhalten.

Knut verschwand im Dunkel, um den Mann zu holen. Als eine Zeit verging, ohne daß die beiden zurückkamen, riefen wir ihm nach. Ein gackernder Chor von Polynesiern war die einzige Antwort. Knut war in der Dunkelheit verschwunden. Im gleichen Augenblick begriffen wir, was geschehen war. In all dem Aufruhr, Lärm und Wirbel hatte Knut den Bescheid mißverstanden und war mit dem Eingeborenen zum Land gerudert. Wie wir auch riefen, es war nutzlos. Dort, wo Knut jetzt war, wurde alles vom Donnern der Brandung übertönt.

Eilig suchten wir die Morselampe heraus. Ein Mann kroch in die Mastspitze und signalisierte: »Komm zurück! Komm zurück!«

Aber niemand kam. Da jetzt zwei Mann fehlten, weil einer ständig in der Mastspitze saß und signalisierte, vermehrte sich die Abtrift, und wir anderen begannen wirklich müde zu werden. Wir warfen Seemarken aus und sahen, daß es langsam, aber sicher, nach rückwärts ging. Das Feuer wurde kleiner und das Brüllen der Brandung bescheidener. Je weiter wir aus dem Schütze der Palmenwälder herauskamen, desto besser konnte uns der ewige Ostwind packen. Wir erkannten ihn wieder, nun war es bald wie draußen auf dem Meer. Aber wir durften nicht aufhören zu paddeln. Wir mußten die Abtrift mit all unserer Kraft bremsen, bis Knut wieder heil an Bord war.

Fünf Minuten vergingen, zehn Minuten, eine halbe Stunde, das Feuer wurde kleiner, ab und zu verschwand es vollständig, wenn wir selbst in ein Wogental glitten. Die Brandung wurde ein fernes Grollen.

Nun kam der Mond herauf. Wir sahen, wie die Mondscheibe hinter den Palmenkronen an Land erglänzte, aber der Himmel war diesig und halb bewölkt.

Wir hörten, wie die Eingeborenen zu murmeln und zu beraten begannen. Plötzlich merkten wir, daß eines von den Kanus sein Tau in See warf und verschwand. Die Mannschaften der drei anderen Kanus waren müde und ängstlich und legten sich nicht mehr mit voller Kraft in die Riemen. Die »Kon-Tiki« trieb hinaus auf das offene Meer. Bald wurden auch die drei anderen Taue schlaff, und die Kanus stießen gegen die Kante des Floßes. Einer der Eingeborenen kam an Bord und sagte ruhig mit einer Kopfbewegung: »Juta« - gegen Land.

Er sah bekümmert gegen das Feuer, das jetzt jedesmal lang verschwunden war, und nur ab und zu wie ein Funken hervortanzte. Wir trieben davon. Die Brandung war verstummt, nur die See brauste wie früher, und es knirschte und schrie in allen Tauen.

Wir gaben den Eingeborenen reichlich Zigaretten mit. In aller Eile kritzelte ich einen Zettel voll. Sie sollten ihn mitnehmen und Knut geben, wenn sie ihn fanden. Darauf stand geschrieben:

»Nimm zwei Eingeborene mit im Kanu und das Gummiboot im Schlepp. Komm nicht allein im Gummiboot zurück!«

Wir rechneten damit, daß die hilfsbereiten Insulaner Knut im Kanu mitnehmen würden, wenn sie es ratsam fanden, hinauszufahren. Fanden sie es nicht ratsam, so war es Wahnwitz, wenn Knut sich allein im Gummiboot aufs offene Meer wagte, in der schwachen Hoffnung, das ausreißerische Floß wieder einzuholen. Die Eingeborenen ergriffen den Zettel, sprangen in die Kanus und verschwanden in der Nacht. Das letzte, was wir hörten, war eine durchdringende Stimme, die draußen im Dunkel rief:

»Good night!«

Wir hörten noch ein anerkennendes Gemurmel von den weniger Sprachkundigen, dann war wieder alles still und frei von fremden Lauten wie in der Zeit, als wir tausend Seemeilen vom nächsten Land waren. Es war sinnlos für uns vier, unter vollem Winddruck hier draußen auf dem offenen Meer noch mit den Paddelrudern zu arbeiten, aber wir setzten die Lichtsignale von der Mastspitze fort. Wir wagten nicht länger »Komm zurück!« zu morsen, wir gaben nur mehr gleichmäßige Blinksignale. Es war stockfinster. Der Mond kam nur in vereinzelten Augenblicken durch die Wolkenschichten hervor. Wir mußten Angataus Kumulonimbuswolke über uns haben.