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Erich stand jetzt klar achtern auf den Stämmen, und als die See hinauslief, sprang auch er hinauf aufs Riff. Das nächste Mal war es Hermann, der bereitstand, und dann Bengt. Jedesmal schob sich das Floß ein Stück weiter hinauf, und als die Reihe an Torstein und mich kam, lag das Floß bereits so weit innen am Riff, daß kein Grund mehr war, es zu verlassen. Wir begannen alle Mann mit der Bergung.

Es waren jetzt zwanzig Meter hinter uns zu der teuflischen Treppenstufe am Riff, wo sich die Brandungswellen in Reih und Glied heranwälzten. Die Korallentiere hatten dafür gesorgt, das Ringriff so hoch zu bauen, daß es nur den obersten Zungen der Brandung gelang, einen frischen Strom mit Seewasser in die fischreiche Lagune hineinzuschicken. Hier drinnen war die Zauberwelt der Korallen, sie entfalteten sich hier in abenteuerlichen Formen und Farben.

Weit drinnen am Riff fanden die anderen das Gummifloß wieder, das hier voller Wasser dahintrieb. Sie leerten es aus und zogen es ans Wrack zurück. Hier beluden wir es mit der wichtigsten Ausrüstung, vor allem mit dem Radio, dem Proviant und den Wasserflaschen. So zogen wir es hinein auf die Innenseite des Riffs und stapelten alles auf der Spitze eines gewaltigen Korallenblocks, der sich hier wie ein großer Meteorstein ausnahm. Wir konnten nie wissen, auf was das Meer verfiel, wenn die Flut einsetzte.

In dem seichten Wasser drinnen auf den Felsen sahen wir etwas Blankes in der Sonne glänzen. Als wir hinwateten, um es aufzunehmen, sahen wir zu unserem Erstaunen, daß es zwei leere Konservenbüchsen waren. Wir hatten nicht erwartet, akkurat das hier zu finden, und waren noch mehr überrascht, als wir sahen, daß die winzigen Büchsen ganz blank und frisch geöffnet und mit »Ananas« gestempelt waren. Übrigens mit derselben Schrift wie auf den neuen Feldrationen, die wir selbst für den Quartiermeister ausprobieren sollten. Es waren zwei von unseren eigenen Ananasbüchsen, die wir bei unserer letzten Mahlzeit auf der »Kon-Tiki« über Bord geworfen hatten. Zwischen unseren Landungen war nicht viel Zwischenraum gewesen.

Es waren scharfe und bizarre Korallenblöcke, auf denen wir uns befanden, und auf dem unebenen Boden wateten wir bald bis zu den Knöcheln, bald bis zur Brust im Wasser, je nachdem sich Rinnen und ganze Stromtäler hindurchzogen. Algen und Seerosen und Korallen bewirkten, daß das ganze Riff aussah wie ein Steinbeet mit Moosen, Kakteen und versteinerten Gewächsen in Rot, Grün, Gelb und Weiß. Es gab keine Farbe, die nicht vertreten gewesen wäre, sei es in Korallen oder Algen oder in den Muscheln und Seewalzen oder gar in den phantastischen Fischen, die überall an uns vorbeischössen. In den tieferen Rinnen kamen kleine Haie, nur vier Fuß lang, in dem kristallklaren Wasser vorsichtig an uns heran, aber wenn wir nur mit der Hand ins Wasser schlugen, machten sie eine Kehrtwendung und hielten sich auf Abstand.

Wo wir havariert waren, hatten wir nur Wasserlachen und Korallenfelsen um uns, weiter drinnen lag die ruhige, blaue Lagune. Die Ebbe strömte heraus, und wir sahen, wie immer mehr Korallen um uns auftauchten, die Brandungswellen, die ununterbrochen an das Riff donnerten, lagen plötzlich um eine Etage tiefer. Was hier geschehen würde, wenn das Meer wieder begann hereinzuströmen, war ungewiß. Wir mußten von hier weg.

Das Riff zog sich wie eine halb unterseeische Burgmauer nach Norden und Süden. Ganz drunten im Süden lag eine langgestreckte Insel, dicht bewachsen mit Palmenwald, und knapp oberhalb von uns im Norden, nur sechs- bis siebenhundert Meter entfernt, lag eine ganz winzige Palmeninsel. Sie lag an der Innenseite des Riffs und streckte ihre Kronen gegen Himmel, während sie einen schneeweißen Sandstrand hinaus in die stille Lagune sandte. Die ganze Insel sah aus wie ein strotzender grüner Blumenkorb, vielleicht auch wie ein kleines Stück konzentriertes Paradies. Sie wählten wir.

Hermann stand an meiner Seite und strahlte wie die Sonne über sein ganzes bärtiges Antlitz. Er sagte nicht ein Wort, streckte mir bloß die Hand entgegen und lachte glücklich. Die »Kon-Tiki« lag ganz draußen am Riff, der Schaum sprühte immer noch über sie weg. Sie war ein Wrack, aber ein würdiges Wrack. Alles über Deck war zerschmettert, aber die neun Balsastämme aus dem Quevedowald in Ecuador waren unversehrt wie zuvor. Sie hatten unser Leben gerettet. Das hatte ein wenig von der Last zerstört, aber nichts, was wir in der Hütte verstaut hatten. Wir selbst hatten das Floß von allem, was wirklichen Wert besaß, entblößt Das lag nun wohl verwahrt auf der Spitze des sonnenverbrannten Riesensteins innen am Riff.

Während ich von Bord sprang, gingen mir die Lotsenfische, die sonst vorm Bug marschierten, regelrecht ab. Nun lagen die dicken Balsastämme auf dem nackten Riff in einem halben Fuß Wasser, und braune Seewalzen bewegten sich unter dem Bug. Die Lotsenfische waren fort, die Dolfine waren fort. Nur unbekannte, platte Fische mit Pfauenmuster und Schleierschwänzen schwammen neugierig aus und ein zwischen den Stämmen. Wir hatten eine neue Welt erreicht Johannes war aus seinem Loch verschwunden. Er hat hier wohl einen anderen Unterschlupf gefunden.

Ich warf einen letzten Blick über das Wrack Da stach mir ein kleines Palmenbaby in einem flachgedruckten Korb in die Augen. Anderthalb Fuß erhob es sich schon aus dem Auge einer Kokosnuß, und zwei Wurzeln streckte es nach unten. Mit der Nuß in der Hand watete ich hinüber zur Insel. Ein Stück vor mir sah ich Knut, der glücklich an Land platschte, ein Modell des Floßes unter dem Arm, das er mühsam unterwegs verfertigt hatte Bald passierten wir Bengt, der ein wunderbarer Steward war. Mit einer Beule auf dem Kopf und das Seewasser aus dem Bart triefend, marschierte er gebückt und schob eine Kiste vor sich her, die ihm jedesmal davontanzte, wenn die Brandung draußen einen Strom in die Lagune hineinschickte. Er öffnete stolz den Deckel. Es war die Küchenkiste, und drinnen waren der Primus und der Kochtopf, beide wohlerhalten.

Bergungsarbeit am Wrack. Nach der Umarmung des Meeres ist alles an Bord wie mit einem Zauberschlag verändert. Der Mast ist geknickt, die Hütte zerschlagen, unsere Sachen durcheinandergewirbelt. Verschont ist nur geblieben, was achtern geborgen war, als das Meer über das Floß hereinbrach.

 

Eine unbewohnte Palmeninsel liegt im Schütze des Korallenriffs inmitten der Lagune. Sie wird zu unserer ersten Heimstatt jenseits des Ozeans. Niemals werden wir das Gefühl vergessen, das uns ergriff, als wir unsere Füße nach hundertein Tagen Floßfahrt auf warmen, trockenen Sand setzten.

Unser Gummiboot haben wir weit innerhalb des Riffs wiedergefunden. Mit ihm kann fast alles Wertvolle geborgen werden.

Ich werde niemals die Waterei vom Riff zu der paradiesischen Palmeninsel vergessen, die uns entgegenwuchs. Als ich den sonnenhellen Sandstrand erreichte, riß ich die Schuhe ab und bohrte die nassen Zehen in den warmen, trockenen Sand. Es war, als bereite mir jede Spur, die sich in dem unberührten Sandstrand hinauf bis zu den Palmenstämmen abzeichnete, eine tiefe innige Freude. Bald schlossen sich die Palmenkronen über mir. Ich setzte meinen Weg fort bis in die Mitte der winzigen Insel. Grüne Kokosnüsse hingen unter den Palmenkronen. Einige üppige Busche waren dicht überzogen mit schneeweißen Blüten, die so süß und berückend dufteten, daß ich mich fast schwindeln fühlte. Drinnen auf der Insel umsegelten ganz zahme Seeschwalben meine Schultern. Sie waren so leicht und weiß wie Nebelstreifen. Kleine Vierfüßler flüchteten vor unseren Fußen. Aber die wichtigsten Einwohner der Insel waren dicke, blutrote Einsiedlerkrebse, die überall herumpolterten, gestohlene Schneckenhauser, groß wie ein Ei, über den bloßen Hinterkörper gezogen.